Der Anfang lag in Luzern, wo die Brüder Ernest und Henri Maus 1902 gemeinsam mit ihrem Partner Leon Nordmann das Warenhaus Leon Nordmann gründeten. Die beiden hatten ursprünglich mit Wäsche gehandelt und Nordmann beliefert. Das Historische Lexikon der Schweiz berichtet, dass ihr Vater Mayer Maus ein 1870 aus dem Elsass zugewanderter jüdischer Kaufmann war, der 1890 das Bürgerrecht erhielt. Das Luzerner Warenhaus seiner Söhne hatte dann zwar weder die Größe noch die Eleganz der französischen Vorbilder, stellte für die Schweiz aber etwas völlig Neues dar. Und es sollte der Kern eines – erst langsamen und später immer dynamischeren – Wachstums sein.
Beinahe 120 Jahre und vier Generationen später befindet sich der milliardenschwere Genfer Familienkonzern an einer entscheidenden Wende.
Am 18. Jänner übernahm Thierry Guibert (49) den Chefsessel. Nach 28 Jahren als Generaldirektor wechselte der 64-jährige Didier Maus an die Spitze des Aufsichtsrats. „Eine der Stärken der Maus Frères SA ist die Fähigkeit, den Generationenwechsel zu organisieren“, hieß es dazu in einem dürren PR-Statement des Unternehmens. Nicht erwähnt wurde darin, dass mit Guibert erstmals ein Außenstehender das Familienunternehmen leiten wird. Der Franzose Guibert hatte seine Karriere beim Wirtschaftstreuhänder KPMG begonnen und war zuvor unter anderem als Chef der französischen Buch- und Elektronikkette Fnac erfolgreich gewesen.
Seine Bestellung zeigt auch innerhalb der Gruppe die langfristigen tektonischen Verschiebungen. Guibert hatte die letzten fünf Jahre die globale Sportmodemarke Lacoste geleitet, die zur Holding gehört, und ihre Expansion vorangetrieben. Daneben war er auch für die Strategie anderer bekannter Handelsmarken verantwortlich: für die ursprünglich schwedisch-amerikanische Modefirma Gant, für den französischen Outdoor-Spezialisten Aigle und seit dem Vorjahr für die ebenfalls französische Modekette The Kooples.
Die Markendivision hat laut Konzernangaben in diesen letzten fünf Jahren einen Umsatzanstieg von 40 Prozent hingelegt, mit eigenem Wachstum und durch Neuerwerbungen, dank starkem Cash-Flow weitgehend eigenfinanziert. Zuletzt meldete man Gesamtverkäufe von 3,2 Milliarden Euro.

Die Markendivision hat laut Konzernangaben in diesen letzten fünf Jahren einen Umsatzanstieg von 40 Prozent hingelegt.

Strategische Umbauten. Ganz anders sieht es im Traditionsgeschäft der Holding aus, bei den Warenhäusern und Handelsaktivitäten. Dort meldet man schon seit mehreren Jahren keine Umsatzzahlen mehr, beschweren sich regelmäßig Schweizer Wirtschaftsjournalisten. Sie schätzen, dass „der geheimnisvolle Clan“ (das Magazin Bilanz) in diesem früher klar dominierenden Bereich inzwischen weniger Erlöse erzielt als mit den internationalen Marken. „Das einstige Kerngeschäft der Maus Frères befindet sich im Niedergang“, schrieb ein Bilanz-Redakteur schon vor mehr als einem Jahr. Ein deutlicher Indikator dafür zeigte sich Mitte des Vorjahres, als die Kaufhauskette Manor von ihren Lieferanten forderte, sich mit jeweils 10.000 Franken an den Kosten der Corona-Krise zu beteiligen.
Warenhäuser haben nicht nur in der Schweiz Probleme, die Vertriebsform kämpft zwischen den USA und Deutschland gegen den aggressiven Onlinehandel und eigentlich inzwischen bereits ums Überleben. Die Maus Holding versucht ebenfalls schon seit geraumer Zeit, ihre Manor-Häuser zu sanieren, den gesamten Bereich umzustrukturieren. Gab es vor wenigen Jahren noch mehr als 70, so sind es mittlerweile weniger als 60, auch das bekannte Haus an der Zürcher Bahnhofsstraße wurde nach einem zähen Streit um die Miete mit dem Immobilienbesitzer, einer Versicherung, geschlossen. Doch Verkäufe, Bereinigungen und Schließungen gab es auch früher immer wieder in der langen Geschichte des Familienkonzerns, daneben freilich ebenfalls bedeutende Zukäufe und strategische Umbauten.
Diskrete Geschäftspolitik. Es sollten nach dem Start in Luzern dann auch nicht nur Warenhäuser im ursprünglichen Sinn werden. Die Unternehmer der nächsten Generationen zeigten sich immer wieder kreativ und offen für neue Bereiche. So eröffnete man 1974 den ersten Jumbo-Bau- und Freizeitmarkt, später wagte man sich in die Bereiche Sport und Elektronik. Und auch ins Ausland expandierten die Entrepreneurs Maus und Nordmann. Sie kauften erst Drogeriemärkte in Frankreich, später Warenhäuser in den USA und den französischen Textilproduzenten Devanlay. Dieser produzierte unter anderem für Lacoste und sollte später erst den Teilerwerb und 2012 schließlich die gänzliche Übernahme der Sportmodemarke ermöglichen. In Frankreich erwarb die Holding in den 1970er-Jahren sogar die bekannte Kaufhauskette Printemps.
Doch es blieb nicht immer bei der Expansion. Die US-Beteiligungen wurden nach einer Pleite wieder abgestoßen, Printemps gab man 1990 an Francois Pinault ab. Bei Jumbo trat Maus in ein Joint Venture mit Carrefour ein, die Möbelkette Fly wurde verkauft, ebenso die Sportartikelkette Athleticum. Im Gegenzug begannen die Genfer, bekannte internationale Modemarken zu sammeln. 2003 kauften sie die Mehrheit am französischen Outdoor-Ausstatter Aigle, bekannt unter anderem für seine Gummistiefel, und nahmen ihn anschließend von der Börse. 2008 erwarben sie Gant von dessen schwedischen Eigentümern, parallel dazu wurde die Werbung um Lacoste immer intensiver. Schritt für Schritt konnte Maus Aktienpakete akquirieren, erst ein Drittel, dann ein weiteres. 2012 führte schließlich ein heftiger Streit innerhalb der Lacoste-Familie zum Besitzerwechsel der letzten 28 Prozent. 2020 kaufte Maus die französische Modekette The Kooples mit mehr als 300 Filialen in Europa und in den USA.
Die Geschäftspolitik war immer äußerst diskret, man hielt sich zurück, sprach praktisch nie mit der Presse, gab keine privaten Details bekannt, publizierte Zahlen nur, wenn es unbedingt notwendig wurde. Daran hielten sich alle vier Generationen im Unternehmen. Bekannt wurden lediglich Sponsoringtätigkeiten in Israel von Philippe Nordmann, der im Vorstand des Peres Center for Peace saß. Er unterstützte als Philanthrop aber auch andere Aktivitäten, etwa jene von Klinik Clowns in Israel, berichtete die Jerusalem Post. Ihm wurde daher in Jerusalem auch der „Distinguished Citizen’s Award“ verliehen.

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