Das Israel-Lesebuch

Das Israel-Bild der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft wird vom Palästina-Konflikt beherrscht. Erwin Javor und Stefan Kaltenbrunner legen mit dem nun in der edition mena-watch erschienenen Sammelband Israel. Was geht mich das an? ein Israel-Lesebuch vor, das mit gänzlich anderen Emotionen arbeitet. Persönlichkeiten wie Doron Rabinovici, Ben Segenreich oder Mirna Funk erzählen auf sehr persönliche Art, was sie mit Israel verbindet.

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Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“, wird David Ben-Gurion auf dem Buchumschlag zitiert. Und genauso humorvoll und leichtfüßig präsentieren sich auch die Geschichten im Inneren dieser Anthologie, deren Thema ein vermeintlich schwieriges ist. Was die Schilderungen eint: Für alle Menschen, die Javor und Kaltenbrunner hier gebeten haben, ihre Beziehung zu Israel zu schildern, ist das Land eine Herzensangelegenheit. Das hier ist kein Wettlauf um die tiefsinnigste Analyse des Nahostkonflikts, dieses Buch ist vielmehr eine kollektive Liebeserklärung. Eine Liebeserklärung an Israel.

Doch wie das in der Liebe so ist, gibt es die Mühen der Ebene und Ambivalenzen verschiedenster Art. Es gibt gute Phasen und schlechte Phase. „Und dann gingen die Jahre erneut ins Land“, schreibt etwa Mirna Funk. „Immer wieder Israel. Zu Pessach, im Sommer, zu Rosch Haschana, zu Chanukka, zu Purim. Wieder in Israel leben wollen. Wieder in Israel nicht leben können.“

Wie ein roter Faden zieht sich durch das Buch: Die lauten, selbstbewussten Israelis dort, die Juden und Jüdinnen, die nur nicht auffallen wollen, in Wien. Dort ist es immer Sommer, hier, wir sind in den 1960er- und 1970er-Jahren, das triste, graue Österreich, in dem Kinder klein gehalten wurden, wie sich Doron Rabinovici erinnert, der als kleiner Bub nach Wien kam und den Israeli way of life vermisste. „Ich wollte nicht eines jener heimischen Kinder werden, die so brav und artig auftraten. Ich wunderte mich, wie still sie dasitzen konnten. In den Augen des Buben, der ich damals war, kamen sie unbeweglicher daher und sie schienen mir gehemmt, ja unterdrückt.“

„Ein sicherer Hafen“: So hat Julya Rabinowich ihre Geschichte betitelt und skizziert damit das, was wohl das Gros der Juden in der Diaspora mit Israel verbindet. Auch dieses Bild zieht sich durch den gesamten Band. Und dann ist da noch die Sache mit der einzigen Demokratie im Nahen Osten. Und Stolz auf dieses Land. Und ja,eben auch das Bewusstsein, dass dennoch nicht alles Gold ist.

 

„Für mich ist es allein schon ein Wunder,
dass dieses Land, und zwar als einziges
in der Region, eine Demokratie geworden
und geblieben ist.“
Erwin Javor

 

Hier kommen durchaus auch die Grautöne zur Sprache. „Für mich ist es allein schon ein Wunder, dass dieses Land, und zwar als einziges in der Region, eine Demokratie geworden und geblieben ist“, schreibt etwa Erwin Javor in seinem Vorwort. „Die Häufigkeit, mit der dort gerade gewählt wird, ist mehr als skurril, aber es ist eine liberale Demokratie. Die feindlichen Parteien im Konflikt um das Land sitzen gemeinsam im Parlament. Paradies ist es keines, und vieles ist noch zu tun, keine Frage, aber es bewegt sich etwas; zu langsam, aber es nähern sich die unwahrscheinlichsten Partner in allen Lebenslagen innerjüdisch und zwischen Juden und Arabern an.“ Ein Buch, das allen, die Israel kennen und lieben, aus dem Herzen spricht.

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