Über die neue Ausgabe des Jüdischen Echos über Medien und Journalismus. Von Alexander Kluy
Die Wendung des kanadischen Medientheoretikers Marshall McLuhan, inzwischen so etwas wie ein stetig zitiertes Pressemantra, vom „globalen Dorf“ ist jedem bekannt. Nur: Braucht jemand in einem Dorf noch so etwas wie Zeitung oder Journalisten? Um die Informationsflut zu kanalisieren, Wichtiges von Unwichtigem zu scheiden, Hintergründe auszuleuchten, Dunkelmänner ins Licht zu zerren – vielleicht. Aber andererseits: Sind Medien, vor allem jene in gedruckter Form, deren mittelfristige Existenz allseits wie auch innerhalb so manches großen Pressehauses – von der Berliner Axel Springer AG bis zu den US-Zeitungsdynastien der Grahams und Sulzbergers – angezweifelt wird, nicht in zunehmendem Maße nur noch mit sich selber beschäftigt (und das Internet ein Klatsch- und Tratschforum)? Von TV-Sendern weiß man, dass vieles gestellt ist, nur in den Blick und ins Bild gerät, wenn es maßlos ist, maßlos scheußlich oder maßlos schön.
Reflexionssort Jüdisches Echo
In solcher Situation hilft wohl nur eines: sich mit der neuesten Ausgabe des Jüdischen Echos, Schwerpunkt: Medien, sorgfältig zusammengestellt, schön gedruckt und einfallsreich illustriert, zurückziehen. Und lesen. Lesen und Erhellendes erfahren über die Berichterstattung über Jüdisches zwischen Stereotypen, Philosemitismus und pragmatischem Handeln. Und, heuer der zweite Schwerpunkt, die persönlichen Erfahrungen, Berichte, Analysen von Journalisten und Intellektuellen nachlesen, aus aller Welt. So schreibt Hannes Stein über die USA, Andreas Fink über Argentinien, Ekrem Eddy Güzeldere über das wenig bekannte Thema Juden in der Türkei, Joseph Croitoru über die jüdisch-französische Antwort auf Al Jazeera. Ernst Gelegs beschäftigt sich mit der schleichend eingeführten Zensur in Ungarn und Markus Müller-Schinwald mit der abgeschafften Meinungsfreiheit in Putins Russland. Zudem beugt sich Timo Stein über die „Israelkritik“ deutscher Medien, die von versteckten, nicht selten unverhüllt zur Schau gestellten Ressentiments starrt.
Jonathan Sarna zitiert in seinem klug ausholenden Essay über Amerikas jüdische Presse die Journalistin Debra Nussbaum Cohen. „Jüdische Zeitungen“, so Cohen, „sind im Journalismus so etwas wie Bühnenkomiker. Sie werden nicht wirklich respektiert, aber sie bieten einen unglaublichen Service, den jeder in Anspruch nimmt.“ Medien, Politik, Macht (und deren Inszenierung) – die Trias, über die Maximilian Gottschlich schreibt: Kaum jemals war es so wichtig wie heute, darüber zu reflektieren. Und besonders im Verhältnis zum Judentum.
Das Jüdische Echo wurde 1951 von Leon Zelman als Diskussionsplattform der jüdischen Hochschüler gegründet. Seit seinem Tod 2007 führt der Verein zur Herausgabe der Zeitschrift Das Jüdische Echo, Zelmans Erbe, weiter. Obmann ist Leon Widecki, die Projektkoordination hat Susanne Trauneck inne. Als Chefredakteurin verantwortete Marta S. Halpert von 2008 bis 2013 die inhaltliche Linie und gestaltete die jährlich wechselnden Schwerpunkte mit jeweils etwa 40 Autorinnen und Autoren. Mit dieser Ausgabe legt sie die Chefredaktion zurück.