Der Appetitmacher

Mit seiner Werbeagentur „The first thought“ betreut Menashe Babaev seit 2020 vor allem Gastronomen in Wien und Niederösterreich. Der Schwerpunkt liegt im Bereich Social-Media-Marketing. Das Besondere: Babaev und sein Team produzieren nicht nur den Content wie Fotos und Videos, sondern beraten auch, womit ein Lokal sich von der Konkurrenz abheben kann.

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Ein Restaurantbesuch ist das Erste, was Menashe Babaev vereinbart, wenn sich ein potenzieller Kunde bei ihm meldet. Er muss in dem Lokal stehen, sitzen, speisen, um zu erkennen: Worin liegt der spezielle Wiedererkennungsmoment? „Ein asiatisches Restaurant hat zum Beispiel markante rote Lampen. Daher haben wir uns entschlossen, die Farbe Rot durch den ganzen Social-Media-Auftritt durchzuziehen.“ Wo sich nichts auf den ersten Blick anbietet, pickt Babaev typische Speisen heraus oder, etwa im Fall eines Kebab-Standes, die Sprache, die dort verwendet wird. „Da haben uns dann auch Kunden gesagt: Die sprechen dort ja wirklich so, wie ihr es auf Instagram schreibt.“

So wird der Agenturname The first thought zum Programm: Babaev vermarktet nicht nur, sondern unterstützt Gastronomen auch beim Branding. Dieses zieht sich dann von der Speisekarte über die Webseite bis eben zum Auftritt auf Instagram, TikTok oder Facebook. Letzteres tritt hier zunehmend in den Hintergrund. Junge Leute seien eher auf Instagram und TikTok unterwegs, so der Agenturbetreiber.

Als Versuchslabor diente Babaev das Fischlokal seiner Mutter. Die Großeltern haben über viele Jahrzehnte einen Fischstand am Vorgartenmarkt betrieben, der dann von seiner Mutter, Ester Babaev, übernommen wurde. Der Enkel half von klein auf hier mit. Er arbeitete während seines Wirtschaftsberatungsstudiums an der Fachhochschule Wiener Neustadt aber auch an der Fischtheke bei Rewe und nach seinem Studienabschluss dann im Management des Konzerns im Bereich des Vertriebs. Das Thema Food ist ihm daher aus mehreren Perspektiven vertraut.

„Social Media sind heute die
Visitkarte eines Lokals.
Eine Webseite reicht nicht mehr.“
Menashe Babaev

Es zog ihn jedoch schließlich von Rewe weg und in die Branche, auf die er in seinem Studium vorbereitet wurde: die Steuerberatung. Etwas mehr als drei Jahre war er in diesem Bereich für eine Kanzlei tätig, bevor er von einer anderen abgeworben wurde. Sein Arbeitsbeginn fiel aber just in die Tage nach Verhängung des ersten Lockdowns zu Beginn der Covid-Pandemie. Der neue Arbeitgeber teilte ihm mit, dass er deshalb noch nicht seinen Dienst antreten könne. Beim früheren Arbeitgeber hatte er jedoch schon gekündigt. Daher griff er seiner Mutter am Vorgartenmarkt unter die Arme – erst kurz zuvor hatte er ihr bereits geholfen, das Lokal zu modernisieren und damit ein jüngeres Publikum anzusprechen.

„Wir haben da einfach gemerkt: Die ältere Kundschaft, die sich gerne einen gebackenen Kabeljau mit Kartoffelsalat holt, stirbt nach und nach, so traurig es ist, aus. Jüngere wollen etwas Leichteres.“ Die Pandemie zwang die Gastronomie dazu zu schließen – doch der Handel durfte geöffnet bleiben. Gleichzeitig begannen sich auch Menschen, die sich zuvor noch wenig online in Sachen Nahrungsmittelbeschaffung umgesehen hatten, mehr übers Netz zu bestellen, sich aber auch dort zu informieren. Genau da versuchte Babaev anzusetzen. Er entwickelte für „Fischam Markt“ Social-Media-Kanäle – und schaffte es damit innerhalb weniger Wochen, mehr Kunden und Kundinnen an den Stand zu holen. A

Als die Gastronomie wieder öffnen durfte, designte er mit seiner Mutter Signature-Gerichte wie eine MeeresfrüchtePlatte für zwei. Durch eine Zusammenarbeit mit einer Food-Bloggerin wurde diese Platte zu einem Renner. „Da gab es einen Punkt, als meine Mutter mich bat, das wieder zurückzufahren, weil sie der Nachfrage gar nicht mehr nachkommen konnte.“

Als der erste Lockdown endete, meldete sich auch sein neuer Arbeitgeber wieder: Er würde sich freuen, wenn Babaev nun seinen Job antrete. So ging es zurück in die Steuerberatung – aber nur kurz. Der erste Arbeitstag brachte nämlich eine ungute Überraschung: Sein Chef teilte ihm mit, dass in dieser Kanzlei alle Mitarbeiter die Maus mit der linken Hand benutzen müssten – so könnte die rechte Hand immer gleichzeitig den Tastaturblock bedienen. Das trage zur Effienzienzsteigerung bei – und sei ein Must.

 

© The first thought

Stilvolle Ansichten und kreativer Content ohne falsche Versprechungen: Wer bei Menashe Babaev Beratung bucht, weiß sich in sicheren Marketinghänden.

 

Babaev konnte und wollte sich nicht damit anfreunden. Zu sehr hatte ihm die Arbeit bei „Fisch am Markt“ in den Monaten zuvor Freude gemacht, zu sehr stießen ihn diese Arbeitsmethoden ab. „Ich habe nachgedacht, welche Angst größer ist: die vor der Selbstständigkeit oder die, jeden Tag in so einem Klima zu arbeiten. Nach drei Tagen habe ich mich für die Selbstständigkeit entschieden.“

Seitdem hat The first thought nach und nach Form angenommen. Heute hat Babaev sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sie betreuen die Accounts der Kunden, erstellen das Grafik-Design oder drehen Videos. Zudem arbeitet er mit freien Food-Fotografen zusammen, aber auch mit Instagram-Models. 48 Gastronomiebetriebe betreuen Babaev und sein Team heute. Die Nachfrage wäre sogar größer – aber Babaevs Credo lautet auch, gesund zu wachsen. Er möchte im mer zuerst über gut geschulte Mitarbeiter verfügen, bevor er neue Kunden annimmt.

Keine falschen Hoffnungen schüren. Was ihn von anderen Social-Media-Agenturen abhebt: Er bietet Verträge ohne Bindung an. „Das spornt uns an, uns immer mehr als 100 Prozent zu bemühen.“ Das Feedback der Kunden sei hier positiv: Viele hätten mit anderen Agenturen bereits schlechte Erfahrungen gemacht. „Da wurde in den ersten Monaten viel geboten, aber danach nahm das Engagement ab.“ Was Babaev auch nicht macht: Er verspricht niemandem Umsatzsteigerungen. „Social Media sind heute die Visitkarte eines Lokals. Eine Webseite reicht nicht mehr. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass sich das wirtschaftlich rentiert.“

In vielen Fällen tut es dies aber schon. Dann ist die Freude auf beiden Seiten entsprechend. Babaev erzählt hier zum Beispiel von der Pizzeria Enzo am Universitätsring beim Schottentor. Hier habe er mitgeholfen, das Lokal als Partylocation für Studierende zu rebranden. So habe sich der Umsatz auch spürbar gesteigert.

Ein anderes italienisches Lokal in der Innenstadt sei dank seiner guten Lage immer voll. Im Zug eines Generationenwechsels wollte der neue Betreiber dennoch auch endlich im Netz präsent sein. Ihm schlug Babaev vor, Reservierungen künftig nicht mehr telefonisch anzunehmen, sondern online abzuwickeln. Dadurch spare der Gastronom nun einerseits Arbeitszeit, weil die Entgegennahme der Anrufe wegfalle. Gleichzeitig sei die Personalplanung leichter – Reservierungen gingen online nun auch schon für Wochen und Monate im Voraus ein.

Babaev geht aber auch gerne auf Ideen von Gastronomen ein und versucht dann für diese eine Online-Strategie zu entwickeln. Das asiatische Lokal Shanghai Tan in der Gumpendorfer Straße bekommt einmal im Monat einen rund 300 kg schweren Thunfisch geliefert. Dieser wird dann im Lokal zerlegt. Der Lokalbetreiber wollte daraus einen Event machen, bei dem Gäste für die Teilnahme bezahlen. Ein Jahr lang begleitete Babaev das monatliche Zerteilen des Fisches, überlegte, wie er das in Szene setzen könnte, fertigte Fotos und Videos an.

Der Plan ging auf. „Heute gibt es eine sechsmonatige Warteliste, obwohl das immer an einem Donnerstag um 12 Uhr mittags stattfindet.“ 25 Personen könnten hier jeweils teilnehmen, sie bezahlen dafür 100 Euro. Was mache hier die Faszination aus? Man sehe, wie dem Fisch die Augen entnommen werden, man höre das Knacken der Wirbelsäule, man könne schließlich mit Löffeln Fleisch von den Knochen schaben und kosten. Ja, vielleicht sei da auch ein bisschen Gruselfaktor dabei, räumt Babaev ein. Aber so funktioniere die Eventkultur von heute eben. Was ihm Freude macht: wenn genau so etwas gelingt. Wenn Kunden zufrieden sind.

 

© The first thought

„Ich möchte nichts machen,
was irgendwie negative Auswirkungen auf
Menschen haben könnte.“
Menashe Babaev

 

Was zu seinem Alltag auch gehört: die Zusammenarbeit mit Insta-Models und Food-Bloggern. Beide bieten ihre Mitarbeit übrigens honorarfrei an, liefert Babaev Einblicke in die Social-Media-Welt. Insta-Models seien meist junge Frauen, die von einer professionellen Model-Karriere träumen. Im Rahmen von Shootings eben für Gastro-Postings kommen sie zu Profi-Fotos und können sich so ein Portfolio aufbauen. Ähnlich sei es bei Food-Bloggern: Sie wollen sich als Influencer eine Reichweite aufbauen. Für lokale Gastronomen seien daher so genannte Mikro-Influencer mit etwa 10.000 Followern interessant. Diese kämen dann meist aus dem örtlichen Umfeld – reichweitenstärkere Blogger mit zum Beispiel 200.000 Followern seien oft internationaler unterwegs. Das sei aber im Gastro-Bereich weniger interessant.

Und was haben die Food-Blogger von solch einer Zusammenarbeit? Neben dem gratis Essen sei es einfach die Möglichkeit, Content zu erstellen und damit die eigene Reichweite auszubauen. Eine Food-Bloggerin, mit der er vor ein paar Jahren viel gemacht habe, sei inzwischen zum Beispiel für Mc Donald’s tätig. Diese Influencer-Jobs seien dann auch bezahlt.

Was Babaev hier auch immer wieder organisiert, sind gezielte Events für Food-Blogger. Einerseits würden sich diese gerne vernetzen, andererseits sei es für ein Lokal oft wesentlich günstiger, einmal 35 Personen auf ein Essen einzuladen und damit auf vielen Kanälen beworben zu werden, als für eigene Einschaltungen zu zahlen. Zudem könnten dann rasch viele potenzielle neue Kunden erreicht werden. Das sei eben nochmals etwas anderes, als Inhalte über die eigenen Social-Media-Kanäle zu verbreiten. Doch auch das hat die Werbemöglichkeiten gerade für kleinere Betriebe wie Restaurants revolutioniert, sagt Babaev. Für sie war es finanziell vor Social-Media-Zeiten nicht möglich, in größeren Printmedien oder gar Spots in Radio und Fernsehen zu schalten. Nun kann sich jeder Werbung leisten – auch wenn diese ganz anders funktioniert als noch vor ein paar Jahren.

Werbung, wie Babaev sie für seine Kunden entwickelt, besteht aus Posting-Kampagnen. Mit dem Kunden wird dabei besprochen, wie viele Fotos und Reels pro Woche erscheinen sollen. Dann wird für Wochen oder Monate der dazu nötige Content produziert und ein genauer Redaktionsplan erstellt. Hier werden die Posting-Texte bereits formuliert und auch die Captions schon festgelegt.

All das bekommt der Kunde vorab zur Ansicht. Erst dann werden die Inhalte gepostet – wobei Babaevs Agentur die Accounts der Kunden bei Meta & Co verwaltet. Da gehe es um Mittel von mehr als 100.000 Euro pro Jahr, Tendenz von Jahr zu Jahr steigend. Was den Erfolg von The first thought vor allem ausmacht: Babaev hat sowohl die Perspektive der Gastronomen wie auch jene der Gäste im Blick. Er will sich daher weiterhin vor allem auf Restaurants und Lokale konzentrieren. Er betreut inzwischen aber zum Beispiel auch schon ein paar Anbieter im Bereich Beauty und Kosmetik. Was Babaev aber sicher weiß: Er möchte niemals in der politischen Kommunikation tätig sein. „Ich möchte nichts machen, was irgendwie negative Auswirkungen auf Menschen haben könnte.“

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