Beitrag zur Korrektur. Die religiösen historischen Wurzeln würden in der Antisemitismusforschung unterschätzt, analysiert Raimund Fastenbauer. © ikg

Der ‚Neue Antisemitismus‘ kombiniert rechten ‚Rassenantisemitismus‘, linken antizionistischen Antisemitismus (gerne auch mit dem Geldmotiv) und religiösen islamischen Antisemitismus (mit nationalistischen Hintergrund)“, lautet Raimund Fastenbauers Fazit. Israel werde zudem als „Jude unter den Völkern“ behandelt, europäische Mainstream-Medien würden „Israelkritiker, die als Juden und insbesondere als Israeli auftreten“, besonders gerne zu Wort kommen lassen.
Fastenbauer setzt sich in seinem Buch mit der Linken – hier sieht er den Sieg Israel im Sechs-Tage-Krieg 1967 als Zeitenwende – ebenso auseinander wie mit Antisemitismus von muslimischer und anderer Seite. Am Ende vermengen sich die unterschiedlichen Formen beziehungsweise wirken aufeinander, vergangene wie aktuelle. Das ist der Hauptpunkt, den man nach der Lektüre dieses Bandes mitnimmt.
In Europa habe sich eine Entwicklung vom „religiösen und rassistischen Antisemitismus“ (das ist das, was man herkömmlich unter „rechtem Antisemitismus“ versteht) zum „sekundären Antisemitismus“ und kombinierten modernen antizionistischen Antisemitismus als „cultural code“ beziehungsweise „negative Leitidee“ einer globalisierten Welt in Verbindung mit der Infragestellung der Legitimität des Staates Israel herausgebildet, so Fastenbauer. Dieser europäische sekundäre, postnazistische Antisemitismus verbinde sich wiederum mit dem islamischen Antisemitismus zum neuen „antizionistischen Antisemitismus“. Dabei würden antisemitische Codes in Koran und Hadithen (mündliche Überlieferungen Mohammeds) kombiniert, wie das der „Juden umgewandelt in Affen und Schweine“ und das der Verschwörung mit solchen des islamisierten Antisemitismus, der von Europa in den Nahen Osten übertragen wurde.

Religionskritik. Im neuen antizionistischen Antisemitismus fänden sich somit teilweise offene, teilweise als Code verdeckte antisemitische Motive älteren Datums. „Ihr Ursprung sind historische polemische Abgrenzungsbemühungen bzw. Polemik gegenüber jüdischen Stämmen im Zuge der kämpferischen Expansion des Islam.“ Diese religiösen historischen Wurzeln würden in der Antisemitismusforschung unterschätzt, konstatiert Fastenbauer. Er wolle daher mit seinem Buch auch einen „Beitrag zur Korrektur“ vorlegen.
Während im Christentum nach der Schoa, dabei insbesondere nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, eine wenn auch nicht immer vollständige Abkehr von antisemitischer Polemik gelungen sei, „ist eine solche im Islam ausständig“, lautet Fastenbauers Vorwurf. „Sie wird durch die weitgehende Ablehnung jeder Form von Religionskritik erschwert.“

 

»Manche Autoren sehen fälschlicherweise den muslimischen Antisemitismus lediglich als Resultat des
Exportes des europäischen Antisemitismus in den Nahen Osten.«
Raimund Fastenbauer

 

Breiten Raum nimmt im Buch denn auch die Auseinandersetzung mit dem Islam und seinem Verhältnis zum Judentum ein. Fastenbauer geht dabei zurück bis in die Zeit Mohammeds und der damaligen Stammesgesellschaft. Die jüdischen Stämme auf der arabischen Halbinsel hatten sich Mohammed nicht angeschlossen und wurden schließlich in kriegerischen Auseinandersetzungen besiegt, zwei aus Medina vertrieben, ein dritter vernichtet und die jüdischen Frauen versklavt. Später seien die Juden und Jüdinnen Khaybars besiegt worden, die dann als erste nichtmuslimische Untertanen – Dhimmis – Schutzsteuer zahlen mussten.

Raimund Fastenbauer: Jud, Jahudi oder Zionist – der ausgegrenzte Feind. Brill | Schöningh, 329 S., € 73,83

Es erinnert ein bisschen an den Umgang Martin Luthers mit Juden – und genau das streicht auch Fastenbauer hervor. „In Bukhari, Buch 2, Hadith 18, wird darauf hingewiesen, dass Angehörige anderer Religionen so lange bekämpft würden, bis sie bestätigen würden, dass nur Allah angebetet werden solle und Muhammed sein Prophet sei, dadurch und durch Abgaben könnten sie ihr Leben und ihren Besitz retten.“
Die Passagen zu Juden, die Fastenbauer dokumentiert, lesen sich ernüchternd: So werden sie in Sure 3/19–20 als „Prophetenmörder“ bezeichnet, in Sure 4/47 als „die von Allah Verfluchten“, in den Suren 2/65– 66, 5/60–61, 7/166–167 als „Söhne von Affen und Schweinen“, in Sure 5/82 als „allschlimmste Feinde der Gläubigen“. In Sure 33/26–30 heißt es, „das Land der Juden wird den Muslimen gehören“, in Sure 9/29–30, „kämpft gegen jene, bis sie erniedrigt sind und den Tribut errichten“, in Sure 63/6–7, „sie sind der Feind, also hüte dich vor ihnen“. Im Hadith würden Juden zudem beschuldigt, Mohammed vergiftet zu haben. Das Verschwörungsmotiv finde sich auch in der Geschichte von Abd Allah b. Saba, der vom Judentum zum Islam übergetreten war. Ihm wurde vorgeworfen, die innerislamischen Auseinandersetzungen, die zur Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten führte, verursacht zu haben.
„Manche Autoren sehen fälschlicherweise den muslimischen Antisemitismus lediglich als Resultat des Exportes des europäischen Antisemitismus in den Nahen Osten – insbesondere in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts – oder als ‚islamisierten Antisemitismus“, kritisiert Fastenbauer, dessen nun erschienenes Buch auf seiner Dissertation an der Universität Wien, betreut von Klaus Davidowicz (Judaistik) und Ednan Aslan (Islamische Religionspädagogik), beruht. Islamischer Antisemitismus schöpfe aber eben aus mehreren Quellen: dem Koran, der Aufnahme christlicher und rassistischer Motive aus Europa sowie aus islamistischen Bewegungen wie der Moslembrüderschaft. Der islamische Antisemitismus habe dabei zwar weitaus länger als der christliche nur eine diskriminatorische Prägung gehabt – im letzten Jahrhundert seien aber eben auch zunehmend Vernichtungsphantasien entstanden.

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