Mit einem breit gefächerten Maßnahmenbündel will die Regierung in Österreich Antisemitismus entgegenwirken. Ansatzpunkte reichen dabei von Bewusstseinsbildung im Bereich Bildung, Ausbildung und Forschung, aber auch im Rahmen der Integration etwa von Geflüchteten, über den Schutz jüdischer Gemeinden und Einrichtungen bis zu effektiver Strafverfolgung und der Vereinheitlichung der Dokumentation von Antisemitismus in Europa.
Ein Ausgangspunkt für immer neue Anfeindungen und Verwerfungen gegen Jüdinnen und Juden ist dort zu finden, wo Verschwörungstheorien propagiert werden, wo Sündenböcke und Drahtzieher gesucht werden und wo Gewaltfantasien und Aufforderungen zur Gewalt ergehen. Werner Kogler, Vizekanzler
Konkret stehen ab sofort vier Millionen Euro für den Schutz jüdischer Einrichtungen zur Verfügung. Insgesamt soll das jüdische Kultur- und Gemeindeleben gestärkt werden. Prävention in Form von Schulungen in den verschiedensten Bereichen – etwa an Schulen, im Integrationsbereich, von Multiplikatoren, in den Sicherheitsbehörden – wird groß geschrieben und massiv intensiviert. Für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte wird beispielsweise Antisemitismus Teil des Themenkatalogs der Wertekurse.
Ein Zentrum für Antisemitismusforschung und eine Antisemitismusdokumentationsstelle sollen eingerichtet werden. Geplant ist auch die Durchführung einer vertiefenden Studie zu Antisemitismus im Kontext von Migration und Integration. Eine Plattform wird künftig eine gesamtgesellschaftliche Abstimmung zwischen Bund, Ländern, Gemeinden sowie verschiedensten NGOs, Sport- und Jugendorganisationen, Kirchen und der Israelitischen Religionsgesellschaft vornehmen, um jeweils die aktuelle Situation und Lösungsmöglichkeiten zu erörtern. Das Verbotsgesetz, das Symbolegesetz und das Abzeichengesetz sollen evaluiert und bei Bedarf ebenfalls überarbeitet werden.
Der Kampf gegen Antisemitismus muss mit allen Mitteln des Rechtsstaates geführt werden, kann letztlich jedoch nur durch Sensibilisierung und vor allem das tatkräftige Engagement und die Zivilcourage jeder und jedes Einzelnen gewonnen werden. Dass nach der Schoah in Österreich wieder jüdisches Leben sichtbarer und untrennbarer Bestandteil des offenen und vielfältigen Stadtbildes nicht nur in unserer Hauptstadt ist, war und ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist ein kleines Wunder. Oskar Deutsch, IKG-Präsident
Proaktive Herangehensweise. All diese Maßnahmen sollen präventiv und reaktiv wirken, heißt es in dem Strategiepapier, und würden dazu dienen, bestmöglich Sicherheit für Jüdinnen und Juden in der Gesellschaft zu gewährleisten. „Antisemitische Agitationen, Übergriffe und Angriffe in der analogen und virtuellen Welt müssen in Zukunft verhindert und jedenfalls wirksam bekämpft werden. Es soll angemessen auf Antisemitismus reagiert, Opfer entsprechend unterstützt und die Analyse und Sammlung antisemitischer Straftaten sowie von Hasskriminalität sichergestellt werden.“
Es gelte aber auch zu verhindern, dass in der österreichischen Gesellschaft Antisemitismus, aus welcher Richtung auch immer, überhaupt verbreitet werde. Daher sei Präventionsarbeit wichtig. „Jüdisches Leben soll sich frei von Angst und Bedrohungen entfalten können“, wird als Ziel formuliert.
In einer immer komplexer werdenden Welt mit hybriden Bedrohungen und Herausforderungen wächst der Wunsch vieler Menschen nach scheinbar einfachen Antworten. Diese können aber auch gefährlich sein. Denn immer wieder finden wir in diesen Antworten auch solche, die sich gegen das Judentum richten. Nicht zuletzt in Zeiten der Pandemie breiten sich antisemitische Verschwörungserzählungen besonders rasch aus. Karoline Edtstadler, EU-Ministerin
Antisemitismus, Extremismus, Radikalisierung und Terrorismus effektiv den Nährboden zu entziehen, das könnten die Strafverfolgungsbehörden jedenfalls nicht alleine leisten. Erforderlich sei daher ein Zusammenwirken von Akteuren „auf der Grundlage einer proaktiven, gesellschaftlichen Herangehensweise“. Genau da setzen viele der nun in der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus verankerten Maßnahmen an.