Eben stand Haya Molcho noch in der Küche, nun sitzt sie im Gastraum ihres Lokals Neni am Naschmarkt. Wenn sie über ihr Leben spricht, strahlt sie dabei etwas aus: ein heiterquirliges Lebensgefühl. Von Alexia Weiss
Ich bin nicht orthodox, aber sehr traditionell. Ich glaube an Gott, aber bin eben nicht orthodox. Tradition und Wurzeln, das ist mir wichtig“, sprudelt es nur wenige Minuten nach Beginn unseres Gesprächs aus Haya Molcho heraus. Die jüdischen Feiertage sind Pflicht, und als die Kinder kleiner waren, „habe ich auch immer die Schabbat-Kerzen angezündet“. Die bekannte Wiener Gastronomin hält mit nichts lange hinter dem Berg. Was sie zu sagen hat, sagt sie. Frisch von der Leber weg.
Als sie Ende der Siebzigerjahre den Pantomimen Samy Molcho kennen lernte, wusste sie, jetzt ist sie bereit für eine dauerhafte Beziehung. Ja, erzählt sie lachend, natürlich habe sie zuvor auch nichtjüdische Männer getroffen. Ob es wichtig war, dass der Mann, den sie schließlich geheiratet hat, Jude war? „Natürlich gab es den Wunsch, einen Juden zu heiraten. Mir war aber wichtiger, dass er Israeli war. Ich bin aus Israel und er ist aus Israel, wir haben die gleiche Mentalität. Und die lautet: Es gibt nichts, was wir nicht schaffen.“
Molcho ist 1955 als Tochter rumänischer Einwanderer in Tel Aviv auf die Welt gekommen
„Meine Mutter war eine glühende Zionistin“, erzählt sie. Zu Hause wurde Rumänisch und Iwrit gesprochen. Als sie neun war, übersiedelte die Familie nach Deutschland. Der Vater, ein Pionier der Zahnimplantologie, war einem Ruf aus Bremen gefolgt. „Für mich und meinen Bruder war das ein Kulturschock. In Bremen gab es damals kaum Ausländer. Die jüdische Gemeinde hatte nicht mehr als 300, 400 Mitglieder und das waren vor allem osteuropäische Juden. Wir waren auch in der Schule die Exoten. Aber wir sind auf alle zugegangen, ich habe geflirtet, denn Deutsch sprechen konnte ich noch nicht, und so habe ich schnell Kontakt zu anderen Kindern gehabt.“
Einen Extrasprachunterricht gab es für sie damals nicht. Dennoch ging das Deutschlernen rasch, erinnert sie sich. Man höre zu, lese, lerne. Sprache sei wichtig. „Sprache ist das A und O.“ Auch sich integrieren sei wichtig. Auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite: offen auf Leute und andere Kulturen zuzugehen. Das hat sie in ihrem Leben auch immer getan. Bevor ihre vier Söhne Nuriel, Elior, Ilan und Nadiv zwischen 1984 und 1990 auf die Welt kamen, begleitete sie ihren Mann sieben Jahre auf einer Welttournee. Dort schnupperte sie auch in die Küchen der Welt – Erfahrungen, die ihr heute zu Gute kommen.
Zuvor machte sie allerdings in Bremen ihr Abitur, studierte Psychologie, arbeitete ein Jahr mit schwer erziehbaren Kindern. Dann der Umzug zu Samy Molcho nach Wien, die sieben Jahre Weltreise, die Geburt der Kinder. Die Erziehung sollte offen sein, waren sich Haya und Samy einig. Nämliches galt für die Schule. Die Wahl fiel auf die Vienna International School – vom Kindergarten an.
All ihr Geld hätten sie in die Schule gesteckt, erzählt Molcho. Aber es habe sich gelohnt. „Sie sind jeden Tag gerne zur Schule gegangen.“ Die jüdische Schule kam damals nicht für sie in Frage, „weil das war nicht meine Mentalität. Meine Kinder sind israelisch aufgewachsen.“ Und international. Ein Sohn hat in London studiert, einer in Deutschland, einer in Spanien. Der jüngste, Nadiv, hat in New York Schauspiel studiert und hat nun in Los Angeles ein Engagement.
Worüber sich Molcho aber am meisten freut: Bis heute sei man eine glückliche Familie, unternehme viel, fahre zusammen auf Urlaub. Eben sind die Molchos vom gemeinsamen Schifahren nach Wien zurückgekehrt. Außerdem arbeiten drei der vier Söhne im Familienbetrieb Neni mit: Nuriel, Elior und Ilan.
Begonnen hat das alles mit einem Catering vor zwölf Jahren
Zu Hause habe es immer viel Besuch gegeben, sie sei es gewohnt gewesen, zu kochen. Dann habe eine Freundin gefragt, ob sie das Catering für eine Veranstaltung machen wolle – nicht als Freundschaftsdienst, sondern gegen Bezahlung. „Und dann wurde ich weitergereicht.“ Sie punktete nicht nur mit interessanter Küche, sondern auch mit farbenfrohen Dekorationen. Mit orientalischer Optik. „Ich wollte immer schon alle Sinne ansprechen. Es waren richtige Inszenierungen.“