Das Künstliche & Brutale: Salt Years

Der in Jerusalem geborenen Künstlerin Sigalit Landau ist in Salzburg eine umfangreiche Ausstellung gewidmet.

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Ausstellung:
Sigalit Landau: Salt Years
6. Juli bis 17. November 2019
Museum der Moderne Salzburg
museumdermoderne.at

Eine israelische Künstlerin präsentiert ihre Arbeiten an zwei Standorten einer Stadt: Wüsste man nicht, dass sowohl das Salzburger Rupertinum wie auch das Museum der Moderne am Mönchsberg Werke von Sigalit Landau zeigen, käme man nicht unbedingt auf die Idee. In den weitläufigen abgedunkelten Räumen auf dem Berg über der Stadt glitzern teils schwebende gräulich-weiße Alltagsobjekte: Stühle, Tische, Luster, steife Korsette, schicke Stilettos und klobige Männerschuhe – alle gefangen in einer dicken Salzkruste. Manches wirkt leicht verspielt, anderes eher profan. Hier wird man öfter zum Lächeln verleitet. Im Rupertinum trifft man hingegen hauptsächlich auf Videoarbeiten, die vor allem schockieren. Ein Hula-Hoop-Reifen aus Stacheldraht verletzt die nackte Mitte der jungen Frau – den Körper von Sigalit Landau.

»Für mich sind der Blick auf das Tote Meer
und die Arbeit in Sodom eine kontinuierliche,
in meinen Kindheitserinnerungen
wurzelnde Reise und ein Heilungsritual.«
Sigalit Landau

Für ihre außergewöhnlichen Arbeiten im und aus dem Toten Meer wurde die 1969 in Jerusalem geborene Künstlerin international bekannt, sodass sie sowohl zur documenta wie auch zwei Mal zur Biennale di Venezia eingeladen wurde. Ausgestellt hat sie in Israel, Europa und in den USA. „Salz ist nicht nur ein wesentlicher Nährstoff, ein Konservierungsmittel und eine menschliche Geschmacksrichtung, sondern ebenso Schweiß und Tränen“, begründet Landau ihrer Faszination mit der kristallinen Substanz.
Das Tote Meer nutzt sie immer wieder als Inspirationsquelle und Laboratorium, dort arbeitet sie 428 Meter unterhalb des Meeresspiegels. Vertraut wurde ihr die Gegend schon als Kind, weil sie mit der Familie aus dem nahen Jerusalem am Wochenende hierher kam. Zum Schauplatz ihrer Arbeiten wählte Landau das Tote Meer ab 2005: „Dass ich ausgerechnet im Sommer komme, liegt an der Chemie: Für die Kristallisation wird eine bestimmte Temperatur benötigt. Wir kochen fast im Wasser.“ Sie taucht die verschiedenen alltäglichen Objekten – vom kostbaren Cello bis zur einfachen Holzleiter – monatelang in das salzigste Meer der Welt, bis diese, von Millionen Salzkristallen bedeckt, in hypnotisierende Objekte von eindringlicher Schönheit verwandelt werden. Gewichte und Schnüre halten die Objekte unter Wasser, die sonst aufgrund des hohen Salzgehaltes wieder auftauchen würden.

Climb Every Mountain. Eine Leiter, Schuhe, ein Korb, eine Flasche und Zuckerrohr mit Salzkristallen überzogen. © Shaxaf Haber; Museum der Moderne Salzburg, Rainer Iglar; Reinhard Engel

„Für mich sind der Blick auf das Tote Meer und die Arbeit in Sodom eine kontinuierliche, in meinen Kindheitserinnerungen wurzelnde Reise und ein Heilungsritual“, beschreibt es Landau, deren Großeltern vor den Nazis aus Österreich geflohen waren. Die kraftvollen und vielschichtigen Werke der Israelin, die oft Fragen der weiblichen Identität und körperlichen Erfahrung thematisiert, sind auch sehr realpolitisch gewichtet. In einem Video zeigt Landau Jugendliche bei einem Messerspiel, bei dem Sandflächen portioniert und aufgeteilt werden. Gedreht wurde am gemeinsamen Strand von Aza und Aschkelon, wobei die eine Stadt im Gazastreifen, die andere in Israel liegt. „Wo gespielt wird, ist Leben“, lautet ihr trockener Kommentar.
Die politische Situation in Israel, komplexe Fragen der Gerechtigkeit sowie die wirtschaftliche Ausbeutung der Natur zeigt Landau in ihren ambivalenten Kreationen anhand der Symbolik des Salzes auf: Dieses hat erhaltende und heilende Eigenschaften ebenso wie eine zerstörerische Kraft. Fast alle im Rupertinum gezeigten Videoarbeiten haben mit dem Meer zu tun. An der Umsetzung einer sich aus dem Toten Meer erhebenden Brücke, die Menschen Israels, Jordaniens und des Westjordanlands zueinander führen soll, arbeitet Sigalit Landau schon seit einigen Jahren: ein „Höhepunkt von allem Wünschenswertem“.

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