Billiger, besser und mehr

Israelis bestellen gerne und viel übers Internet. Das hiesige Onlineshopping hat dabei seine ganz eigenen Merkmale.

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Jetzt sind wir schon so weit gekommen, dass ich meinen Teenagertöchter das Fernsehschauen empfehle. Sie sollen lieber vor dem großen Bildschirm abhängen statt vor dem kleinen. Klar gibt es auch im Fernsehen Werbung, aber man kann die Sachen wenigstens nicht gleich mit der Fernbedienung bestellen. Mit Smartphone geht das. Und die Israelis sind Champions, was das Bestellen im Internet angeht.
Die letzten erhobenen Daten, die ich ausfindig machen konnte, gehen auf das Jahr 2015 zurück. Für diesen Zeitraum stellte eine eBay-Studie fest, dass ein Rekord beim Onlinekauf gebrochen wurde. Nicht weniger als 95 Prozent der Israelis, die zuhause oder in der Arbeit über Internet verfügen oder ein Smartphone besitzen, hatten etwas online gekauft. Im Jahr zuvor waren es 91 Prozent gewesen. Zum Vergleich waren es in Deutschland 81 Prozent, in den USA 77 Prozent.

Nicht weniger als 95 Prozent der Israelis, die zuhause oder in der Arbeit über Internet verfügen oder ein Smartphone besitzen, hatten etwas online gekauft.

55 Prozent der Israelis, die Onlinekäufe tätigten, bestellten im Schnitt drei bis vier Mal im Monat, 33 Prozent kauften ein bis drei Waren im Monat. Beim Rest handelte es sich um „gelegentliche“ Käufer.
Man kann getrost davon ausgehen, dass sich das inzwischen noch gesteigert hat. Die Gründe? Preisbewusstsein und Konsumrausch. „In den jüngsten Jahren haben wir verändertes Onlinekaufverhalten der Israelis beobachtet“, sagt der Manager von eBay Israel, Elad Goldberg. Die israelischen Konsumenten „sind ein wichtiger Teil der Onlinekaufwirtschaft, und sie ziehen die Aufmerksamkeit der größten Onlinehändler auf der Welt auf sich.“
Mehr als 60 Prozent der Käufe finden via ausländischer Internetseiten statt – besonders amerikanische oder chinesische. Frauen bestellen Kleidung, Kosmetik und Schmuck, Männer bevorzugen Elektronik, Sportwaren und Autoersatzteile. Seit Kurzem ist es erlaubt, Waren im Wert von bis zu 75 Dollar einzuführen, ohne Einfuhrzölle zu bezahlen. Bis 500 Dollar muss man bei bestimmten Sachen dann zusätzlich 17 Prozent Mehrwertsteuer aufbringen. Versandkosten nicht mitgerechnet.

Als dann jedoch der US-Gigant Target kürzlich mit einem vorübergehenden „Free Shipping“-Angebot warb, unabhängig von Gewicht/Umfang/Wert des Pakets, wurde es kompliziert. Innerhalb von 48 Stunden trafen mehr als 20.000 Bestellungen ein. Und der amerikanische Großhändler war weder auf den Ansturm noch auf die bürokratischen Hindernisse bei der Einfuhr vorbereitet. Es ist nicht sicher, ob die Gartenmöbel und Wohnzimmersofas je eintreffen werden.
Eigentlich gibt es hier längst alles. Tolles Essen, schicke Mode, geschmackvolle Einrichtungen. Die Sachen haben nur meistens einen Haken: Sie sind teuer.

Gespannt hatte man deshalb auf die Eröffnung der ersten hiesigen Filiale der französischen Sportwarenkette Decathlon Ende August in Rishon LeZion gewartet. „Preise, so billig wie in Europa“, hieß es im Vorfeld. Dem folgenden Ansturm waren aber auch die 3.000 Quadratmeter mit sechzig Abteilungen nicht gewachsen. Am vierten Tag musste die Riesenfiliale vorübergehend schließen, um die Regale wieder aufzufüllen. 25.000 Kunden hatten fast alles weggekauft. Es mag damit zu tun gehabt haben, dass noch Sommerferien waren. Es passt aber auch zum israelischen Bewusstsein. Man will kein „Freier“ sein, der sich übers Ohr hauen lässt, und kauft gerne Schnäppchen. Wenn sie dazu noch aus Frankreich stammen, umso besser.

Nichts geht doch übers gute alte Fernsehen,
wenn es
um Erziehung geht, finde ich.

Gewissen Produkten aus dem Ausland, die in Israel nicht zu haben sind, haftet immer noch ein besonderes Prestige an. Was uns wieder zum Onlineshoppen bringt. Meine große Tochter hat mir die Vorteile nachdrücklich erklärt: Erstens ist es billiger. Zweitens gibt es Dinge, die es hier nicht gibt. Drittens weiß die Peergroup genau Bescheid, welche Brands in sind, weil die hiesigen Stars in den Zeitschriften und auf Youtube genau sagen, wo sie ihre Klamotten herhaben. Viertes bringen die vielreisenden Kinder von „Tchunim“ (Eltern, die finanziell mehr als gut gestellt sind) dauernd Sachen aus dem Ausland mit. Außerdem, sagt sie, kann man Stunden damit verbringen, nach den günstigen Angeboten für dieselbe Ware zu suchen.
Vor allem aber bestellt man dann natürlich auch Dinge mit, die man nicht unbedingt braucht. Denn wer Waren aus den Vereinigten Staaten oder Europa möchte, sollte mindestens im Wert von 60 Dollar ordern, damit es keine teuren Versandkosten gibt. Nicht nur Teenager finden da immer schnell etwas, das sie noch in den virtuellen Korb legen möchten. Ob es dann wirklich passt oder nicht, ist eine andere Frage. Das Zurückschicken ist mühsam. Startups arbeiten schon daran, wie sich mithilfe von Bildschirmsimulationen besser im Vorfeld checken lässt, ob die Jeans am Ende auch wirklich passt.
Bestimmt eine gute Idee. Wie gut auch, dass es künftig Direktflüge von Tel Aviv nach Shanghai gibt, die nicht nur immer mehr chinesische Touristen ins Land holen, sondern auch gleich jede Menge Bestellungen mitbringen können. Das verkürzt dann sicher die Wartezeit.

Dabei bin ich ja sehr froh, dass es diese gibt. So sehnen sich die Kids wenigstens nicht nach einem Kauf, der ihnen in 12 Stunden gleich das Glück ins Haus liefert. Beim letzten Päckchen mussten sie sich sechs Wochen gedulden.
Aber nichts geht doch übers gute alte Fernsehen, wenn es um Erziehung geht, finde ich.

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