Eine Nivea-Creme-Dose aus der Zwischenkriegszeit, ein steifer Herrenkragen, eine elegante Hutschachtel, eine versilberte Messingschale. Diese präsentierten Objekte stehen für die Geschäftsphilosophie von Salman Schocken, die er in seinen deutschen Warenhäusern umsetzte. Er wandte sich nicht an die Superreichen, sondern an die Mittelschicht und die weniger Wohlhabenden. Sie sollten bei ihm sowohl Güter des täglichen Bedarfs wie auch des kleinen Luxus finden, ordentliche Qualität zu angemessenen Preisen.

Damit war er auch durchaus erfolgreich, im Jahr 1933 betrieb sein Unternehmen 30 Warenhäuser, zwischen Chemnitz und Pforzheim, vom sächsischen Erzgebirge bis ins schwäbische Stuttgart. Und ein Gutteil der Standorte waren Neubauten, modern, fast futuristisch, geplant und errichtet vom Architekten Erich Mendelsohn. Freilich sollte dieser Erfolg nicht ungebrochen bleiben. Schocken verlor sein Unternehmen wenige Jahre später an „Ariseure“, sie nannten den Kaufhauskonzern dann Merkur AG. Er selbst war schon zur Jahreswende 1933/1934 über eine Fahrt durch mehrere europäische Länder, die die Nationalsozialisten verwirren sollte, nach Palästina emigriert.
Obwohl er kein Studium absolviert hatte, sollte ihn sein Leben lang das geschriebene Wort faszinieren, von der Lyrik bis zur Tagespresse.
Das Jüdische Museum Berlin erinnert an Salman Schocken in einer Ausstellung. Dabei geht es nicht nur um den kreativen Handelsunternehmer, sondern auch um sein reiches kulturelles und verlegerisches Erbe in Europa, Israel und den USA. Doch begonnen hat alles in Posen, heute Poznan in Polen. Salman wurde 1877 als Sohn von Isaak und Eva Schocken geboren. Der Vater war Besitzer eines Manufakturwarengeschäftes, seine Mutter Eva Hausfrau. Salman hatte sechs Geschwister, darunter den um drei Jahre älteren Bruder Simon. Mit diesem sollte er später gemeinsam unternehmerisch tätig werden, doch erst lernte er bei ihm das Handelsgeschäft von der Pike auf. Simon arbeitete schon als Geschäftsführer bei Julius Tietz in Braunschweig. Doch dann machten sich die Brüder mit einem ersten eigenen Kaufhaus in Oelsnitz im Erzgebirge selbstständig. Schnell gründeten sie weitere Filialen. Als Simon bei einem Autounfall 1929 in Berlin ums Leben kam, wurde Salman der alleinige Besitzer und Konzernleiter.

Doch der Handel füllte ihn nicht aus. Obwohl er kein Studium absolviert hatte, sollte ihn sein Leben lang das geschriebene Wort faszinieren, von der Lyrik bis zur Tagespresse, von der klar ausgerichteten Zielgruppenzeitschrift bis zu komplexen Romanen. Bereits 1915 trat Schocken gemeinsam mit Martin Buber als Gründer der Zeitschrift Der Jude auf, mit zionistischem Schwerpunkt. 1929 eröffnete er das Schocken-Institut zur Erforschung der hebräischen Poesie, zwei Jahre später den Schocken Verlag in Berlin, mit einer gewissen Spezialisierung auf jüdische Themen und Autoren.
Als Vorbild dafür diente ihm der Insel- Verlag, der mit günstigen Ausgaben hochwertige Literatur einem breiteren Publikum zugänglich machen wollte – nicht unähnlich war Schockens Geschäftsmodell im Handel. Zu den Autoren, die er verlegte, zählten etwa neben Buber auch Heinrich Heine oder Franz Kafka. Später, als der Verlag in Deutschland geschlossen werden musste, gründete er zwei weitere, einen in Israel, einen in den USA. Und dort arbeitete dann für ihn unter anderen Hannah Arendt. Walter Benjamin publizierte Schocken in englischer Übersetzung, auch für die Werke Kafkas hielt er die US-Rechte. Der israelische Lyriker und Nobelpreisträger Samuel Shai Agnon fand bei Schocken ebenfalls seine Heimat.
In Israel verbreiterte Schocken seine verlegerische Arbeit weit über das Buch hinaus. 1935 kaufte er die Tageszeitung Haaretz, diese befindet sich noch heute mehrheitlich im Besitz seiner Familie (siehe Kasten). Der Buchverlag wurde 1987 von Random House übernommen, heute Teil von Bertelsmann. Laut Neuer Zürcher Zeitung „dümpelt der Verlag heute nur mehr dahin“, das Interesse der Konzerneigentümer sei daran einigermaßen gering.
Die Warenhäuser erhielt Schocken – zumindest im Westen Deutschlands – nach dem Krieg zurück, verkaufte allerdings 1953 an Horten. In Israel hatte sich Schocken vom Architekten Mendelsohn eine Villa mit Zubau für seine umfangreiche Privatbibliothek errichten lassen. Dennoch lebte er später in den USA. Schocken starb 1959 auf einer Urlaubsreise in der Schweiz.
Inventuren
Salman Schockens
Vermächtnis – Ausstellung
JÜDISCHES MUSEUM BERLIN
Libeskind-Bau EG, Eric F. Ross Galerie
Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin
Bis 12. Oktober 2025
jmberlin.de























