Ein vielseitiger Mann, der einige offenkundige Gegensätze anscheinend mühelos in seiner Person vereinigt. Er ist adeliger Herkunft und Sozialdemokrat, höchstrangiger Banker und prominenter Kulturpolitiker. Ein Gespräch mit Rudolf Scholten über sein Literatur im Nebel, den diesjährigen Stargast Ljudmilla Ulitzkaya und über so manche jüdische Identitäten. Von Anita Pollak
wina: Also kein Therapiegespräch, aber trotzdem die Frage, wie man derartig divergierende Aufgabengebiete und scheinbare Widersprüche unter einen Hut bringt.
Rudolf Scholten: Ich empfinde es als enormes Privileg, mich so unterschiedlichen Bereichen widmen zu dürfen. Ich habe zwar immer ein bisschen Leute beneidet, die ein Spezialgebiet haben, in dem sie sich restlos auskennen, in Wahrheit ist das aber Koketterie. Ich betreibe auch ein bisserl Koketterie mit dem Dilettantenstatus, was nichts Negatives ist. Es wäre schöner, wenn es mehr enthusiastische Dilettanten gäbe, es gibt zu viele langweilige Profis.