Das große Aufatmen

FPÖ-Chef Herbert Kickl ist nicht Volkskanzler geworden. Für die jüdischen Gemeinden in Österreich wären das schwierige Jahre geworden. Am Ende hat Kickl offenbar in den Verhandlungen den Bogen überspannt.

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Für einige Wochen sah es zu Beginn dieses Jahres düster aus. Ja, es gab in den vergangenen 25 Jahren auch schon andere Koalitionen mit der FPÖ. Was wäre nun also so anders gewesen? Nun: Dieses Mal hätten die Freiheitlichen nicht nur den Vizekanzler, sondern den Kanzler gestellt. Dieser Kanzler hätte dann zudem Herbert Kickl geheißen. Anders als etwa Heinz-Christian Strache ist Kickl Ideologe durch und durch.

Und er macht – wie übrigens auch der leider amtierende und bis zum Ende dieser Legislaturperiode nicht absetz- oder abwählbare Nationalratspräsident Walter Rosenkranz – aus seiner Gesinnung keinen Hehl. Das wurde auch bei Lektüre des kurz vor dem Platzen der blau-türkisen Koalitionsgespräche geleakten Verhandlungspapiers klar. Vieles, was die jüdische Gemeinde betraf, war da seitens der FPÖ auf rot gestellt.

Das Regierungsprogramm der nun amtierenden Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS spricht da eine andere Sprache. So soll die Strategie gegen Antisemitismus nicht nur weiter verfolgt, sondern es sollen deren Maßnahmen ausgebaut werden. Darüberhinaus will die Koalition einen ähnlichen Aktionsplan entwerfen, um Hate Crimes zu verfolgen. Auch hier wird Antisemitismus als ein solches angeführt. Auch ein klares Bekenntnis zum Existenzrecht Israels findet sich in diesem Programm. Fortgesetzt wird damit insgesamt in diesen Agenden der Kurs der zuletzt amtierenden Koalition aus ÖVP und Grünen.

Dem subjektiven Sicherheitsgefühl
ist es sicher zuträglich, von Politikern
regiert zu werden, die verstehen, was
die jüdische Gemeinde bewegt.

 

Leider ist Papier bisweilen auch geduldig. So spürbar sich beim Verfolgen von Antisemitismus ein wesentlich stärkeres Bewusstsein seitens der Polizei zeigt, desto stärker fällt auf, dass die Justiz auf der Bremse zu stehen scheint. Beispiel israelbezogener Antisemitismus: Die Polizei schreitet inzwischen zwar ein, wenn bei einer Demonstration „From the River to the Sea“ gechantet wird. Allerdings leitete die Staatsanwaltschaft bisher in keinem Fall ein Verfahren ein, obwohl es dafür inzwischen eine gesetzliche Grundlage gäbe. Es gibt also noch viel zu tun.

Neben der faktischen gibt es ja aber auch noch die symbolische Ebene. Es lebt sich leichter, wenn einem das Gefühl gegeben wird, man wird verstanden. Das ist in jedem Lebenskontext so. NEOS-Staatssekretär Sepp Schellhorn ließ sich auf seinem offiziellen Foto, mit dem er sich auf der Website des Außenministeriums präsentiert, mit der gelben Schleife abbilden. Auch ÖVP-Staatssekretär Alexander Pröll bringt bei Terminen mit jüdischem Bezug den Pin, der darauf aufmerksam macht, dass immer noch Geiseln in Gaza festgehalten werden, auf seinem Revers an.

In der letzten Gruppe jener Geiseln, die im Rahmen des ersten Teils des Waffenstillstandsabkommens zwischen Israel und der Hamas freikamen, war auch der österreichisch-israelische Doppelstaatsbürger Tal Shoham. Dessen Familie bedankte sich bei der österreichischen Regierung und Diplomatie, sich für Tal so konsequent eingesetzt zu haben. Wer auch immer am Ende erreicht hat, wer wann auf der Liste der Geiseln stand, die im Austausch gegen palästinensische Häftlinge freikamen: Es tut gut zu wissen, dass es Regierungsverantwortliche gibt, die sich im Fall des Falles für einen einsetzen. Das Sicherheitsgefühl besteht immer aus mehreren Faktoren. Dem subjektiven Sicherheitsgefühl ist es sicher zuträglich, von Politikern regiert zu werden, die verstehen, was die jüdische Gemeinde bewegt.

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