Die WIZO-History als Her-Story

Hava und Rita − zwei WIZO-Aktivistinnen im Dialog.

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Photo by Katherine Hanlon on Unsplash

Wege zur WIZO

Rita Dauber: Eigentlich bin ich ja mit WIZO aufgewachsen. Schon meine Mutter war bei der WIZO, und ich kann mich gut an Kostümfeste in der legendären CasaNova-Bar erinnern. Als junge berufstätige Mutter war ich eher nur passiv dabei, aber alle meine Freundinnen waren in der WIZO. Bei meiner Scheidung in Israel vor dem Rabbinatsgericht habe ich erlebt, wie Frauen verzweifelt in den Gängen gesessen sind und von WIZO-Frauen begleitet wurden, die ihnen Rechtsbeistand gegeben haben. Ich habe das fantastisch empfunden und mir damals gedacht, sollte ich je genügend Zeit haben, um ehrenamtlich tätig zu sein, würde ich die WIZO unterstützen. Als die Kinder aus dem Haus waren und ich auch beruflich nicht mehr so belastet war, habe ich es quasi als Pflichterfüllung angesehen, mich mehr zu engagieren.
Dr. Hava Bugajer: Ich komme ja aus Israel und habe die WIZO zwar von dort gekannt, war aber nicht dabei. Als ich 1971 nach Wien kam, habe ich sehr hart im AKH gearbeitet und hatte keine Zeit für sonntägliche Jausen. Im Jahr 2000 hat mich dann Rita angesprochen, ob ich nicht für den Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Huldai, der Wien besuchte, ein Event bei mir daheim machen könnte. Immer wieder wollte man mich dann überreden, die Präsidentschaft zu übernehmen, aber erstens habe ich zwei Ambulatorien und mehr als genug zu tun. Außerdem, sagte ich, ich kann nicht kochen, ich kann nicht backen, und ich gehe nicht ins Kaffeehaus. Frauen, die auf eigenen Beinen stehen, die selbstständig sind, vielleicht Akademikerinnen, jedenfalls berufstätig, die wissen, was sie wollen und das auch teilen wollen, das würde mir entsprechen. Dann mach’ das, wurde mir gesagt. Als ich schließlich 2004 Rita auf eine große WIZO-Welttagung nach Israel begleitete, war ich sehr beeindruckt, denn das sind richtige Power-Frauen! Erst dann war ich bereit und wurde einstimmig als Präsidentin gewählt. Ich war auch die einzige Kandidatin. Rita wollte ja nicht, sie ist aber die Chefin, die graue Eminenz. Dann kam eine jüngere Generation dazu, was mich freut. Ich habe jetzt auch eine 19-Jährige rekrutiert. Ich glaube, das Alter spielt keine Rolle. Man soll die Frauen nehmen, wann man sie bekommen kann. Manche Junge gehen dann weg, machen Karriere, bekommen Kinder, aber sie werden zurückkommen.

»Ich habe das fantastisch empfunden
und mir damals gedacht,
sollte ich je genügend Zeit haben,
um ehrenamtlich tätig zu sein,
würde ich die WIZO unterstützen.«

Rita Dauber

Feminismus und Charity

Hava: WIZO steht für volle Gleichberechtigung der Frauen, wir werden aber auch von Ehemännern unterstützt, das nennt sich MIZO. Wir sind keine kämpferischen Feministinnen und auch nicht gegen die Männer, sondern möchten zusammenarbeiten. WIZO ist am Zionismus gewachsen, um als gleichwertiger Partner in der Gesellschaft einen Beitrag zu leisten. WIZO-Frauen gehörten nie zu diesen Salon-Charity-Damen der feinen Gesellschaft, und sie wollten sich auch nicht assimilieren. Aber um Mädchen in den 1930er-Jahren nach Palästina zu bringen, brauchte man natürlich Geld, darüber hinaus auch Durchsetzungskraft und Organisation. Nach der Gründung Israels musste man den Staat unterstützen, und da bekam die Charity einen höheren Stellenwert.
Rita: Die Formen der WIZO-Charity haben sich im Lauf unserer Lebenszeit stark verändert, weg vom Häkeln, Kuchenbacken und den Jausen. Das war ja das Image im Nachkriegsösterreich, weil es früher meist nicht berufstätige Frauen waren, Hausfrauen eben.
Hava: Ich habe bei unseren jährlichen Events wie Sponsor a Child auf interessante internationale Vortragende gesetzt, Politiker, Journalisten, Künstler, Leute, die etwas zu sagen und auch einen gewissen Ruf haben, damit auch die Männer zu den Events kommen. Auch haben wir glanzvolle Locations wie die Postsparkasse oder das Palais Epstein gesucht, wir wollten eben ein gewisses Format und ein höheres Niveau erreichen.

UNO-Präsenz

Hava: In der UNO ist die WIZO seit 1960 als NGO anerkannt, sie hat konsultativen Status, und wir können Statements verfassen und einreichen. Unsere UNO-Präsenz hat aber mehrere Aspekte. Erstens müssen wir auch als Gegengewicht zum wachsenden arabischen Fundamentalismus präsent sein, und weil wir weniger sind, müssen wir lauter sein, d. h. interessantere Themen und Sprecher bringen, um zu zeigen, es zahlt sich aus, mit uns zusammenzuarbeiten. Weiters bringt das internationale Beziehungen, Network, und das wiederum einen Status. Das ist eine mühsame Arbeit, aber es kommt zurück.
Rita: Das große Verdienst von Hava ist, dass sie vor allem durch ihre aktive Tätigkeit bei der UNO internationalen Kontakte hat und diese auch pflegt, sonst bekommt man solche Leute für unsere Veranstaltungen nicht.

»Für mich ist die Ausstellung wichtig,
um zu dokumentieren, welche Power-Frauen da tätig waren, auch als Role Models, um vielleicht andere zu motivieren, auch bei WIZO mitzumachen.«
Hava Bugajer

Zionismus

Hava: Wenn ich mich jemandem vorstelle, der mich noch nicht kennt, sage ich nie WIZO, sondern immer Women’s International Zionist Organisation, damit das Wort zionistisch schon vorkommt. Und wenn wir dann etwas Gutes machen, identifiziert man das mit Zionismus. Es ist aber eine schwere Aufgabe, denn natürlich gibt es einige, die mit zionistischen Organisationen gar nicht reden, aber auch solche, die hören wollen. Die meisten sind ja gar nicht informiert. Und wenn sie merken, wir sprechen die gleiche Sprache und haben die gleichen Interessen, sehen sie vielleicht auch, dass die Zionisten keine Teufel sind. Wir sind als WIZO nicht nur Fundraiser, sondern auch Botschafterinnen von Israel in der Zivilbevölkerung.
Rita: Wir legen sehr viel Wert darauf, dass wir ein zionistischer Verein sind. WIZO bietet jüdischen Frauen die Möglichkeit, über die Medien hinaus Informationen und ein differenzierteres Bild von Israel zu erhalten und sich zu engagieren. Wenn ich mit Leuten konfrontiert werde, die mir als Zionistin mit ein bisschen Sarkasmus begegnen, sage ich immer, es geht in Israel nicht um rechte oder linke Ideologien, sondern es wird derjenige gewählt, von dem man sich die meiste Sicherheit erwartet. Dann beginnen sich Leute vielleicht etwa zu überlegen, was ihnen vorher gar nicht in den Sinn gekommen ist. Das heißt, die WIZO hat auch eine aufklärerische Funktion.

Zur Ausstellung Herzls Töchter

Rita: Der WIZO wurde vor vielen Jahren ein Karton mit dem Nachlass von Mizzi Mirjam Pollak übergeben, die 1925 die JUNG-WIZO Mirjam in Wien gegründet hat und in der Schoah umgekommen ist. Ihr Großneffe Peter Waldmann, der als Kind nach England emigriert war, hat ihr Andenken und ihren Nachlass bewahrt. Dieses Material, Fotos, Aufzeichnungen, Briefe, haben Kathi Nagler-Kracher s. A. und ich übernommen und uns lange überlegt, was wir damit machen könnten. Natürlich hat uns die Geschichte interessiert, und als das Staatsarchiv 50 Jahre nach dem Krieg geöffnet wurde, haben wir uns die dort vorhandenen Unterlagen über die WIZO ausheben lassen. Wir wussten ja gar nicht, was die WIZO vor dem Krieg hier geleistet hatte. Wir wollten das Material wissenschaftlich aufarbeiten lassen, was dann das Ehepaar Dieter und Louise Hecht mit finanzieller Unterstützung des Zukunftsfonds gemacht hat. Schließlich kam von Seiten des Jüdischen Museums die Idee, darüber auch eine Ausstellung zu machen. Dabei wurde das ganze Umfeld samt Materialien des IKG-Archivs integriert und natürlich auch Dokumente und Fotos aus unserem eigenen WIZO-Archiv, die wir über Jahrzehnte gesammelt haben. Mir war wichtig, all das einmal aufzuarbeiten, die Geschichte von den Anfängen zu erzählen und damit diesen Frauen in irgendeiner Form ein Denkmal zu setzen. Denn wenn wir das nicht machen, wird das nie wieder geschehen. Das waren ja wirklich beeindruckende Frauen und Schicksale. Und wenn ich mir die Fotos von Margit Dobronyi bis in die 1990er-Jahre ansehe, war das auch Teil meiner Jugend und der Nachkriegsgeschichte der jüdischen Gemeinde. Darüber hinaus sollte auch gezeigt werden, was wir und unser Team in den letzten 20 Jahren geleistet haben.
Hava: Für mich ist die Ausstellung wichtig, um zu dokumentieren, welche Power-Frauen da tätig waren, auch als Role Models, um vielleicht andere zu motivieren, auch bei WIZO mitzumachen. Unser Team besteht aus Frauen aus verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen, und jede kann das einbringen, was sie am besten kann, Kontakte und Know-how. Frauen, die unsere Ziele solidarisch teilen wollen und ihre Fähigkeiten und Mittel einbringen, damit wir unsere sozialen Projekte für Kinder und Frauen in Israel weiterführen können und es in 100 Jahren vielleicht noch eine Ausstellung gibt.
Rita: Wir leben in einem Zeitalter der Globalisierung, und da ist es wichtig, ein gutes internationales Netzwerk aufzubauen. Und ich glaube, dass die WIZO ein ideales Instrument dafür ist. Ich sage immer, die haben das erfunden. Schon 1920 gab es bei der WIZO internationale Vernetzungen, und die Zionisten-Kongresse waren überhaupt die ersten, die Frauen zugelassen haben. Die WIZO-Story ist die Geschichte einer großartigen Frauenbewegung, die einzigartig ist. Und das wollten wir zeigen.

Lese auch: „Herzls Töchter. Wiener Frauen für Israel“ – eine Ausstellung im Jüdischen Museum Wien soll 100 Jahre WIZO-Geschichte spiegeln.

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