Die knallroten Busse hinter der Oper

Gabriel Borochov betreibt in Wien eine der drei Buslinien für Touristen: Red Bus. Der Weg dorthin war mehr als mühsam.

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Seinen festen Platz unter den Wiener Sightseeing-Bussen hat sich Gabriel Borochov mühsam erkämpft. Foto: Reinhard Engel

Jetzt bin ich sehr zufrieden.“ Gabriel Borochov sitzt auf der Café-Terrasse des Guest House Vienna, seinem zweiten Büro, und schaut in Richtung Albertinaplatz hinter dem Hotel Sacher und der Oper. Dort bricht sein Red Bus jede Stunde zu einer touristischen Runde durch Wien auf. „Aber es war ein langer Weg bis hierher.“
Borochov stammt aus Duschanbe in Tadschikistan. Geboren wurde er 1968 noch in der damaligen Sowjetunion, übersiedelte als Fünfjähriger erst nach Israel und dann mit 13 nach Wien. „Mein Vater hat das feucht-heiße Klima nicht gut vertragen, wegen seinem Herz. Die Ärzte haben gesagt, er braucht die Berg-luft in den Alpen. Also sind wir nach Wien gezogen. Hier gibt es nicht gerade hohe Berge, aber immerhin den Wienerwald. Es ist ihm jedenfalls viel besser gegangen.“
Die Familie hatte in Österreich weitläufige Verwandte, der Vater eröffnete am Hannover Markt im 20. Bezirk einen Obst- und Gemüseladen. Er hatte in Israel zunächst mit Teppichen gehandelt, dann einen Supermarkt geleitet. Und schon in der damaligen Sowjetunion hatte er gleichzeitig für eine staatliche Handelskette gearbeitet und daneben selbst privat gehandelt – „so wie alle anderen auch“, erzählt Borochov.
Gabriel sprach, als er nach Wien kam, kein Wort Deutsch. „Aber erstens war ich in Israel ein guter Schüler, habe sogar Englischnachhilfe gegeben. Und dann hat sich eine österreichische Lehrerin wirklich intensiv um mich gekümmert, ich habe dadurch schnell gelernt.“ Und die Schule war nicht seine einzige Schule. Von sechs Uhr früh bis Dreiviertel acht bediente er am Markt und dann wieder am Nachmittag bis zum frühen Abend. Erst danach kam er zu den Aufgaben fürs Gymnasium.

„Ich habe keinen Busführerschein, mit kleineren
Autos bin ich schon gefahren.“
Gabriel Borochov

Zwar hatte er vor zu studieren: „Recht, vor allem Wirtschaftsrecht hat mich immer interessiert. Aber zunächst einmal wollte ich mich selbst finden“, erzählt er rückblickend mit einem ironischen Lächeln. Erst jobbte er als Schmuckvertreter. Dann arbeitete er mehrere Jahre für die Security der Israelitischen Kultusgemeinde, bewachte unter anderem das Altenheim Maimonides, noch im 19. Bezirk, den Stadttempel in der Seitenstettengasse und die jüdische Schule ZPC. Anschließend war er mit einem Partner gemeinsam mehrere Jahre Cafetier in der Ballgasse in der City. Schließlich, mit 26, begann sein Jus-Studium: „Ein bisserl Geld habe ich erspart gehabt, aber natürlich braucht ein Student immer mehr, als er hat.“ Also suchte er sich nebenbei einen Job.
Er fand diesen bei
Vienna Sightseeing, einem Unternehmen von Dr. Richard und Blaguss. Das war damals der Monopolist für City-Touren im Bus, und Borochov arbeitete als Reiseleiter. „Ich habe keinen Busführerschein, mit kleineren Autos bin ich schon gefahren.“ Er lernte das Geschäft von der Pike auf und machte sich schon bald strategische Gedanken. „Sie haben damals eher auf das hochpreisige Publikum gesetzt, ich habe mir überlegt, dass man mit niedrigeren Preisen und mehr Gästen erfolgreicher sein könnte.“ Der Student wurde freilich vom Management nicht ernst genommen, also dachte er, warum nicht gleich Unternehmer werden und das Konzept selbst umsetzen.

Jahrelanges Ringen um Anerkennung. Mit Hilfe von Bürgschaften der Familie wurde ein erster Bus gekauft. Doch nun begann ein jahrelanges Tauziehen, ein Ringen der Platzhirsche gegen den unerwünschten neuen Konkurrenten. Im Kurzdurchgang: Erst gab es bei der Oper keine Parkplätze für die roten Busse Borochovs. Er möge doch in Grinzing Gäste transportieren, ließ man ihm ausrichten. Die Zulassung oben offener Busse musste mühsam errungen werden. Dann gab es keine Genehmigung für touristischen Linienverkehr, bei dem man unterwegs Fahrgäste aufnehmen oder absetzen darf. Und schließlich kam es zu einer langen Folge teils hässlicher juristischer Auseinandersetzungen mit der etablierten Konkurrenz, mit gegenseitigen Anschuldigungen, einstweiligen Verfügungen und anderen Freundlichkeiten.
Zeitweise verbündete sich Borochov mit einem Münchener Unternehmen, dann kämpfte er wieder alleine. Einmal war er schon nahe daran zu verkaufen, nur um schuldenfrei aus der Firma wieder herauszukommen. „Damals habe ich mich an ein Wiener Sprichwort erinnert, das ich einmal gehört habe: ‚Das einzige, was man aufgibt, ist einen Brief bei der Post.‘ “ Doch ehe sich der lukrative Spezialmarkt beruhigte und sein Unternehmen in ruhigere Bahnen steuerte, ging noch Borochovs Ehe in die Brüche.
Heute teilen sich drei Anbieter den Markt: Vienna Sightseeing, Big Bus aus England und Borochovs Red Bus. „Wir sind dabei die Kleinsten, haben vielleicht 20 Prozent Marktanteil“, kalkuliert er. Fünf Busse betreibt er selbst, die Konkurrenten 22 bzw. 12. Je nach Saison arbeiten bis zu 20 Angestellte für seine Firma. Aber er rechnet noch mit weiteren Zuzügen: Das Tourismusgeschäft in Wien wachse, es wecke Begehrlichkeiten anderer internationaler Akteure. Auch er selbst bekomme immer wieder Kaufangebote, habe aber kein Interesse aufzuhören, im Gegenteil, ein neuer Bus sei schon bestellt.
Neben der Buslinie betreibt Borochov noch zwei andere kleinere Geschäftsfelder. Er befördert in Limousinen reiche russische Geschäftsleute durch Wien. Und er hat mehrere Andenkenläden „als zweites Standbein“. Ursprünglich dienten die Souvenirshops freilich hauptsächlich dem Verkauf von Red-Bus-Tickets, als ihn die Wiener Hotelportiere noch weitgehend links liegen ließen. Für die nahe Zukunft wälzt er schon weitere Pläne: „Ich kann mir etwa vorstellen, den Transitpassagieren in Schwechat Citytouren anzubieten. Denn wer will schon einige Stunden am Flughafen verbringen und hat dabei von der schönen Stadt nichts gesehen.“

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