„Bis 120 wäre zu kurz“

Am 14. Juli steigt in Wien ein großes Fest. Die Hakoah feiert ihren 110. Geburtstag. Über Höhen und Tiefen, Vergangenheit und Gegenwart des traditionsreichen Sportclubs und ihren „Familienbetrieb“ sprachen Präsident Paul Haber und seine Schwester Ruth Fuchs mit Anita Pollak.

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Die österreichischen Fußball-Nationalspieler Max Gold und Moschkatz Häusler vor der Kabine des Hakoah-Platzes. © HAKOAH

Das „Vereinsmeier-Gen“ liegt in der Familie, genauso wie der sportliche Ehrgeiz, betonen die Geschwister in ihrer Doppelconférence. „Für unseren Vater war die Hakoah der Mittelpunkt seines Lebens, und für uns war das Schwimmen von Kindheit an selbstverständlich, die Mittwochabende erst im Brünnlbad und später im Jörgerbad waren ein Fixpunkt.“ Ein Drill soll es nicht gewesen sein, „aber schon ein Muss, denn unser Vater war sportlich sehr ehrgeizig. In seiner Emigration hat er immerhin die Wasserballmannschaft von St. Gallen zur Meisterschaft geführt“, schwärmen die beiden Kinder von Karl Haber, der als „Galionsfigur der Hakoah“ auch so etwas wie ein Übervater für den Club war. Die Präsidentschaft überließ er dabei seinem Freund Erich Sinai, er begnügte sich mit der Vizepräsidentschaft.
„Die Hakoah war nach ihrer Wiedergeburt in den Nachkriegsjahren ohnehin ein Familienbetrieb, Vater war Funktionär, und wir sind geschwommen“, blickt der heutige Präsident zurück. „Für viele Juden, die aus der Emigration oder den Lagern zurückgekehrt sind und keine Verwandten mehr hatten, war die Hakoah überhaupt eine Familie“, ergänzt die Schwester.

„Hopp auf, Herr Jud.“ 1909 gegründet, erlebte der jüdische Sportclub in vielen Disziplinen, vor allem aber im Schwimmen und im Fußball einen steilen Höhenflug mit legendären Erfolgen, die unter anderem der ehemals aktive Hakoahner Friedrich Torberg in einer Anekdote mit dem viel zitierten Schlachtruf „Hopp auf, Herr Jud!“ beschrieben hat. Nicht nur der Rassenantisemitismus, der zum Ausschluss jüdischer Sportler in anderen Vereinen geführt hatte, sondern auch das Bestreben zu zeigen, dass Juden nicht nur auf intellektuellem Gebiet, sondern auch körperlich und sportlich Spitzenleistungen erbringen konnten, sei eine Gründungsidee gewesen, erzählt Haber.
Der Nationalsozialismus und die Schoah bedeuteten das Ende dieser Geschichte, den Verlust der Besitzungen des Vereins und seines Sportplatzes in der Krieau, und natürlich waren auch die meisten SportlerInnen emigriert oder ums Leben gekommen. Umso erstaunlicher war dann die Wiedergeburt bereits im Juni 1945 durch einige wenige überlebende Hakoah-Mitglieder, unter ihnen Erich Sinai und Karl Haber, die in der Folge unverdrossen wwversuchten, den „arisierten“ Sportplatz zurückzuerhalten, was unter tätiger Mithilfe der IKG und ihres damaligen Präsidenten Ariel Muzikant erst 2005 gelang. Karl Haber sollte die glanzvolle Eröffnung 2008 nicht mehr erleben, das neue Sport- und Freizeitzentrum trägt aber seinen Namen.
„Aber auch, dass die Hakoah die 50er- und 60er-Jahre überleben konnte, grenzt an ein Wunder, denn viele Mitglieder sind ausgewandert, und die Stimmung war schlecht“, erinnert sich Ruth Fuchs.

»Bei uns trainieren Menschen, die sind über 90.«
Paul Haber

Dass Paul 1964 einen österreichischen Meistertitel im Schwimmen erringen konnte, gab dann aber dem gesamten Verein einen entscheidenden Auftrieb.
„Ich hab’ in den Meistertitel nur ein Semester investiert“, erinnert sich Haber, der immer neben dem Studium trainiert hatte. Geprägt durch die Hakoah, verlegte er sich schließlich auch in seiner internistischen Karriere bald auf die sportliche Seite, habilitierte als erster Sport- und Leistungsmediziner und etablierte im neuen AKH eine entsprechende Abteilung. „Ich war damals in der Wissenschaft ein ausgesprochener Exot und meiner Zeit sicher um 20 Jahre voraus.“ Als Pionier und quasi Volksbildner auf diesem Gebiet ist der Professor auch nach seiner Emeritierung oft medial präsent und ein unermüdlicher Prediger für die Bedeutung von Bewegung und Sport in jedem Lebensalter. Womit wir wieder bei der heutigen Hakoah wären, die gesundheitsmedizinisch auch ein Platz für ältere Menschen ist und sein sollte. „Bei uns trainieren Menschen, die über 90 Jahre alt sind. Unsere Masters, das ist der moderne Ausdruck für Senioren, sind international erfolgreich. Tommy Löwy zum Beispiel ist unter den Top Ten in seiner Altersklasse und schwimmt heute schneller als in seiner Jugend.“
Nachwuchsprobleme kennt die Hakoah dank der Einwanderungswellen aus dem ehemaligen Osten heute eher nicht, die Konsolidierung der Gemeinde, die jüdische Schule, all das hat sich auch auf den Club positiv ausgewirkt. „Die IKG hat die Hakoah immer substantiell unterstützt. Doch ist sie ein Verein für alle, ohne politische oder ideologische Ausrichtung; in den Statuten für Mitglieder haben wir aber ein verpflichtendes Bekenntnis zu Israel“, erläutert Haber. „Der Club hat seit jeherw einen integrativen Einfluss gehabt und war für viele die einzige Verbindung zum Judentum. Das Vereinsleben war früher aber viel familiärer, heute geht man nach dem Sport nach Hause“, meint Fuchs.

»Wir laden die ganze Gemeinde ein!«
Ruth Fuchs

Wie immer schon wird auch jetzt wieder fleißig für Meisterschaften trainiert, z. B. für die europäische Makkabiade in Budapest in diesem Sommer. „Im Schwimmen haben wir zur Zeit zwei Mädchen, die gewinnen einfach alles“, freut sich Haber, der selbst nicht mehr wettbewerbsmäßig schwimmt. Höchst aktiv ist er aber als ehrenamtlicher Funktionär und Präsident auch einer anderen österreichischen Sportvereinigung „Er ist überhaupt gern Präsident“, erzählt die Schwester. „Nach dem Prinzip: nichts anstreben und nichts zurückweisen“, gesteht Haber lachend.

Jubiläum. Für das bevorstehende 110-Jahr-Jubiläum am 14. Juli ist im wesentlichen Ruth Fuchs zuständig, gemeinsam mit dem Manager und Geschäftsführer des Zentrums, Ronald Gelbard, der bereits beim Bau des Sportzentrums für die Projektleitung verantwortlich war. „Das Fest wird fröhlich, interessant und gediegen werden, mit einem Blick auf Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Unter anderem gibt es ein Buffet und für die Jugend ein Clubbing. Wir laden die ganze Gemeinde ein und auch einige Prominente und Politiker. Wir freuen uns jedenfalls, dass wir seit dem 100sten wieder ein Jahrzehnt gut überstanden haben, und hoffen, dass uns niemand bis 120 wünscht. Das wäre zu kurz!“

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