Editorial

„COVID-19 ist wie der Aufenthalt in einer Entzugsklinik, durch den ein suchtkranker Mensch aus seiner Alltagsnormalität gerissen wird. Indem eine Gewohnheit unterbrochen wird, wird sie sichtbar gemacht. Damit wird sie von einem Zwang zu einer Entscheidung.“ Charles Eisenstein

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Glückliche Menschen brauchen weniger Konsum und mehr Gemütlichkeit. © Science Photo Library / picturedesk.com

Haben wir nicht alle die leise Hoffnung gehabt, dass 2021 zu Ende gehen wird wie ein Jahr zu Ende gehen muss: Freunde, Feiern und viele gute Vorsätze. Kein Impfstoff, keine Lockdowns konnten das alte „Normal“ wieder herstellen. Es sind noch keine zwei Jahre, seit COVID-19 unsere Welt völlig durcheinander brachte, und doch wirken Bilder von Großveranstaltungen, Massenkonzerte und Flughafenstaus wie aus einem anderen Jahrzehnt. Und dieses Durcheinander erfasst alle Bereiche unseres Lebens. Politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Umbrüche bringen unser Vertrauen in die Zukunft ins Wanken. Und ja, all das macht mit uns allen etwas. Als ob wir uns in einem Vakuum zwischen zwei Menschheitsgeschichten befänden. Das alte „Normal“ ist vermutlich unwiederruflich vorbei, das neue hat noch nicht begonnen.

Und das wäre dann auch die Chance, die wir, die gemerkt haben, dass das „Normale“ doch nicht so normal war, dass das Immer-mehr, Immer-höher, Immer-schneller uns nicht nach vorne, sondern nur immer näher an den Abgrund treibt, ergreifen sollten. Denn die neue Geschichte können wir noch mitschreiben und miterzählen. Wir können Qualität statt Quantität, Müßigang statt Speeddating, Landpartie statt Weltreise wählen um unsere Lebensqualität zu steigern. Denn glückliche und zufriedene Menschen brauchen weniger Konsum um die Leere des Unglücklichseins zu stopfen. Wir können weniger Fleisch und mehr Secondhand kaufen, mehr reparieren und weniger wegwerfen. Wir können mehr einander zuhören und weniger aneinander vorbeischauen, mehr zurückgeben als wegnehmen, mehr Gemeinschaft leben als Ego-Trips unternehmen. Wir können es einfach gemeinsam gut und immer besser machen. Diese Chance haben wir nun durch die Krise erhalten, Wir können umblättern, eine gemeinsame Sprache finden und eine neue gemeinsame Geschichte schreiben, die irgendwann vielleicht ein Happy End kriegt.

In 10 Jahren WINA-Geschichte haben wir unzählige Geschichten geschrieben und erzählt und so erzählen am Ende dieses Jubliäumsjahrgangs einige unserer Autoren Geschichten hinter den Geschichten, zeigen ihre schönsten Erinnerungsbilder aus einem Jahrzehnt. Wären die Zeiten andere, so hätten wir ein großes Fest ausgerichtet und Sie und all jene Autor:innen, Journalist:innen, Fotograf:innen und Mitarbeiter:innen, die uns auf dem Weg begleitet haben, eingeladen mit uns zu feiern – und immer noch hoffen wir, dies nachholen zu können. Spätestens beim nächsten Runden. Bis dahin bedanke ich mich für die lieben Glückwünsche, für Ihre Lesetreue und das Nachsehen, dass wir nicht immer perfekt sind. Doch stets versuchen wir unser Bestes um Ihnen mit jedem neuen Blatt eine neue Geschichte zu erzählen und streben stets ein Happy End an.

Wir aus der WINA-Redaktion wünschen Ihnen erholsame Stille, schöne Gespräche, viel Muße zum Lesen und winterliche Gemütlichkeit wo und wie Sie auch immer Ihre freien Tage und den Jahreswechsel verbringen werden und freuen uns auf viele weitere gemeinsame Jahre und viele gemeinsame Geschichten.

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