Die Achse Budapest – Teheran

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Jobbik-Abgeordneter Márton Gyöngyösi verlangte im Herbst 2012 die Listung jüdischer Politiker im Parlament. Tausende demonstrierten gegen seine Aussagen.

Neben vielen anderen gefährlichen Entwicklungen in Ungarn kommt es auch zu einer freundschaftlichen Annäherung Budapest–Teheran. Diese Freundschaft ist von bescheidenem ökonomischen Nutzen – und damit umso  besorgniserregender. Von Stephan Grigat

Neben der offenen Hetze gegen Juden, Roma und Homosexuelle, die immer wieder zu gewalttätigen, mitunter auch tödlichen Angriffen führt, ziehen Politiker der in der Tradition der nationalsozialistischen Pfeilkreuzler stehenden Jobbik regelmäßig vollkommen unverklausuliert gegen Israel zu Felde. Beispielsweise fordern sie, Ungarn dürfe kein „zweites Palästina werden“, wie es die Spitzenkandidatin für die Europaparlamentswahlen 2009, Krisztina Morvai, formulierte. Parteichef Gábor Vona verglich den Erfolg seiner Partei mit dem „Triumph palästinensischer Partisanen gegen israelische Helikopter“, und Morvai attackierte Israelis als „verlauste, dreckige Mörder“, denen sie die Hamas an den Hals wünscht, und empfahl den „liberal-bolschewistischen Zionisten“ in Ungarn, sich zu überlegen, „wohin sie fliehen und wo sie sich verstecken“ werden. Auch in den Auseinandersetzungen Ungarns mit der EU schlägt offener Antisemitismus und der Hass auf Israel immer wieder durch, etwa wenn in einer der Regierungspartei Fidesz nahe stehenden Zeitung dem „Imperium Europa“ ein „Blutritualmord am Nationalstaat“ attestiert wird, oder wenn auf gemeinsamen Demonstrationen von Jobbik, Fidesz und anderen rechtsgerichteten Gruppierungen die EU als „verjudete Gemeinschaft“ und „zionistisch fremdbestimmt“ attackiert wird oder von einer „Achse Tel Aviv–New York–Brüssel“ die Rede ist. Vor diesem Hintergrund ist es alles andere als verwunderlich, dass das iranische Regime, das Israel ein ums andere Mal mit der Vernichtung droht und redlich bestrebt ist, sich die entsprechenden Mittel zu beschaffen, die Entwicklungen in Ungarn mit großem Wohlwollen verfolgt.

Aggressiv, rassistisch, absurd

Die von den deutschen Unionsparteien und der ÖVP hofierte Fidesz-Regierung tritt nicht nur im Innern des Landes ausgesprochen forsch auf, sondern betreibt auch eine aggressive Außenpolitik. Neben einer Instrumentalisierung der in den Nachbarländern lebenden „Auslandsungarn“ werden im Rahmen eines obskuren rassentheologischen „Turanismus“, der zum ideologischen Leitbild der gegen Osten orientierten neuen ungarischen Außenpolitik wurde, nicht nur die Gemeinsamkeiten der Magyaren mit den „zentralasia­tischen Völkern“ in Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan und Turkmenistan beschworen, sondern auch mit dem Iran.

Auch in den Auseinandersetzungen Ungarns mit der EU schlägt offener Antisemitismus und der Hass auf Israel immer wieder durch.

Das führt insbesondere bei der rechtsradikalen Konkurrenz der Fidesz zu einer engen Kooperation: Zwischen der Jobbik und dem Botschafter des iranischen Regimes in Ungarn findet ein regelmäßiger Austausch statt, die EU-Parlamentarierin Morvai hat an Konferenzen des Holocaustleugnerregimes in Teheran teilgenommen, und Parteichef Vona hatte vor den Parlamentswahlen 2010 Mahmoud Ahmadinejad aufgefordert, iranische Revolutionswächter als Wahlbeobachter nach Ungarn zu schicken.

Anti-Israel Demonstration. Der unabhängige Parlamentsabgeordnete Balázs Lenhardt bei der Verbrennung der Israel-Fahnen in Budapest.Fidesz setzt auf einen Ausbau der ökonomischen Beziehungen mit Teheran. Die Orbán-Regierung hat zwar die Beschlüsse der EU zur Teilsanktionierung der iranischen Zentralbank und zu neuen Sanktionen gegen Ölimporte aus dem Iran, die Ungarn kaum betreffen, im Sommer 2012 mitgetragen, gleichzeitig finden aber immer wieder Treffen von iranischen Gesandten mit Fidesz-Bürgermeistern und -Regionalpolitikern statt. Offensichtlich möchten Letztere gerne dort in die Bresche springen, wo westeuropäische Politiker Unternehmern zunehmend nahelegen, auch auf gerade noch legale Geschäfte mit dem iranischen Regime besser zu verzichten. Das iranische Regime will zum einen der eigenen Bevölkerung signalisieren, dass das Land trotz des steigenden internationalen Drucks weiterhin gute Beziehungen zu europäischen Ländern unterhalte. Zum anderen suchen die Iraner verzweifelt nach Alternativen zu ihrem traditionellen Business in Europa, das durch die bisherigen Sanktionsbeschlüsse zwar keineswegs brachliegt, aber doch mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert ist.

Budapest–Wien–Teheran

Im Oktober 2010 gründete das ungarische Parlament eine Abgeordnetengruppe zur „ungarisch-iranischen Freundschaft“, und das Majles, das Pseudoparlament in Teheran, initiierte das iranische Pendant, womit an ähnliche Initiativen aus der ersten Amtszeit von Orbán zur Jahrtausendwende angeknüpft wurde. Einen Monat später besuchte der stellvertretende iranische Außenminister Ali Ahani Budapest. Tiszavasvári, jener Ort im Osten Ungarns, der von Jobbik als eine Art „Hauptstadt der Bewegung“ betrachtet wird, hat 2011 eine Städtepartnerschaft mit dem iranischen Ardabil geschlossen.

Besonders bemüht um das ungarisch-iranische Verhältnis ist Márton Gyöngyösi, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Jobbik.

Besonders bemüht um das ungarisch-iranische Verhältnis ist Márton Gyöngyösi, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Jobbik, der zuletzt durch den Vorschlag einer „Judenzählung“ im Parlament in Budapest von sich Reden machte. Der Diplomatensohn ist in mehreren muslimisch geprägten Ländern aufgewachsen und spielte eine zentrale Rolle bei der proislamischen Positionierung der Jobbik. Er kooperiert mit Ali Hossein Jahromi, einem sowohl in Ungarn als auch in Wien tätigen Geschäftsmann, der versucht, die ungarisch-iranischen Beziehungen insbesondere im ökonomischen Bereich zu institutionalisieren und durch gegenseitige Besuche zu befördern.

Bisher bleibt allerdings zweifelhaft, ob der ökonomische Nutzen der Achse Budapest–Teheran allzu groß ist und ob die sowohl von Fidesz als auch Jobbik betriebene Annährung an das iranische Regime samt Ausbau der bisher vergleichsweise unterentwickelten ökonomischen Beziehungen eine ernsthafte Alternative zur EU darstellen kann. Nur macht die Erfolglosigkeit vieler Projekte der völkisch-autoritären Kräfte in dem mitteleuropäischen Land die Hetze der ungarischen Rechtsparteien kein bisschen weniger gefährlich. 

Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter an der Universität Wien und Mitherausgeber von Iran im Weltsystem. Bündnisse des Regimes und Perspektiven der Freiheitsbewegung. Ein ausführlicher Beitrag von ihm zu den Entwicklungen in Ungarn erscheint im Mai in sans phrase. Zeitschrift für Ideologiekritik.

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