Die Schwedin, der Deutsche und das Land, das sie voneinander trennt

Nahezu zeitgleich waren die Aktivistin Greta Thunberg und der Schauspieler Oliver Marsucci in Israel. Doch während sie versuchte, sich medienwirksam abführen zu lassen, genoss er seinen neuerlichen Aufenthalt und präsentierte seine aktuelle Serien-Rolle in The German.

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Oliver Masucci (56) in The German. Die israelische Serie lief vor wenigen Wochen an. © 123RF; fernsehserien.de/the-german/ Ran Mendelson

Unterschiedlicher hätten die beiden Stars nicht sein können, sie sind Anfang Juni zur selben Zeit in Israel eingetroffen: Greta Thunberg und Oliver Marsucci. Erstere natürlich gänzlich unfreiwillig, weil sie ja eigentlich mit der „Madleen“ nach Gaza segeln wollte. Als Überraschung kam die Umleitung nicht. Die 22-jährige Schwedin wusste genauso gut wie die elf weiteren Besatzungsmitglieder, dass die „Selfie-Yacht“, wie man das Schiff in Israel nannte, rechtzeitig abgefangen werden würde. Aber es ging ja eigentlich eh nur um Aufmerksamkeit. Und die hat sie weltweit bekommen. Auf Instagram, Tiktok, Telegram, Facebook, im Fernsehen und in den Zeitungen. Endlich war da einmal eine etwas andere Geschichte, eine, die sich auch medienmäßig gut erzählen und zeigen ließ.

Und so wurde überall ausführlich darüber berichtet, wie ist die Klimaschutzikone, die in früheren Zeiten auch viele Israelis für ihren Kampfgeist bewunderten, zum Hafen in Ashdod gebracht wurde, nachdem Kampftaucher von der Schajetet 13 die „Madleen“ wie erwartet in Beschlag genommen hatten. „Wir wurden von der israelischen Armee gekidnappt“, sagte sie daraufhin in einem Video für die sozialen Medien. Dass sie tatsächlich „gekidnappt“ gesagt hat, blieb dann wohl auch dem letzten verbliebenen Fan im Hals stecken. Was für ein Statement, nachdem sie bei all ihren Solidaritätsauftritten mit den Palästinensern seit dem 7. Oktober noch nie ein Wort über die Geiseln in den Tunneln in Gaza verloren hatte.

Aber es ging ja eigentlich eh nur um Aufmerksamkeit.
Und die hat sie weltweit bekommen.

 

Auch das allerdings klingt nach Strategie. Denn wer das Schiff auf den Weg brachte, ebenso wie Gretas Reisegefährten, das sind Aktivisten, die keinen Hehl aus ihren Sympathien für die Hamas und die Hisbollah gemacht haben. Einer von ihnen war sogar zu Hassan Nasrallahs Beerdigung gereist. Die Segelfahrt war von der Freedom Flotilla International Coalition organisiert worden, die bereits in den vergangenen Jahren immer wieder versuchte, Schiffe nach Gaza zu schicken. Ihr gehören Palästinenser an, die in Großbritannien leben und dort als Gastgeber zu Veranstaltungen mit dem Thema „Understandig Hamas“ eingeladen haben. Man will das Narrativ beherrschen.

Kein Wunder, dass die Crew um Greta die Video Compilation mit den von der Hamas selbst gefilmtem Gräueltaten, das ihnen auf Weisung des Verteidigungsministers nach ihrer Ankunft in Israel zur Verfügung stand, lieber nicht sehen wollten. Immerhin ging die ganze Sache am Ende glimpflich über die Bühne. Anders als 2010, als auf der „Mavi Mamara“ – von denselben Organisatoren damals in Istanbul auf den Weg gebracht – heftige Kämpfe zwischen den israelischen Soldaten und den Aktivisten an Bord ausbrachen. Neun Passagiere starben, zehn israelische Soldaten wurden verletzt. In einem UN-Untersuchungsbericht war Israel damals wegen „exzessiver Gewalt“ kritisiert worden, nicht aber wegen der Seeblockade.

Szenenwechsel. Während Greta Thunberg also zumindest in Richtung Gaza segelte, hat man im Auditorium der Sam-Spiegel-Filmschule in Jerusalem einen ganz anderen Star empfangen, nämlich den deutsch-italienischen Schauspieler Oliver Marsucci, international am besten bekannt für seine Hauptrolle als Adolf Hitler in der Verfilmung der Romansatire Er ist wieder da. In Israel kennt man ihn vermutlich noch mehr, weil er in der Netflix-Serie Dark mitgespielt hat – jener Thriller, der Deutschland 2017 im Zeitalter von Streaming mit auf die globale Karte gesetzt hatte.

Angst hatte er in Tel Aviv nie,
obwohl
Raketenalarm zum Alltag
gehörte.

 

Da stand er also, der 47-jährige Masucci, und freute sich, dass er wieder zurück in Israel war. Ein Mikrofon brauchte er nicht wirklich, er weiß, dass seine Stimme trägt. „Ich habe oft genug in meinem Leben auf der Bühne gestanden“, sagte er. Mehrere Jahre lang auch als Schauspieler am Wiener Burgtheater. In Jerusalem aber drehte sich alles um seine Hauptrolle in der neuen israelischen Fernsehserie The German, eine Produktion der Yes Studios, die vor wenigen Wochen angelaufen ist.

Der Plot ist schnell erzählt und beinhaltet alles, was man in so einem Fall erwartet: Alte Nazis und israelische Spione, die ihnen nachspüren, sowie Shoah-Überlebende, die nicht viel von ihrer Vergangenheit erzählen wollen. Marsucci spielt einen solchen Überlebenden, der mit seiner Familie im Kibbuz lebt. Doch (und hier kommt der Spoiler) ist er in Wirklichkeit gar keiner, sondern hat sich eine neue Identität zugelegt, um seiner eigenen Nazi-Vergangenheit zu entkommen. Das Thema „Identität“ habe ihn immer schon fasziniert, sagte Drehbuchautor Moshe Zonder, der zum Gespräch auch mit auf die Bühne gekommen war.

Für seine Rolle musste Oliver Marsucci Hebräisch lernen. In drei Monaten hat er das ziemlich gut hinbekommen. Er habe immer jeweils drei Tage gebraucht, um Dialoge sprachlich zu verinnerlichen, sagte er. Nur als der Regisseur dann einmal bei den Dreharbeiten, er war gerade in Tel Aviv angekommen, kurzfristig beschlossen hatte, eine lange Schlussszene vorzuziehen, sei er völlig überrumpelt gewesen. Zu viel „balagan“, also Chaos, nannte er das. Aber am Ende ging es dann insgesamt ziemlich schnell voran. Dass er nach dem 7. Oktober in Israel gedreht hat und manchmal auch vom Strand Bilder postete, das kam bei seinen deutschen Fans nicht gut an. „Jeder Instagram- Post hat mich 5.000 Followers gekostet.“

Angst hatte er in Tel Aviv nie, obwohl Raketenalarm zum Alltag gehörte. Erst als er einmal kurzfristig zu anderen Dreharbeiten in die VAE musste und einen Blick von außen auf Israel warf, sei ihm die akute Lage bewusst geworden. „Da waren dann allerdings auch die iranischen Raketen gerade unterwegs gewesen.“

Bei diesem jüngsten Aufenthalt ging es vor allem ums Freundschaften Pflegen. Dazu gehört auch der Besuch eines Konzerts von Shlomo Artzi. Mit dem Popsänger hat Marsucci auch schon abendgegessen. Geblieben ist ein Lied, das er nun auf Hebräisch singen kann.

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