Seit Wochen wird der Versuch gemacht, atemlos auf einzelne medial kolportierte Auswüchse aus Washington zu reagieren. Auf die Tabubrüche, die verbalen Blendgranaten, den Nonsense und die Fake News, die sich den – immer noch an herkömmliches politisches Agenda Setting gewohnten – (klassischen) Medien und Rezipient:innen nicht erschließen. Aufgrund der Tatsache des enormen Tempos, in dem die Torpedo-Wortmeldungen einschlagen, ist dieses Unterfangen schlichtweg zum Scheitern verurteilt. Jeden Tag vermelden die Breaking News weitere strategische, das US-Staatswesen erschütternde und den Rest der Welt betreffende Monstrositäten der Zerschlagung demokratischer Strukturen und geopolitische Maßnahmen. Unter dem Dauerfeuer des Beschlussbeschusses drohen sich Handlungsspielräume im Reaktiven und in Emotionen zu erschöpfen. Immer neue Ungeheuerlichkeiten, radikale Wortmeldungen und fragwürdige Bilder beschäftigen die Allgemeinheit, während im Hintergrund die Zerstörung, Infiltrierung und Übernahme von sensiblen Zonen der Rechtsprechung und der öffentlichen (Daten-) Verwaltung stattfindet.
„We cannot preclude the possibility
that we are living through a political disruption
that will in time bear comparison
with the collapse of Communism a generation ago.“
(Francis Fukuyama)
Tech-Milliardäre, denen die letzte Amtszeit des US-Präsidenten zu wenig „disruptiv“ war, erhalten nun, worauf sie mit Großspenden und ihrem politischen Engagement gesetzt hatten: den ultimativen Shift von einem demokratisch orientierten Staatswesen hin zu einem von (Big Data-)Oligarchen und ihren Interessen dominierten; dereguliert, privatisiert.
Der Masterplan unvorstellbarer ökonomischer Macht erschüttert Checks and Balance, das traditionelle System der staatlichen nordamerikanischen Gewaltenteilung.
Längst haben wir es seitens der Trump-Administration nicht mehr mit klassischer PR- und Medienarbeit zu tun. Die Art und Weise, in der die gegenwärtig stattfindenden Hochgeschwindigkeitsumwälzungen in Politik, Gesellschaft, Kultur stattfinden – vom Regierungsapparat über die Geheimdienste, das Gesundheitswesen bis zur Immigration –, erinnern vielmehr an Taktiken aus dem Militärwesen. Cognitive Warfare, einst als „psychologische Kriegsführung“ bezeichnet, lähmt das gegnerische politische Lager und die Zivilbevölkerung.
„Shock and awe“, zu Zeiten des Irakkriegs in aller Munde, auf Verunsicherung und Schockwirkung ausgelegte Maßnahmen, die durch Ablenkungsmanöver, den massiven Einsatz und das Tempo der gesetzten Aktionen und zur Anwendung kommenden Mittel Angst erzeugen und Erstarrung bewirken, schaffen drastisches Chaos, das Aufmerksamkeit bündelt und an Handlungsfähigkeit verlieren lässt.
Am Rande einer Konferenz am MIT in Boston hat sich in Gesprächen mit Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen gezeigt, dass die Strategien der aggressiv-diffusen Aufmerksamkeitsgenerierung zunehmend erkannt und dahinterliegende Interessen entlarvt werden. Den gegenwärtigen Entwicklungen wird auf unterschiedlichen Ebenen mutig mit Zivilcourage entgegengetreten, einzelne melden sich zu Wort, institutionelle Vertreter:innen leisten Widerstand, setzen Handlungen, Communitys organisieren sich.
Die Langzeitfolgen dessen, was mittlerweile als Coup bezeichnet wird, sind kaum abzuschätzen. Die Drastik der aktuellen Geschehnisse in den USA wird uns, auch was die hiesigen politischen Verhältnisse betrifft, begleiten.