Der Forschungsbotschafter

Daniel Schönberger vertritt das israelische Weizmann-Institut in Deutschland und Österreich, knüpft Kontakte und versucht, Spender zu finden.

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© Reinhard Engel

Meine wichtigste Bitte, die ich Menschen gegenüber formuliere, die ich bisher nicht gekannt habe: ‚Bei Ihrer nächsten Reise nach Israel nehmen Sie sich die Zeit und besuchen sie das Weizmann-Institut. Das wird Sie inspirieren.‘“ Inspirieren ist auch die wichtigste Agenda von Daniel Schönberger selbst, der seit Herbst 2018 als Botschafter des israelischen Weizmann-Instituts durch Deutschland und Österreich tourt.
Er weiß, dass um die Aufmerksamkeit und Spendengelder der jüdischen Bürger heftig gerungen wird, von bekannten israelischen Universitäten und von exzellenten Kliniken, von wichtigen sozialen Organisationen und von kulturellen Ins-titutionen der Spitzenklasse. Dafür finden sich jeweils nationale Freundschaftsgesellschaften mit ihren Fundraising-Dinners und mehr oder wenig rührigen Komitees.
Auch das Weizmann-Institut hat derartige Freundschaftsgesellschaften. Die österreichische leitete viele Jahre lang Erna Wodak, eine Chemikerin, die in England während des Kriegs im Labor Weizmanns gearbeitet hatte. Dennoch sah das israelische Management die Chance, in Deutschland und Österreich die Präsenz und wohl auch die Spendenakquise einen Gang höher zu schalten. Dafür wurde Schönberger engagiert.

»Science for the Benefit of Humanity“, also Forschung, die auf die Lösung globaler Probleme abzielt,
ob das jetzt solche der Umwelt sind,
der Ernährung oder der Medizin.«
Daniel Schönberger

„Forschung, insbesondere Spitzenforschung wie sie im Weizmann-Institut stattfindet, ist ein Thema, mit dem man Menschen ansprechen kann“, so Schönberger. „Und vor allem behandeln die Frauen und Männer in Rehovot nicht nur regionale oder nationale Themen. Das Schlagwort lautet ‚Science for the Benefit of Humanity‘, also Forschung, die auf die Lösung globaler Probleme abzielt, ob das jetzt solche der Umwelt sind, der Ernährung oder der Medizin.“ Damit könne er sowohl in jüdischen wie auch in nichtjüdischen Kreisen Interesse wecken.
Schönberger zitiert beispielhaft einige Felder, in denen das aktuell im Weizmann-Institut passiert:
❚ in der Arbeit der Mikrobiologin Professor Neta Regev-Rudzki beim Kampf gegen Malaria;
❚ in der Forschung von Professor Avigdor Scherz beim Einsatz von Chlorophyll und Lichttherapie gegen Prostatakrebs;
❚ in den Arbeiten von Professor Nava Dekel bei Problemfällen künstlicher Befruchtung.
Schönberger, der unter der Winterkappe eine Kippa trägt, stammt ursprünglich aus Düsseldorf, wo er 1973 geboren wurde. Seine Familie machte 1980 Alija, er besuchte in Israel Grundschule und Gymnasium. Nach dem Militärdienst studierte er Jus und arbeitete auch einige Jahre als Anwalt in Tel Aviv, „in allen Bereichen, außer im Strafrecht“. Dennoch fühlte er sich nicht wirklich wohl in der Branche, überlegte, was er anderes machen könnte. Schließlich nahm er ein Angebot einer jüdischen Hoteliersfamilie aus Berlin an, für ihr Crown-Plaza-Hotel beim Kurfürstendamm als Verkaufsleiter nach Deutschland zurückzukehren. Von dort warb ihn nach sechs Jahren das Weizmann-Institut für die Betreuung des deutschen und österreichischen Marktes ab (die Schweiz hat innerhalb des European Committee ohnehin in Zürich ein Büro). Vom Standort Wien arbeitet er deshalb, weil seine Frau Wienerin ist und hier lieber lebt als in Berlin.

Top in Forschungsrankings. Während in Deutschland die Max-Planck-Institute bereits in langjährige Forschungskooperationen mit Weizmann eingebunden sind, weiß Schönberger derzeit von keinen aktuellen Projekten mit österreichischen Universitäten. Er kann allerdings bei seinen Versuchen, das Weizmann-Institut bekannter zu machen, ganz aktuell auf einen Spitzenforscher aus Österreich verweisen, der seit Kurzem dort als Mikrobiologe an der Erforschung von Zellproteinen bei degenerativen Erkrankungen arbeitet: Philip Selenko. Dieser hatte nach Studien in Wien und Heidelberg in Harvard und Leipzig geforscht. „Das Weizmann-Institut liegt bei internationalen Forschungsrankings knapp hinter den US-Spitzenunis sehr weit vorne. Wir wollen vermitteln, dass es für gute Forscher durchaus interessant sein kann, dorthin zu wechseln.“
Gemeinsam mit dem IST Austria, dem Institute for Science and Technology in Klosterneuburg, das von einem langjährigen Weizmann-Präsidenten, Haim Harari, mitbegründet wurde, hat man ein Fundraising-Dinner organisiert und möchte das auch wiederholen. Ende 2018 gab es eine Veranstaltung des Weizmann Young European Networks mit dem Young Jewish Business Club Vienna. Für den Mai plant Schönberger ein hochkarätig besetztes Dinner mit der Weizmann-Professorin Michal Schwartz, die an der Stärkung des Immunsystems im Kampf gegen Alzheimer forscht.

 

Wissenschaft, bevor es den Staat gab
Das Weizmann-Institut ist nach seinem Gründer und ersten Staatspräsidenten Chaim Weizmann benannt, die Anfänge gehen in die Mandatszeit zurück.

Forschung ist teuer“, weiß Daniel Schönberger, „und weil das Weizmann-Institut keine akademische Grundausbildung wie andere Unis betreibt, ist der staatliche Finanzierungsanteil vergleichsweise gering.“ Etwa 20 bis 25 Prozent des operativen Jahresbudgets von 450 Mio. Dollar kommt von der Regierung, 30 Prozent aus überregionalen, vor allem europäischen Forschungsförderungsfonds, noch einmal 30 Prozent aus privaten Spenden. Das Institut verfügt – ähnlich amerikanischen Eliteunis – über einen wohldotierten eigenen Stiftungsfonds, ein so genanntes Endowment, dessen Kapital nicht angegriffen werden darf, dessen Zinserträge aber in die aktuellen Forschungsprojekte fließen. Dieses Endowment geht auf die Amtszeit von Haim Harari als Präsident zurück.
Der moderne Campus des Instituts in Rehovot südlich von Tel Aviv erstreckt sich über eine Fläche von 1,2 Quadratkilometern und beherbergt 2.500 Mitarbeiter, darunter 250 Professoren, 850 promovierte Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker und ungefähr 1.000 Studierende. Letztere haben jeweils ihre Grundstudien anderswo absolviert und schreiben hier an ihren Dissertationen oder an Post-doc-Arbeiten.
Das Weizmann Institute of Science zählt heute laut globalen Uni-Rankings weltweit zur absoluten Spitze. Seine 18 Fachbereiche sind in fünf Fakultäten organisiert: Mathematik und Informatik, Physik, Chemie, Biochemie und Biologie. Am Institut wird derzeit an etwa 1.200 Forschungsprojekten gearbeitet. Als Besonderheit gilt die fachübergreifende Forschung auf vielen Gebieten der Wissenschaft.
Die Anfänge des Weizmann Institute of Science gehen auf die Zeit vor der Staatsgründung Israels zurück. Begonnen hatte es 1934 mit dem Daniel-Sieff-Forschungsinstitut, gestiftet von den Marks-&-Spencer-Mitbesitzern Israel und Rebecca Sieff aus London in Gedenken an ihren Sohn Daniel. Die Initiative zur Gründung des Instituts ging vom Chemiker Chaim Weizmann aus. Er war die treibende Kraft hinter der wissenschaftlichen Arbeit am Daniel-Sieff-Forschungsinstitut und sein erster Präsident. Weizmann, lange Jahre aktiv in der Leitung der zionistischen Bewegung, wurde 1949 der erste Präsident des Staates Israel. Im selben Jahr erhielt das Institut seinen Namen.

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