Über rechte Politik und gesellschaftliche Verantwortung spricht der Allround-Künstler mit Marta S. Halpert.
wina: Die Saison der Sommerfestspiele ist eröffnet. Sie waren von 1998 bis 2012 künstlerischer Leiter des Open-Air-Festivals Stockerau. Warum haben Sie das aufgegeben?
❙ Alfons Haider: Aus zwei Gründen: Erstens soll man aufhören, wenn es am schönsten ist. Nachdem es mir mit Chorus Line und Mitzi Hamilton gelungen ist, den größten Broadway-Erfolg mit einer Broadway-Darstellerin nach Österreich zu holen, hatte ich mein Traumziel eigentlich erreicht. Zweitens hat es politisch extreme Machenschaften gegen mich gegeben, die dann immer mehr in einen Wahlkampf ausgeartet sind. Das habe ich nicht notwendig. Es tut immer weh, wenn man geht, aber es war richtig, mich am Höhepunkt zurückzuziehen.
Würde Sie eine andere Intendanz reizen? Wenn ja, welche?
❙ Es ist kein Geheimnis, dass ich mich für die Mörbischer Festspiele beworben habe und nicht entsprochen habe, weil ich es sofort auf Musical umgestellt hätte. Das Operettenpublikum entschwindet uns langsam, und mit Hits wie Hello Dolly, My Fair Lady oder Funny Girl hätte man einen Umschwung versuchen können. Aber das war den Verantwortlichen zu riskant.
Sie waren am Lee-Strasberg-Institut in Los Angeles und haben dort eine Schauspiel- und Musicalausbildung absolviert. Wie kam es dazu?
❙ Das war 1975, Lee Strasberg hat noch gelebt, seine Vorfahren waren jüdische Wiener, und trotz all dem, was passiert war, hat er alles geliebt, was aus Wien kam. Ich war knapp 17 Jahre alt, ging zu ihm und stellte mich vor: „Ich bin aus Wien und möchte hier lernen und spielen.“ Er war von meiner Frechheit überrascht und sagte: „Was? Du kommst hierher mit 100 Dollar in der Tasche und glaubst, das funktioniert?“ „Ja“, sagte ich, „ich möchte den Romeo spielen.“ Er wollte wissen, was ich über die Rolle wüsste. Ich sagte, „nichts“; darauf ließ er mich drei Wochen die Julia spielen. Das habe ich dann heulend jeden Abend gemacht. Drei Monate lang habe ich die beste Ausbildung meines Lebens bekommen: Lee hat acht Stunden am Tag mit mir gearbeitet, und Charlton Heston war nur einer meiner berühmten Lehrer. Seither sind Bühne und Film für mich gleichwertig, denn damals habe ich meine Angst vor der Kamera verloren – als ich noch keine Ahnung hatte, dass ich das einmal beruflich brauchen werde. Dann ist mein Vater plötzlich gestorben und ich musste abbrechen.
Sie äußern sich sehr prononciert zu gesellschaftspolitischen Ereignissen. Wie kam es zu Ihrem Interesse an Politik?
❙ Das kommt von meinem Vater. Ich werde das nie vergessen: Er hat mich an meinem 16. Geburtstag nach Mauthausen geführt. Vorher erzählte er mir noch, dass aus unserem Haus ein Familienmitglied ermordet wurde. Ich habe ihn erstaunt angesehen, und er hat gesagt, „nein, wir haben keine jüdischen Wurzeln, aber dieser Mann hat sich gegen Hitler gewehrt.“ Er hat mir dann in Mauthausen alles gezeigt und gesagt: „Du musst mir zwei Sachen versprechen: Niemals in Leben darfst du dich dafür verantwortlich machen lassen. Aber noch wichtiger, so etwas darf nie mehr passieren. Das ist dann deine Verantwortung.“