Editorial

Wir müssen den Weg suchen, den wir gemeinsam beschreiten, ausgerichtet auf die Werte des Friedens, der Gerechtigkeit, des gegenseitigen Respekts, der Toleranz und der Partnerschaft.“ Isaac Herzog

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Der Weg nach En Harod. © jk

„Verstehst du nicht?“, sagt der General, „Wer verhindern will, dass das, was heute geschieht, heute geschieht, muss einen Weg finden, das, was gestern geschah, gestern zu verhindern und das, was vorgestern geschah, vorgestern zu verhindern. Nur wer heute verhindern kann, was vorgestern geschah, kann auch verhindern, was morgen wegen dem geschehen wird, was heute geschieht – wenn du verstehst, was ich meine.“ Ein Zitat aus der 1984 erschienener Dystopie Der Weg nach En Harod* des israelischen Autors und Friedensaktivisten Amos Kenan.

Vieles konnte nicht verhindert werden: nicht, dass eine Terrororganisation an der unmittelbaren Grenze Israels die eigene Zivilbevölkerung in Geiselhaft nimmt und sie so weit indoktriniert, bis sie, biologischen Robotern gleich, ein Massaker unvorstellbaren Ausmaßes begeht. Nicht verhindert werden konnte das Massaker selbst, obwohl es zahlreiche Warnungen davor gab. Auch der innenpolitische Konflikt Israels konnte nicht verhindert werden und auch nicht die internationale Rezeption des Konflikts. Wie auch nicht die Erniedrigung der Opfer, denen man keinen Glauben schenken wollte, und nicht das Leid der Angehörigen, die immer noch auf die Befreiung der Geiseln hoffen.

„Israel-Hisbollah-Schießerei tötet drei Kämpfer, elf weitere werden auf den von Israel kontrollierten Golanhöhen verwundet“, schrieb die Agentur Associated Press unmittelbar nach dem Anschlag auf den Fußballplatz von Majdal Shams. Zwölf Kinder wurden bei diesem Anschlag getötet. Die Schlagzeile auf der Online-Plattform des Österreichischen Rundfunks lautete noch am selben Abend: „Raketenangriff aus Libanon auf Golanhöhen: Bei einem Raketenbeschuss aus dem Libanon auf die von Israel annektierten Golanhöhen sind am Samstag elf Menschen ums Leben gekommen.“

Nein, Israel konnte weder den Krieg verhindern noch die anti-israelische Haltung der internationalen Presse und den rasant wachsenden Antisemitismus weltweit, tragischerweise auch nicht den grausamen Tod israelischer Kinder und Erwachsener im Süden, im Norden und auch nicht im Herzen des Landes.

Hätte Israel, hätten wir Juden all das überhaupt verhindern können? Oder geschieht in dieser Fragestellung nicht gleich wieder eine Täter-Opfer-Umkehr?

Müssen, können, sollen wir versuchen, den medialen Krieg zu gewinnen? Gibt es eine Chance, Ressentiments abzubauen, die sich seit Jahrhunderten, Jahrtausenden halten – ohne unser Zutun? Müssen wir der „Fremdwahrnehmung“ überhaupt Beachtung schenken? Als Rafi, der Protagonist in Kenans Werk, endlich En Harod erreicht, wo er sich eine Oase des Miteinanders, der Freiheit und des Friedens erhofft, findet er nichts von dem, wovon er geträumt hat, sondern nur die bittere Erkenntnis des Erwachsenseins: Der Weg sei das tatsächliche Ziel.

Bleibt uns allen damit nur die Möglichkeit, den Weg zu gehen und uns beim Gehen auf das vorzubereiten, was morgen wegen dem geschehen wird, was heute geschieht? Und gilt die Antwort auf diese Frage nicht universell für all die Geschehnisse um uns herum, die unser Morgen und vor allem das Morgen unserer Kinder betreffen? Ob wir aber diesen Weg angsterfüllt hinter uns bringen oder dabei die Schönheit der Landschaft erkennen, durch die er uns führt, obliegt unserer Entscheidung und macht am Ende wohl den Unterschied.

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