„Dankbarkeit und Stolz“

Der kleine Platz nahe der Theodor-Herzl-Stiege trägt seit diesem Frühjahr den Namen Salomon-Sulzer-Platz. Zur Einweihung ist auch eine Nachfahrin des bekannten Wiener Kantors angereist: Julie Reisler. WINA sprach mit ihr über den berühmten Vorfahren und was dieses Erbe für sie bedeutet.

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Julie Reisler ist erfolgreiche Coachin und Mentorin in den USA. Nun kam sie mit ihrem Sohn nach Wien, um an den Ehrungen für ihren Vorfahren persönlich teilzunehmen. juliereisler.com Foto: Daniel Shaked

Julie Reisler, geb. 1975 in Boston, Massachusetts, ist die Ur-Ur-Ur- Enkelin von Salomon Sulzer (1804– 1890). Sulzer, der ursprünglich aus Hohenems stammte, wurde 1825 von Isaak Noah Mannheimer nach Wien geholt. Er wurde der erste Kantor des Stadttempels in der Seitenstettengasse, war aber auch mehrere Jahre Professor für Gesang am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde. Vor allem aber gilt er als Schöpfer des modernen Synagogengesangs. Sein Kompositionsstil orientierte sich vor allem an der Wiener Klassik. Seine Musik wird bis heute in Synagogen weltweit, darunter auch die Große Synagoge in Jerusalem, gesungen.

Sulzers Tochter Sophie (1840–1885), sie war eines von 16 Kindern des Komponisten mit seiner Frau Fanny, geb. Hirschfeld, widmete ihr Leben ebenfalls der Musik. Sie war Sängerin, arbeitete schließlich aber vor allem als Gesangslehrerin in New York, wohin sie geheiratet hatte. Ihr Sohn Julius Altschul (1863– 1953) kam allerdings in ihrer Heimatstadt Wien zur Welt, dessen Sohn Jerôme Altschul (1904–1968) bereits in New York. Tochter Helene Reisler, geb. Altschul, wurde 1943 ebenfalls im Big Apple geboren. Sie ist die Mutter von Julie Reisler.

„Er hat durch sein Genie seine
Musik quer durch die jüdische
Gemeinschaft weltweit gewebt.“
Julie Reisler

„Meine Mutter hat, seitdem ich denken kann, immer von Salomon Sulzer gesprochen“, erzählt die Tochter. Helene Reisler ist eigentlich ausgebildete Opernsängerin, entschied sich dann aber, als Gesangslehrerin zu arbeiten, um Beruf und Familie – Julie hat noch eine Schwester – unter einen Hut zu bringen. „Sie hatte eine unglaubliche Stimme. Und ich kann mich erinnern, in meiner Kindheit übte sie immer Oktaven oder sang ein Lied, wenn ich aufwachte.“ Auch in der Familie sei immer gesungen worden.

Einweihung des Salomon-Sulzer-Platzes: Oberkantor Shmuel Barzilai, Bezirksvorsteher Markus Figl, Ur-Ur-Ur-Enkelin Julie Reisler, IKG-Präsident Oskar Deutsch und Reislers Sohn Ami (v. l. n. r.). © IKG/Schmidl

Begleitet wurde Julie Reisler bei ihrer Reise nach Wien von ihrem Sohn Ami Josef. Er, aber auch seine Schwester Dalia seien ebenfalls sehr an Musik interessiert. Fein wäre es gewesen, wenn auch die Mutter nach Österreich hätte kommen können. „Aber es ging gesundheitlich leider nicht. Jetzt haben wir ganz viele Videos gemacht. Ich möchte, dass sie das Gefühl hat, dass sie hier war. Sie hätte es geliebt.“

Besonders angetan war Julie Reisler von ihrem Besuch im Stadttempel. „Dort die Akustik zu hören, zu sehen, dass diese Synagoge im Nationalsozialismus nicht zerstört wurde, hat in mir das Gefühl von Dankbarkeit geweckt, aber auch Stolz.“ Besucht habe sie auch das Grab ihres Vorfahren auf dem Zentralfriedhof.

Julie Reisler spürt zwar ebenfalls eine Verbindung zur Musik, sie habe vor allem ein gutes Gehör, „besonders für Akzente“. Beruflich hat sie sich aber für einen anderen Weg entschieden. Sie studierte Psychologie und machte eine Ausbildung zum Gesundheits- und Wellness-Coach. Sie gibt Yogaklassen, lehrt an der Georgetown University, arbeitet als Coach, gestaltet aber auch für eine große Fangemeinde einen Podcast. The You-est You Podcast nennt sich das Format und beschäftigt sich viel mit Achtsamkeit, mit dem Weg zum Ich. In der von ihr gegründeten Life Designer ® Coach Academy bildet sie weltweit andere Coaches aus.

Spiritualität spielt in ihrem Leben eine große Rolle. Ihre Kraft bezieht sie dabei auch aus der Kabbala, erzählt sie. Hier sieht sie auch den goldenen Faden, der sich von Salomon Sulzer über die Generationen bis zur ihr ziehe. „Er hat durch sein Genie seine Musik quer durch die jüdische Gemeinschaft weltweit gewebt.“ Wo immer sie auch hinreise, in den Synagogen werden seine Melodien gesungen. „Er folgte seiner Freude, seiner Liebe zur Musik. Und ich bin überzeugt: Wenn man etwas mit reinem Herzen folgt, kann das auch andere Herzen öffnen.“ Sulzer habe es aber auch sicher Mut gekostet, die synagogale Musik zu reformieren. Genau das sei ihr ebenfalls wichtig: neue Wege zu beschreiten.

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