AUCH DAS LEID ZEIGEN

Problematische Literatur im Museumsshop, aufgedeckt von der Plattform „Stoppt die Rechten“, brachte vor zwei Jahren eine Debatte über die Inhalte und Funktion des Heeresgeschichtlichen Museums ins Rollen. Inzwischen ist der Reformbedarf durch eine Expertenkommission dokumentiert. Erstaunlich ist, wie lange dieses Museum so blieb, wie es sich bis heute präsentiert. Die Kulturwissenschafterin Elena Messner und der Historiker Peter Pirker haben nun im Band Kriege gehören ins Museum – Aber wie? die Geschichte der Sammlungen, den Stand der aktuellen Diskussion und die Anforderungen an so ein Haus dokumentiert.

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© Hans Ringhofer/picturedesk.com; HGM

Waren Sie schon einmal im Heeresgeschichtlichen Museum? Ich gebe zu, in meiner Vorstellung ist das ein Ort für Waffenbegeisterte und daher keiner, der mich sonderlich anzieht. In meiner Einschätzung lag ich offenbar nicht so falsch. Wie anachronistisch sich das Heeresgeschichtliche Museum bis heute präsentiert, ist dann aber doch erstaunlich, und so entpuppte sich das Buch Kriege gehören ins Museum als wirklich interessante Lektüre zum Thema, wie Österreich mit der Geschichte, der Zeitgeschichte und – einmal mehr – der NS-Zeit umgeht.

Das Heeresgeschichtliche Museum – der erste der monumentalen Wiener Museumsbauten übrigens – hatte schon einen holprigen Start. Das Konzept des Architekten Teophil Hansen wurde, was die Gestaltung der ersten Schau anbelangte, umgestoßen. Es galt dem Haus Habsburg und der k.u.k. Armee Tribut zu zollen, und das aus einer Herrschaftsperspektive. Im Mittelpunkt standen erfolgreiche Heerführer und erfolgreiche Schlachten. Über die Niederlagen wurde mehr oder weniger der Mantel des Schweigens gebreitet, und die Perspektive der einfachen Soldaten kam nicht vor. Bis heute werden Waffen und Uniformen aufpoliert und gesäubert präsentiert. Das Elend des Krieges, das Leid, die sozialen Folgen – all das wird bis heute ausgespart.

Die wenigen Objekte, die auf NS-Verfolgung und Vernichtung verweisen, wirken instrumentalisiert durch die offenkundige Absicht, so eine Ausstellung zu legitimieren.

Die NS-Zeit beziehungsweise das Thema Wehrmacht wurde überhaupt erst spät in die Dauerausstellung aufgenommen – das war erst in den 1990er-Jahren der Fall. Hier werden allerdings Objekte aus der Zeit – wie etwa Wehrmachtsuniformen – ohne detaillierte Kontextualisierung ausgestellt. Das öffnet Raum für jene, die sich ihre eigenen Wahrheiten basteln, wie etwa Vertreter der Identitären. Sie fasziniert vor allem der Ausstellungsteil zur Türkenbelagerung – und sie missbrauchten die Museumsräume auch als Kulisse für ein Video, das inzwischen aber nicht mehr online ist.
Die Zeithistorikerin Heidemarie Uhl beschreibt einen Besuch in dem Museum am Nationalfeiertag 2019, um den sie Kollegen aus Amerika gebeten hatten. „Die US-amerikanischen KollegInnen reagierten fassungslos auf die museale Darstellung von NS-Zeit und Zweitem Weltkrieg. Befremden löste vor allem auch die unkommentierte Zurschaustellung von NS-Exponaten aus: Objekte, Bilder und Kunstwerke der NS-Propaganda werden ohne irgendeine Form der Distanzierung oder des Kommentars wie normale Museumsobjekte ausgestellt, raumbeherrschend etwa ein großformatiges Propagandabild des Kriegspropagandamalers Otto Jahn, ‚LMG-Trupp Sprung Vorwärts!‘, angefertigt für die 1940 vom Heeresmuseum veranstaltete Kriegspropagandaausstellung Der Sieg im Westen am Wiener Heldenplatz.“
Und Uhl weiter: „Der von Seiten des Heeresgeschichtlichen Museums mehrfach vorgebrachte Einwand, es würden doch auch Objekte zu den NS-Verbrechen gezeigt, erscheint im Hinblick auf ihren geringen Stellenwert im Gesamtnarrativ der Ausstellung als Entlastungsargument. Der Holocaust-Historiker Omer Bartov hat sie beim Gang durch die Ausstellung als ‚objects of excuse‘ bezeichnet. Die wenigen Objekte, die auf NS-Verfolgung und Vernichtung verweisen (oftmals sind es Kunstwerke), wirken instrumentalisiert durch die offenkundige Absicht, so eine Ausstellung zu legitimieren, die Objekte der NS-Machthaber kritik- und distanzlos zur Schau stellt.“

Heeresgeschichtliches Museum, Blick in den Maria-Theresien-Saal: Bei der Gründung galt es, dem Haus Habsburg und der k.u.k. Armee Tribut zu zollen – und das aus einer Herrschaftsperspektive. © Hans Ringhofer/picturedesk.com; HGM

Täterfotografie. Besonders deutlich werde das im räumlich marginalen Abschnitt zur NS-Verfolgung und Shoah. „Aufrecht steht eine Figur in SS-Uniform, am Boden liegt die Jacke eines KZ-Häftlings mit rotem Winkel, daneben ein Granitblock aus dem Steinbruch des KZ Mauthausen und ein gelber Stern. An der Wand befindet sich eine Fotografie von Menschen in Wien, die den ‚Judenstern‘ tragen müssen; nicht erwähnt wird, dass es sich um eine Täter-Fotografie aus dem Jahr 1941 handelt. Darüber ein abstraktes Bild von Hans Fronius mit dem Titel Judengrab, davor ein Schreibtisch und das Modell eines (nicht realisierten) Denkmals von Alfred Hrdlicka, Der Schreibtischtäter.“

Elena Messner, Peter Pirker (Hg.): Kriege gehören ins Museum – Aber wie? Edition Atelier 2021, 344 S., € 24

Inzwischen gibt es in der Ausstellung ein Hinweisschild – aufgestellt nach einem Gespräch mit Vertretern der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Darauf wird festgehalten, dass die derzeitige Schau zu Missinterpretationen führen könnte. Doch, so hält Herausgeberin Elena Messner in ihrem Buchbeitrag fest: „Dennoch ist die Ausstellung weiterhin in ihrer alten Form frei zugänglich – bald seit bereits zwei Jahren und trotz vehementer Kritik daran.“
Vorschläge, wie es nun weitergehen könnte, wurden im Rahmen von zwei Tagungen – #hgmneudenken und HGM neuChancen einer angesagten Reform diskutiert. Auch der nun erschienene Band versammelt zahlreiche Anregungen – diese reichen vom Einbeziehen anderer Perspektiven (vor allem sozialer) bis hin zu Friedenspädagogik, aber auch der Auseinandersetzung mit Kriegsverbrechen, und zwar nicht nur im Zweiten, sondern auch im Ersten Weltkrieg. Zuständig für eine Reform ist das Verteidigungsministerium.
Was man derzeit erlebt, wenn man das Heeresgeschichtliche Museum besucht? Den Eindruck, dass die Zeit stehen geblieben sei, und den Geist einer kaiserlichen Armee, resümiert der Historiker Peter Melichar. Was der nun erschienene Band Kriege gehören ins Museum – Aber wie? schafft: Man möchte hin und sich dieses Haus einmal ansehen und sich selbst einen Eindruck verschaffen. Mehr Empfehlung geht eigentlich schon nicht.

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