Drohnen für Kaschmir

Israels Wirtschaftsbeziehungen mit Indien werden immer enger. Dabei spielen militärische Lieferungen eine wichtige Rolle.

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Israels Premier Benjamin Netanjahu und sein indischer Berufskollege Narenda Modi bei einem Arbeitstreffen im Juli dieses Jahres. © flash90/Government Press Office

Es war nicht nur ein Besuch mit hohem politischem Symbolgehalt. Als der indische Ministerpräsident Narendra Modi im Sommer als erster Regierungschef seines Landes nach Israel reiste, war seine Delegation mit 100 Topmanagern und Unternehmern großer Konzerne mehr als dicht gepackt. Hochrangig vertreten waren unter anderem
> der IT-Riese Wipro aus Bangalore,
> Indiens größte Privatunternehmen, der Mischkonzern Reliance mit Aktivitäten von Petrochemie über Textil bis zu Solartechnologie und Pharmazeutik,
> die Adani Group, spezialisiert auf Rohstoffe und Energieerzeugung,
> das Industriekonglomerat Tata, das nicht nur Autos erzeugt, sondern auch in der Metallverarbeitung, Telekommunikation, bei Software oder im Tourismus aktiv ist,
> die Jain Group, die Bauunternehmen, Stahlwerke und Immobilienentwickler betreibt,
> Infosys aus Bangalore, ein weiterer weltweit renommierter IT-Konzern, und
> Mahindra, ein Hersteller von leichten Nutzfahrzeugen, Traktoren sowie gepanzerten Militärjeeps.
Nicht für alle Spitzenmanager dieser indischen Großfirmen war Israel eine gänzlich neue Destination. Einige haben schon in den letzten Jahren im Großraum Tel Aviv Unternehmen übernommen oder Beteiligungen gekauft, aus ganz ähnlichen Gründen wie multinationale Konzerne aus den USA oder aus Europa: um sich mit den brillanten Köpfen der lokalen Hightechunternehmen profitabel auszutauschen. So hatte etwa Tata bereits 2013 in ein Technologietransferzentrum der Tel Aviv University investiert. Infosys übernahm vor zwei Jahren den in Schwierigkeiten geratenen israelischen Cloud-Spezialisten Panaya, immerhin um 200 Mio. Dollar. Und der IT-Arm von Mahindra betreibt gemeinsam mit dem israelischen Unternehmen Comverse ein Forschungs- und Entwicklungszentrum.

Warenstruktur neu geordnet. Der geballte Auftritt indischer Wirtschaftsmacht im Tross des Ministerpräsidenten war aber vor allem Ausdruck des in den letzten Jahren kräftig gestiegenen bilateralen Handels. Dieser machte im Vorjahr mehr als 4.000 Mrd. Dollar aus, das bedeutet trotz eines leichten Rückgangs gegenüber 2015 innerhalb der letzten Dekade eine Steigerung von 60 Prozent. Indien ist Israels neuntgrößter Exportmarkt, in Asien sind nur Ausfuhren nach China noch wichtiger.
Dabei hat sich die Struktur der ausgetauschten Waren doch deutlich gewandelt. Dominierten einst – in beide Richtungen – Edelsteine als Rohmaterial für die Schleifereien und die Diamantenbörse in Ramat Gan, so liegen heute vor allem Hightechprodukte und Rüstungsgüter ganz vorne. Allein im Vorjahr lieferte Israel Waffen und militärische Ausrüstungen für 600 Mio. Dollar. Damit ist Indien der wichtigste Einzelmarkt der Branche, Israel wiederum rangiert – abhängig von einzelnen Großaufträgen – jeweils zwischen Platz zwei und vier unter den Lieferanten der indischen Armee. Russland dominiert traditionell, daneben haben auch die Franzosen vor allem mit Kampfjets immer wieder groß gepunktet.
Über die letzten Jahre konnte die israelische Waffenindustrie in Indien eine wahre Erfolgsstory schreiben. Die – teils diskreten – Lieferbeziehungen sind übrigens älter als der Austausch von Botschaftern (siehe unten den Kasten „Gemeinsame Gegner“). Allein in den letzten 20 Jahren verkauften die Israelis etwa folgende technologisch anspruchsvollen Systeme, und meist war der Anlass die entsprechende Aufrüstung der lokalen Rivalen Pakistan und China.
Einige Beispiele:
> Die ersten Aufklärungsdrohnen aus israelischer Produktion nahm die indische Luftwaffe bereits 1996 in Betrieb. Bald darauf führte IAI (Israel Aerospace Industries) eine elektronische Kampfwertsteigerung der schon etwas in die Jahre gekommenen russischen Mig-21-Jets durch.
> Schon im folgenden Jahr orderte Indien Flugabwehrraketen vom Typ Barak 1.
> Wenige Jahre später ließ Indien wiederum russische Transportmaschinen von Israel mit AWACS-Technik zu fliegenden Radarstationen umbauen. Weitere Drohnenbestellungen folgten.
> Im Jahr 2007 schlossen Indien und Israel den bis dahin größten Einzelvertrag über die Lieferung eines umfassenden Luftabwehrsystems für Air Force und Marine ab. Dabei ging es um ein Volumen von 2,5 Mrd. Dollar.
> 2011 kaufte Indien Panzerabwehrsysteme, mehr als 300 Abschussplattformen und über 8.000 Raketen.
> 2015 gab es wiederum Drohnenkäufe und zusätzliche AWACS-Bestellungen.
Aber Israel war in all diesen Jahren nicht bloß Lieferant, sein Militär profitierte auch selbst von den guten Beziehungen zu Indien. Vor allem darf es indische Häfen für seine Kriegsschiffe nutzen, es gibt enge Kontakte zwischen den beiden Admiralitäten, auch fanden bereits Raketentest israelischer U-Boote im indischen Ozean statt. Darüber hinaus arbeiten die Geheimdienste zusammen, unter anderem was pakistanische Aktivitäten in anderen arabischen Ländern betrifft. Kooperiert wird auch auf dem Gebiet der Raumfahrt, Israel hat von Indien aus Satelliten gestartet bzw. sich an gemeinsamen Starts beteiligt.

Allein im Vorjahr lieferte Israel Waffen und militärische Ausrüstungen für 600 Mio. Dollar nach Indien.

Im zivilen Sektor betrifft der Handel vor allem Agrartechnik, etwa Bewässerungsanlagen und Pumpen, Medizintechnik und IT. In manchen dieser Bereiche gibt es zwar in Indien eine enorme Nachfrage, aber nicht unbedingt genug Investitionsmittel, um die teils teuren israelischen Techlösungen zu kaufen. Daher hat die Israel Innovation Authority (einst das Büro des Chief Scientists) ein Programm eingerichtet, das israelische Unternehmen dabei unterstützen soll, für Indien günstigere Lösungen auf Basis existierender Hightechprodukte zu entwickeln.

Gemeinsame Gegner
Indien und Israel waren nicht immer Freunde. Indien stimmte 1947 gegen den Teilungsplan von Palästina und zwei Jahre später gegen die Aufnahme Israels in die UN. Zwar folgte die Anerkennung des jüdischen Staates durch Delhi im Jahr 1950, doch Botschafter tauschte man erst mehr als 40 Jahre später aus. Für Indiens Haltung waren als innenpolitische Motivation die Muslime im eigenen Land ausschlaggebend, außenpolitisch die Absicht, vor allem gute Beziehungen zu den arabischen Ländern zu unterhalten.
Doch hinter den Kulissen hatte sich schon bald eine – informelle – Annäherung entwickelt, nicht zuletzt aus der Definition gemeinsamer Gegner, etwa Pakistans. Die ersten Waffenlieferungen erhielt Indien von Israel für seinen Krieg gegen China 1962. Ben Gurion gab diese übrigens erst frei, als Indien nicht mehr darauf bestand, dass die Transporte in neutralen Flugzeugen ohne israelische Hoheitsabzeichen erfolgen sollten. Ein nächster großer Sprung strategischer Zusammenarbeit erfolgte 1971 anlässlich des Kriegs gegen Pakistan, so die Website India Today in einem Rückblick. Damals hatte Israel zwar nicht genug Munition und Geräte auf Halde, entschied sich aber spontan dafür, Material, das eigentlich für den Iran des Schah vorbereitet gewesen war, nach Indien umzuleiten.
Ab 1992 gab es zwar offizielle diplomatische Beziehungen, doch Indien bestand lange Jahre auf einer Balancepolitik zwischen Israel und den Palästinensern. Erst in den letzten Jahren änderte sich diese Haltung zunächst graduell, dann deutlicher. Bei einigen Abstimmungen in internationalen Gremien scherte Indien aus den Reihen der Israel-Kritiker aus. Auch bei seinem Besuch im Juli 2017 brach Ministerpräsident Modi mit der Tradition früherer Reisen indischer Politiker nach Jerusalem, stets erst mit Israelis und gleich danach mit palästinensischen Vertretern in Ramallah zu sprechen. Sein Besuch galt diesmal exklusiv Israel.

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