Der Kauf des größten israelischen Lebensmittelkonzerns Tnuva durch Investoren aus China ist ein Indikator dafür, wie sich die beiden Länder einander ökonomisch annähern. Von Reinhard Engel
Die Firmenübernahme war in den israelischen Zeitungen tagelang für Schlagzeilen gut. Der staatliche chinesische Lebensmittelriese Bright Foods kaufte im Mai die Mehrheit des landesweit größten Nahrungsmittelherstellers Tnuva. Zwar sind es bisher „nur“ 56 Prozent, die die Chinesen erworben haben – rund 20 Prozent bleiben noch beim israelischen Investor Mivtach Shamir und 23 Prozent bei einer Kibbutz- und Moshav-Holding. Aber das Sagen werden ganz klar die Chinesen haben, und das beschert manchen Israelis Unbehagen. Kritik kam von den oppositionellen Sozialisten und auch von einem früheren Geheimdienstchef: Es sei unverantwortlich, einen strategisch derart wichtigen Bereich wie die Nahrungsmittelversorgung an einen anderen Staat zu verkaufen. Die Chinesen wiederum gaben sich betont freundlich und erklärten, dies sei für sie eine solide, langfristige Investition und sie wollten Tnuva zu stärkeren Exporten auf die Weltmärkte verhelfen.
Vertriebsarm der Kibbutz-Bewegung
Tnuva ist nicht irgendein Unternehmen. Es wurde 1926 als gemeinsamer Vermarktungs- und Vertriebsarm der Kibbutz- und Moshav-Bewegung gegründet und entwickelte sich über die Jahrzehnte zum größten Milchverarbeiter mit einem landesweiten Marktanteil von 70 Prozent. Aber Tnuva erzeugt auch Tiefkühlprodukte – von Gemüse über Huhn bis zu Mehlspeisen, und es gibt Fisch, Frischfleisch und Süßigkeiten. Aktuell arbeiten zwischen Golan und Negev rund 7.500 Männer und Frauen für die Gruppe. Tnuva kam auch vor wenigen Jahren bei den Demonstrationen gegen die hohen Lebenserhaltungskosten in Kritik – und senkte daraufhin die Preise für Cottage-Cheese, das zum Symbol für die Macht der Kartelle geworden war. Tnuva hatte übrigens schon vor dem Verkauf an Bright Foods einer internationalen Gruppe gehört, dem Investmentfonds Apax Partners mit Büros zwischen London, New York, São Paolo und Mumbai.
Die aktuelle chinesische Übernahme ist freilich nicht die einzige direkte Verbindung zwischen den Ökonomien der beiden Länder. Schon vor zwei Jahren hatte die China National Agrochemical Corporation den israelischen Pflanzenschutzmittelproduzenten Makhteshim Agan mehrheitlich übernommen. Und das für die internationalen Automobilmärkte gegründete Joint-Venture zwischen Chery und der Israel Corporation für die moderne Mittelklasselimousine Qoros erreichte auf den Salons von Genf und Chicago im Vorjahr höchste Aufmerksamkeit – umso mehr als das von Magna Steyr entwickelte Fahrzeug sofort die strengsten Crash-Tests schaffte, anders als frühere chinesische Exportautos. Schätzungen sehen die chinesischen Direktinvestitionen in Israel in den letzten drei Jahren bei rund vier Mrd. US-Dollar, gegenüber gesamten Foreign Direct Investments von 32 Mrd. im gleichen Zeitraum. Manche Investmentbanker rechnen für die nächsten Jahre mit einem weiteren kräftigen Wachstum chinesischer Vorstöße in die israelische Unternehmenslandschaft.