DURCH ZEIT & RAUM SCHWINGEN

Es gibt immer ein erstes Mal – aber auch ein letztes. In dieser Ausgabe gedenkt Choreografin Rose Breuss dem Hüftschwung ihrer Mutter und Männern, die schwer in Takt sind.

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© Andreas Kurz

Rose Breuss, gebürtige Vorarlbergerin, studierte Tanz und Bewegung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien und der Temple University in Philadelphia. Die renommierte Choreografin und Tanzwissenschaftlerin arbeitete für internationale Festivals und Institutionen, leitete das Institute for Dance Arts in Linz und war als Universitätsprofessorin tätig. Gemeinsam mit der zeitgenössische Tanzkompanie Cie Of(f) Verticality und dem Puppenspieler Christoph Bochdansky bringt sie fragments out of time auf die Bühne. Das Stück über unterschiedlichste menschliche Zustände – etwa Wahn, Einsamkeit oder Habgier – lehnt sich an ein jüdisches bzw. exiliertes Tanzrepertoire an und setzt die Tanzkultur von u. a. Gertrud Bodenwieser und Grete Wiesenthal fort. 11., 12., 24. Jänner & 25. Februar 2025, 20 Uhr, Theater Nestroyhof Hamakom
hamakom.at

 

 

Das letzte Mal,

dass mich ein persönliches „fragment out of time“ beschäftigt hat, war …
Als ich anfing, das Buch der jüdischen Philosophin Helène Cixous mit dem Titel
Meine Homère ist tot zu lesen, dachte ich an den wundervollen Hüftschwung meiner Mutter, als sie einmal aus dem Auto ausstieg. Wir waren eigentlich ziemlich in Eile. Die Bewegung schien mir wie ein fragment out of time, weil sie ohne gezielte Berechnung eines Effektes ausgeführt war.

Das letzte Mal, dass ich etwas Neues über jüdische Tanzkultur erfahren habe, war …
am letzten Wochenende in Prag. Ich war zu einer Konferenz mit dem Titel Choreology, Past and Present eingeladen. Die Tanzwissenschaftlerin Dorota Gremlicová berichtete über die Tänzerin Gertruda Bodenwieserova, die am Deutschen Theater in den 1930er-Jahren sehr erfolgreiche Gastspiele gab. Gertrud Bodenwieser war Jüdin und eine der Ikonen des österreichischen Ausdruckstanzes.

Das letzte Mal, dass mich etwas aus dem Takt gebracht hat, war, …
als ein Blumentrog von unserem Balkon entfernt werden musste, der – so die Vermutung – einen Wasserschaden verursachte und der sich als fast unbesiegbarer Koloss aus Stahlbeton entpuppte. Es kamen zwei Trupps, zuerst jüngere Männer mit kleinen Maschinen, dann erfahrene Männer mit schweren Maschinen. Sehr schwerer Takt!

Das letzte Mal, dass mir das Tanzen/Bewegung geholfen hat, war …
heute. Ich lese gerade die Partitur eines Tanzes mit dem Titel Der gefangene Vogel von
Sigurd Leeder. Das Schweizer Tanzarchiv in Lausanne hat mich den Tanz kopieren lassen. Lesen heißt, mit den Blättern in der Hand die Bewegungen auszuprobieren. Manchmal lese ich absichtlich falsch, und die Bewegungen helfen mir, neue choreografische Ideen
zu finden.

Das letzte Mal, dass ich durch die Nacht getanzt bin, war, …
als ich in Wales bei einer Hochzeit eingeladen war. Freunde von uns haben einen Sohn, der in London studiert und glücklich geheiratet hat. Mein Mann Christoph Bochdansky und ich haben sehr vergnügt getanzt – wir schwingen uns gerne durch den Raum und simulieren stilistische Bewegungen. Wir wurden dann mit dem Attribut „jazzy couple“ versehen.

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