Eli Kaikov kennt den Naschmarkt seit mehr als 30 Jahren. Und wie dieser hat er sich in dieser Zeit auch selbst mehrmals verändert. Von Reinhard Engel; Fotos: Daniel Kaldori
Langsam erwacht der Markt zum Leben. Buntes Gemüse und Obst liegen schon glänzend poliert in Reih und Glied. Auf den Salaten schimmern die Wassertropfen, die exotische Mango-Papaya-Ecke ist ebenfalls bereit – mit saftigen, fertig geschnittenen Stücken zum Kosten. Auf dem einen oder anderen Stand werden noch gedörrte Beeren oder duftende Gewürze in kleine durchsichtige Sackerln abgefüllt. Asiatische Kellner – ob Chinesen oder Vietnamesen – rücken die Sessel in ihren Schanigärten zurecht und waschen die Tischplatten. Ein türkischer Standler nimmt sich kurz Zeit für einen Tee im Stehen.
Schon tauchen die ersten Kunden auf: Der eine oder andere Hausmann kauft brav und umständlich, was ihm aufgetragen wurde; mit leuchtenden Augen rücken die ersten deutschen Touristengrüppchen in beiger Freizeitkleidung an; ein Bub im Vorschulalter beißt voller Genuss in eine frühe Falafel-Pita und versucht geschickt, dem Tropfen zu entgehen; und in einer geschützten Ecke arbeiten zwei österreichische Hackler ernsthaft an ihren Reparatur-Seideln, als wäre es Sonntagvormittag in einem Landgasthaus.
Eli Kaikov begrüßt seinen Besucher herzlich – mit der linken Hand. Er hat sich erst vor wenigen Tagen eine alte Schulterverletzung operieren lassen, und es ist für einen, der auch als Chef gerne anpackt, schwer zurückzustecken, auch nur für kurze Zeit. Schmerzen? Nicht so arg. Schmerzmittel? Nie, auch nicht unmittelbar nach der OP.
Kaikov kennt den Markt wie seine Jackentasche. Er ist 1981 hierher gekommen, unmittelbar nach dem Militärdienst in Israel. Und damals hat der Naschmarkt noch ganz anders ausgesehen. „Es hat zu 90 bis 95 Prozent nur Obst und Gemüse gegeben, weit entfernt von der heutigen Vielfalt. Und ich war erst der dritte Ausländer hier.“
Israel war zu klein
Eigentlich hatte er nach Amerika auswandern, sich zuerst in Europa nur kurz umschauen wollen. „Israel war mir einfach zu klein.“ Aber seine Eltern, die hier bereits einen Stand hatten, wollten den jungen Mann nicht weiterziehen lassen, also blieb er hier und half ihnen. Ursprünglich stammte die Familie aus Usbekistan und war Anfang der 1970er-Jahre im Rahmen der großen jüdischen Auswandererwelle aus der Sowjetunion nach Israel übersiedelt. Eli war damals zwölf Jahre alt. Er ging in Tel Aviv in die Schule und lernte anschließend den Beruf des Zahntechnikers. „Es war eine Kombination aus Schule und Praxis“, erinnert er sich. Im ersten Jahr stand das Lernen im Vordergrund, bis ins dritte Jahr wurde die Arbeit immer mehr. „Aber es waren Lehrjahre, und mir ist es gegangen wie anderen Lehrlingen auch. Ich habe die schmutzigste Arbeit machen müssen, das Schleifen an den Gipsabdrücken der Gebisse und natürlich Jause für die Älteren holen: einen Kaffee mit einem Löffel Zucker, einen mit zwei Löffeln …“
Im dreijährigen Militärdienst durfte er seine erworbenen Kenntnisse nicht anwenden. „Es hat geheißen: Du bist gesund, wir brauchen dich vorne.“ Und als er sich nach dem Abrüsten erkundigte, was er einmal als Zahntechniker verdienen können würde, war klar: Er musste etwas anderes machen. Also brach er auf nach Wien.
Doch auch hier wartete harte Arbeit auf ihn. Denn am Naschmarkt heißt es früh aufstehen: Die Routine beginnt am Großgrünmarkt in Inzersdorf beim Einkaufen um drei, vier Uhr in der Früh. Gefallen hat ihm – wie seinem Vater – die frische Ware und dass man diese als Händler immer wieder schnell dreht. „Mein Vater hat gesagt, es gibt genug Geld bei den Leuten, man muss sich nur darum bemühen, dass sie es auch ausgeben.“