Ich stehe aber nicht an, einen Schritt zur Seite zu machen. Da finden sich protokollarische Möglichkeiten“, beruhigte Walter Rosenkranz, neu gewählter Erster Präsident des österreichischen Parlaments. Ein ziemlich beschämendes Angebot im Jahr 2024, wenn es darum geht, ob der Mann im zweithöchsten Amt des Staates für diverse Gedenkveranstaltungen zur Erinnerung an jüdische NS-Opfer überhaupt tragbar ist.

So ein Satz wäre in den Jahren 1945 bis 1948 auf Verständnis, vielleicht sogar Anerkennung gestoßen, weil damals die VdU-FPÖ, aber auch die anderen Parteien eifrig begannen, viele Nazi-Verbrecher zu nur „willenlosen Mitläufern“ herabzustufen, um Stimmen für das „neue, geläuterte“ Österreich zu beschaffen. Aber heute? Da fordert der Präsident sogar Lob und Respekt ein, weil er ja so sensibel ist und „zur Seite treten“ werde. Schon allein dieser Gedanke ist ein Armutszeugnis für das Selbstverständnis einer liberalen Demokratie im 21. Jahrhundert.

Dass 100 Abgeordnete – von insgesamt 183 – nichts daran fanden, einen schlagenden Burschenschafter in diese Position zu hieven, der die rechten Ideen seiner retro-nationalistischen Verbindung „Libertas“ auch heute hochhält, ist das falsche Signal. Als „unverzichtbaren Bestandteil in der Geschichte der Staatswerdung“ bezeichnet Rosenkranz seine Libertas, mit dem Hinweis auf die Rolle studentischer Verbindungen bei der bürgerlichen Revolution 1848.

Die Libertas wurde 1860 gegründet und zählt zu den ersten Mensur-schlagenden Burschenschaften, die Juden aus ihrer Gemeinschaft ausschloss. Auch dazu weiß Rosenkranz etwas sehr Tröstliches zu sagen: Seine Verbindung sei weder antisemitisch noch rechtsradikal, weil auch „drei Gründungsmitglieder Juden“ gewesen seien und ihrer bis heute auf jedem Stiftungsfest gedacht werde. Super, danke! Wenn das kein Beweis ist? Und tot sind sie auch noch. Das hilft.

Noch erschreckender ist die gedankenlose Abgestumpftheit und erbärmliche Wurschtigkeit jener Volksvertreter, die dazu geführt hat, dass man einen Kandidaten Rosenkranz, der seinen Libertas-Kameraden und NS-Kriegsverbrecher Johann Karl Stich als „Leistungsträger“ der Republik Österreich nach 1945 bezeichnet, über haupt zur Wahl antreten lässt. Und wer ist SA-Standartenführer und NS-Generalstaatsanwalt Stich? Einer, der ein oder zwei Tage, bevor die Russen einmarschierten, noch 44 Gefangene, darunter Widerständler wie Otto Kirchl, Polizeidirektor und Schlossherr Josef Trauttmansdorff und seine Frau Elli standrechtlich erschießen ließ.

Ein Mann, ein Wort?

Rosenkranz, der zu keinem Novemberpogrom-Gedenken seitens der jüdischen Gemeinde geladen wurde, ging stramm und trotzig zum Mahnmal für die Shoah-Opfer auf dem Judenplatz – etwas seitlich vom offiziellen Gedenkort. Doch dort warteten junge jüdische Studentinnen und Studenten, die auch einem Verein angehören, nämlich den Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen.

Angehende Akademiker, das wäre doch ganz nach dem Geschmack eines aufrechten Burschenschafters. Ihre Botschaft war eindeutig: „Wir wollen weder mit Ihnen gedenken, Herr Präsident Rosenkranz, noch möchten wir, dass Sie unsere Vorfahren durch Ihre Gedenkpräsenz beschmutzen.“

So geriet der Auftritt zu einem kläglich gescheiterten Versuch einer vermeintlichen Machtdemonstration. Und wiederum erwies sich die Sprache als verlässlich und verräterisch: Etwas unbeholfen sagte Rosenkranz bei seinem Abgang „Ich weiche der Gewalt von Ihnen.“ Zitierte er doch damit den österreichischen Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, der am 11. März 1938 die Kapitulation seines Landes vor Nazideutschland mit den Worten schloss: „[…] dass wir der Gewalt weichen!“

Eine Bitte an die Jüdische Hochschülerschaft: Das nächste Mal bitte vor oder nach der HaTikwa auch die österreichische Nationalhymne anstimmen. Wir wollen doch bei unserem Bestreben nach einer achtenswerten Gesellschaft alle Gleichgesinnten dieses schönen Landes mitnehmen.

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