Der Alltag im Maimonides Zentrum (MZ) sieht seit März anders aus: Die Bewohnerinnen erhielten wochenlang keine Besucher, es gibt keine Möglichkeit, sich außerhalb des MZ zu bewegen, das Kulturprogramm fällt aus. Das bedeutet auch: weniger Ablenkung der dementen und psychisch kranken Bewohner bei gleichzeitig weniger Pflegepersonal, umreißt Pflegedienstleiterin Maria Glawogger die Situation. Pfleger und Pflegerinnen zu finden, war schon vor der Coronakrise nicht einfach – Stichwort: Pflegenotstand. Nun sind Mitarbeiter teils in Quarantäne, und das Schließen von Grenzen, vor allem die zur Slowakei, führte zu einer weiteren Verknappung von Personal.
Die Patienten und Patientinnen, speziell jene, die kognitiv eingeschränkt sind, sind durch die Veränderungen zusätzlich psychisch belastet, sagt der ärztliche Leiter des MZ, Dan Seidler. Seit Ende April hat man sich daher etwas einfallen lassen, damit zumindest ab und zu Besuche wieder möglich sind: Im Eingangsbereich wurde ein Besuchszentrum eingerichtet. Dort können Angehörige nach Voranmeldung ihre Verwandten durch eine Glasscheibe sehen und dabei am Telefon mit ihnen sprechen. Das MZ nimmt damit in der Landschaft der Wiener Pflegeeinrichtungen eine Vorreiterrolle ein.
Zentral ist und bleibt dennoch, das Infektionsrisiko hintanzuhalten. Würde die Ausbreitung nicht verhindert, könnten bis zu zwei Drittel der Pflegebedürftigen im MZ versterben, befürchtet MZ-Direktor Micha Kaufman. Das wären dann bis zu 120 Tote.
Daher gilt es seitens der behandelnden Ärzte zum Beispiel, medizinische Personenkontakte zu vermeiden. Bei der Pflege ist das Social Distancing allerdings ein Ding der Unmöglichkeit: Weder beider Pflege noch der Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme oder der Körperpflege ist Abstandhalten möglich. Streng ist derzeit aber die ärztliche Abwägung, ob Bewohner in eine Ambulanz oder ein Spital gefahren werden sollen. Dort gebe es derzeit wenig Versorgung sowie eine erhöhte Covid-19-Infektionsgefahr, betont Seidler.
Die Tagesstätte sei zum richtigen Zeitpunkt geschlossen worden, meint Kaufman. Man habe dennoch darauf geschaut, dass die bis März dort betreuten Menschen auch weiter betreut werden, betont Leiterin Susanne Ogris. Die Seniorinnen und Senioren werden derzeit von Angehörigen oder mobilen Diensten verschiedener Trägerorganisationen betreut. Mindestens einmal pro Woche werden sie zudem von einem Psychologen oder einer Psychologin von der Tagesstätte kontaktiert.
Der Personalknappheit ist man im MZ mit einem Aufruf an die Gemeindemitglieder begegnet, in dem Menschen, die selbst bereits Angehörige gepflegt haben oder ihren Zivildienst in einer Pflegeeinrichtung absolviert haben, aufgerufen wurden, sich zu melden, wenn sie bereit sind, im MZ bei der Versorgung der Bewohnerinnen zu helfen. Die Resonanz sei beeindruckend gewesen, so Kaufman. Sieben Personen stünden nun in den Startlöchern, um im Fall, dass die Personalsituation noch knapper wird, auszuhelfen. Die Pflegekräfte, die derzeit im Einsatz sind, seien – wie auch die Bewohner und Bewohnerinnen – zu Beginn der Coronakrise durchaus auch unruhig gewesen. Da gebe es einerseits die Furcht, sich selbst zu infizieren und diese Infektion in die eigene Familie zu verschleppen, andererseits eine erhöhte Belastung durch erkrankte oder in Quarantäne befindliche oder nach Hause, etwa nach Ungarn oder die Slowakei gereiste Kollegen. Glawogger habe sich bemüht, die Pflegekräfte nie alleine und im Unklaren zu lassen, sagt Kaufman. Er bedankt sich zudem bei den Pflegenden, die trotz allem immer eine professionelle Haltung gezeigt hätten.
Der vom Gesundheitsministerium angekündigten Testung in allen Pflegeheimen sieht man seitens der MZ-Führung interessiert entgegen. „Wir sind auf jegliche Aussagekraft der Pflegeheimtestungen neugierig“, meint Kaufman, „würden uns jedoch lieber eine rasche Untersuchung bei Verdachtsfällen und deren Umgebung wünschen“.