Alles in Bewegung

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Marathon-Laufen ist auch in Israel populär. Damit bleibt man fit für die permanenten Herausforderungen des Lebens und offen für alles, was nicht ganz so nach Plan läuft. Wie die in letzter Minute abgesagten vorgezogenen Wahlen am 4. September. Nachrichten aus Tel Aviv von Gisela Dachs

Erst wurde das Fahrradfahren populär, mit neuen geschützen Wegen und leuchtenden grünen Velos, die sich überall in Tel Aviv anmieten und wieder abgeben lassen. Jetzt ist auch noch eine andere Bewegungsform voll im Trend: Gehen. Besser gesagt: das Marathon-Laufen. Jedenfalls hat man den Eindruck, dass eine ganze Menge Leute ständig dafür trainieren. Sie traben mehr oder minder leichtfüßig am Strand entlangt, in den Parks, auf den Gehsteigen. Kein Wunder, dass es immer mehr Läden mit Turn- und Laufschuhen gibt – und überall neue Trainingsgelände entstehen, wenn auch nicht unbedingt nur zu diesem Zweck.

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New York als Vorbild für Jerusalem

Was in New York mit dem beliebten High-Line-Park schon sehr gut funktioniert, soll zum Beispiel nun auch in Jerusalem umgesetzt werden: Auf den Eisenbahnschienen, die zur Zeit des Osmanischen Reiches gebaut worden waren und damals die heilige Stadt mit Jaffa verbanden, entsteht gerade ein sechs Kilometer langer Park. Die neue Grünfläche, die sich bereits in Strecken vom alten Bahnhof in der deutschen Kolonie bis zur Malkha-Station ausbreitet, soll in zwei Jahren komplett fertiggestellt sein. Der schmale Park sei vor allem auch eine Chance, Stadtviertel zu verbinden, die bisher wenig miteinander zu tun hatten, sagt der verantwortliche Landschaftsarchitekt Shlomi Zeevi. Der erste fertige Abschnitt ist ein Genuss. Die Ersten laufen dort bereits.

Als man noch glaubte, dass am 4. September 2012 vorzeitig gewählt werden würde, brachte sich ein neuer politischer Marathon-Läufer mit ersten Wahlveranstaltungen in Stellung: Der ehemalige Fernsehmoderator und Journalist Yair Lapid mit seiner Partei „Jesch Atid“ (Es gibt eine Zukunft) versammelte seine Fans und versprach, dass er beim nächsten Mal in jedem Fall mitregieren wolle. Damit wird er nun doch noch ein bisschen warten müssen, denn nur kurz darauf entschieden sich Benjamin Netanjahu und der neue Kadima-Chef Shaul Mofaz für die Bildung einer großen Koalition. Die vorgezogenen Wahlen sind also erst einmal abgesagt.

Die bisherige Oppositionschefin Zipi Livni hat inzwischen aufgegeben. Sie wolle nicht ihrem Nachfolger an der Parteispitze, Shaul Mofaz, sekundieren, denke auch in vielem anders als er. Und mit ihrem Abschied aus der Knesset wollte sie sich bewusst von den vielen Mitfahrern im „Riesenrad“ unterscheiden, die mal oben und mal unten seien, aber denen es vor allem darum ginge, drin zu bleiben. So ist sie nun ausgestiegen, will sich aber weiter im öffentlichen Leben engagieren. Und weil Yair Lapid zuvor angekündigt hatte, dass er in seiner Partei keine „gebrauchten Politiker“ wolle, kann er nun auch Livni nicht mehr an seine Seite einladen. Aber jetzt ist ja wieder Zeit. Wenigstens ein bisschen. Wenn es dabei bleibt, was man ja in Israel nie wissen kann, werden die nächsten Wahlen planmäßig erst im Herbst 2013 stattfinden.

Alle politischen Marathonläufer und Riesenradfahrer, die sich schon auf die Wahl im Herbst eingestellt hatten und sich nun über das Manöver Netanjahu-Mofaz – in allerletzter Minute – aufregen, müssen allerdings zugeben, dass eine große Koalition genau dem entspricht, was sich die meisten Israelis wünschen. Offen ist, wie diese sich auf die für Sommer erwartete Neuauflage der sozialen Proteste auswirkt. Bisher war man davon ausgegangen, dass die Demonstrationen nicht so friedlich bleiben würden wie im letzten Jahr, bei denen eine halbe Millionen Menschen auf die Straßen zogen, ohne dass dabei auch nur eine einzige Scheibe zu Bruch gegangen wäre.

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Shimon Peres ist mittlerweile fast 89 Jahre alt, seit knapp sieben Jahrzehnten in der Politik, und seine vielen jungen Assistenten und Assistentinnen schaffen es immer noch kaum, mit seinem Tempo Schritt zu halten. Als Präsident hat er täglich ein volles Programm, reist zwischendrin auch kurz mal nach Vietnam oder in die Vereinigten Staaten, abends sieht man ihn dann im Fernsehen, wie er bei irgendeiner Zeremonie – stehend – eine Rede hält. Seine Frau Sonia starb vor einem Jahr im Alter von 87 Jahren in der gemeinsamen Wohnung in Tel Aviv. In die offizielle Präsidentenresidenz in Jerusalem war sie schon nicht mehr mitgezogen. Denn auch dort war und ist Shimon Peres ja eher selten anzutreffen, weil er so viel auf Achse ist.

Shimon Peres biologisches Wunder?

Da fragt man sich: Wie schafft der das bloß? Handelt es sich um ein biologisches Wunder? Einmal habe ich ihn nach seinem Geheimnis gefragt, das ihn auch im hohen Alter so aktiv sein lässt. Seine Anwort war genauso prompt wie kurz: einfach nie Urlaub machen. Außerdem interessiere ihn das, was ihn den ganzen Tag beschäftigt. Wovon er nicht sprach, ist eine Art inneres Ökoprogramm, das er einschaltet, wenn ihn dann doch etwas weniger interessiert. Damit spart er Energien für die wichtigen Termine, und es sieht manchmal fast so aus, als würde er gleich einschlafen. In so einem Zustand kann er aber immer noch glasklar reden, also zum Beispiel ein Interview geben.

Diese einzigartige Ganzschaltung hat kürzlich jemand in einer weitverbreiteten E-Mail dargestellt: mit zwei fast authentischen Bildern von Shimon Peres hinter seinem Schreibtisch, nur hat er auf einem die Augen geschlossen. Darunter steht für all jene, die mit seinem Energiehaushalt noch nicht so gut vertraut sind, zur Erklärung: Shim-On und Shim-Off. Wer noch Fragen hat oder einfach direkt mit dem Präsidenten in Kontakt treten möchte, kann das jetzt auch via seiner neuen „facebook“-Seite tun. Da ist jede Menge los.

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