Die Lücke vor dem Überfluss

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Israel wird durch seine großen Gasfelder im Mittelmeer für viele Jahre über ausreichend Energie verfügen. Doch sind noch magere Monate durchzustehen. Von Reinhard Engel

Es wird kräftig investiert. Israels Energiebranche ist in einem radikalen Umbruch. Schon hat ein Gasunternehmen mit Namen Dalia den Auftrag für das bisher größte Kombigaskraftwerk des Landes an den französischen Konzern Alstom vergeben: Es soll mit 870 MW so groß sein wie das modernste Kraftwerk des österreichischen Verbund-Konzerns im steirischen Mellach – und etwa so viel Strom erzeugen wie drei Donau-Staustufen zusammen. Wenn es in zwei Jahren ans Netz geht, wird es allein rund sieben Prozent des israelischen Stromverbrauchs abdecken.

Angetrieben werden die mächtigen Turbinen mit Gas aus dem Mittelmeer

Denn ab Ende 2012, Anfang 2013 soll erstmals Gas aus dem neuen Tiefseefeld Tamar fließen, das derzeit erschlossen wird. Und auch andere Investoren setzen schon auf diese neue Energiequelle. Eine ganze Reihe von israelischen Industriefirmen – ob Hadera Papier, Nesher Zement oder die Raffinerie Paz Oil in Ashdod – haben sich bereits Gas aus der künftigen Quelle für ihre eigenen Kraftwerke vertraglich gesichert. Die Firma Edeltech hat mehrere einschlägige Projekte in Arbeit.

Doch bis es soweit ist, drohen noch einige schwierige Monate. Israel kann schon im dritten Quartal 2012 eine ernste Gasknappheit drohen, warnte vor wenigen Wochen Uzi Landau, der Infrastrukturminister. Die Gründe dafür sind folgende: Mehrmals haben in den letzten Monaten Anschläge auf Pipelines am Sinai die Versorgung Israels mit ägyptischem Gas unterbrochen. Und die eigenen Gasfelder im Süden vor der Küste von Ashdod sind beinahe leer. Schon muss gelegentlich auf teures – und schmutzigeres – Heizöl zurückgegriffen werden. Die Konsumenten merkten diese Knappheit ebenfalls schon deutlich in ihren Geldbörsen – innerhalb weniger Monate stieg der Strompreis in Israel um insgesamt 25 Prozent – und die staatliche Israel Electric Company hatte noch mehr gefordert, war aber bei der Regierung abgeblitzt.

Jetzt wird eilig vor der Küste von Hadera ein Terminal zum Import von Flüssiggas errichtet. „Dieser Terminal hat äußerste strategische Bedeutung“, so Minister Landau, „um die kontinuierliche Versorgung der Kraftwerke mit Energie zu sichern“. Der Bau des Terminals – etwa zehn Kilometer vor der Küste – soll noch Mitte 2012 beginnen und schon zu Jahresende fertig sein. Dann können dort Schiffe tiefgekühltes flüssiges Gas entladen – so genanntes LNG, Liquid Natural Gas.

Warten auf den Boom

In wenigen Jahren soll die Situation freilich ganz anders aussehen. Denn neben dem Feld Tamar hat ein amerikanisch-israelisches Konsortium unter dem Meeresboden noch ein deutlich größeres, zweites Gasvorkommen gefunden: Leviathan. Und wenn dieses in bis zu 5.000 Metern Tiefe erschlossen ist, kann sich Israel nicht nur einige Jahrzehnte lang eigenständig mit Energie versorgen, sondern auch kräftig exportieren. Schon werden Pläne für eine schwimmende LNG-Verladestation auf hoher See erarbeitet, von wo aus Tanker das Flüssiggas nach Südkorea transportieren sollen. Und aus einem weiteren Gasfeld, das die Israelis gemeinsam mit Zyprioten erschließen, dem so genannten Block 12, soll in einigen Jahren Gas über Pipelines via Griechenland in Richtung Europa fließen.

Das hat natürlich außenpolitische Auswirkungen. Mit dem Nachbarn Libanon gibt es laufend Dispute über den Verlauf der Grenzen im Meer, denn davon hängt ab, wer welche unterirdischen Schätze für sich selbst nutzen kann. Die Türkei hat kürzlich Zypern gedroht, sie werde es nicht dulden, dass die Südzyprioten allein das Gas für sich beanspruchen, man könne sogar die Marine schicken. Inzwischen hat Israel schon ein Militärabkommen mit Zypern abgeschlossen, es gab bereits gemeinsame Manöver der Luftwaffen.

Und auch für die Beziehungen zu Ägypten sind die Auswirkungen beträchtlich. In einer aktuellen Studie des amerikanischen Congressional Research Service heißt es: „Gas aus den neuen Feldern kann die ägyptischen Importe ersetzen. Das hätte sowohl Vorteile als auch Nachteile für beide Seiten.“ Als Nachteil für Israel nennt die Studie die günstigen Preise der ägyptischen Lieferungen, für die ägyptische Seite das Ende der positiven Auswirkungen der Exporte auf die Handelsbilanz. Demgegenüber bedeutet der Ersatz der ägyptischen Lieferungen auch ein Ende der unsicheren Versorgungslage. In Ägypten wiederum sind diese Lieferungen nicht nur deshalb umstritten, weil sie nach Israel (und nach Jordanien) gehen, sondern wegen der günstigen Konditionen, die die Regierung Mubarak gewährte.

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Es gibt noch andere Vorteile für Israel. Denn aus früheren strategischen Überlegungen dominiert im Land noch immer die Stromerzeugung aus Kohle – trotz Nachrüstung mit Filtern keine wirklich saubere Sache. Branchenkenner gehen davon aus, dass in rund zwei Jahrzehnten die Stromproduktion aus Kohle in Israel weitgehend Vergangenheit sein wird. Und auch Konsumenten wie Unternehmen sollten profitieren. Denn die israelische Regierung erwartet, dass mittelfristig die Strompreise sinken werden.

Freilich darf man sich hier nicht allzu große Hoffnungen machen. Denn die Gasförderung aus großen Tiefen ist sehr teuer, noch sind nicht alle nötigen Finanzierungen aufgestellt. Und dann wird die Frage der Monopolgewinne virulent werden. Denn es ist ein einziges Konsortium – die texanische Noble Energy mit mehreren Unternehmen aus der Delek-Gruppe von Yitzhak Tshuva –, das in beiden Gasfeldern aktiv ist. Schon hat der israelische Regulator gefordert, dass dies entflochten werden muss. Die Anti-Monopol-Behörde fordert, dass die beiden Gasfelder gänzlich unterschiedliche Eigentümer haben sollen. Hier sind noch langwierige Verhandlungen, beinhartes Lobbying und schwierige Entscheidungen zu erwarten.

U-Bahn für Tel Aviv

Nach Jahren der Planung und endlosen Streitigkeiten um die Finanzierung gibt es nun erste Ausschreibungen für zwei Linien der Tel Aviv Light Rail. Von Reinhard Engel

Jetzt wird es ernst. Tel Aviv bekommt nach langen Jahren der Planung endlich eine U-Bahn. Die staatliche Metropolitan Mass Transit System hat mit den ersten Ausschreibungen für zwei Linien begonnen, die rote und die grüne. Dabei geht es um Strecken von je etwa 20 Kilometer, die großteils oberirdisch geführt werden und nur im Zentrum von Tel Aviv unter die Erde verschwinden. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte die israelische Regierung einem jahrelangen Tauziehen mit einem privaten internationalen Errichter-und-Betreiber-Konsortium ein Ende gesetzt und das gesamte Projekt verstaatlicht.

„Die Ausschreibung erfolgt Zug um Zug“, erzählt der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Israel, Christian Lassnig. „Jetzt geht es erst einmal um den Bau selbst, erst später um das rollende Material.“ Ob österreichische Unternehmen mitbieten, kann Lassnig noch nicht sagen, aber grundsätzlich würden die israelischen Baufirmen Hilfe bei Tunnelarbeiten brauchen. In der ursprünglichen Planung des Projekts waren österreichische Firmen bereits involviert. Lassnig bezieht sich dabei auf mögliche Lieferungen von Siemens: „Der rolling stock, sprich Triebwagen und Waggons, hätte ja im ursprünglichen Konsortium von Siemens aus Wien kommen sollen.“ Dieses Konsortium kämpft aber noch in einem heftigen Rechtsstreit mit der israelischen Regierung über allfällige Entschädigungszahlungen wegen des Entzugs der Lizenz. Ob die Streitigkeiten Auswirkungen auf die künftigen Bestellungen haben, weiß derzeit noch niemand.

Die rote Linie der Bahn soll von Petach Tikwa im Landesinneren über Bnei Brak, Ramat Gan, Tel Aviv und Jaffa bis Bat Yam im Südwesten der Großstadt führen. Mit dieser Linie wird auch bereits der Flughafen Ben Gurion angebunden. Die grüne Linie wird zunächst Rishon LeZion im Süden über Holon an das Zentrum von Tel Aviv anschließen und später nach Nord-Tel-Aviv verlängert werden. Als Zeitpunkt der Fertigstellung wird für die rote Linie 2017 angegeben, für die grüne 2020.

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