Und da stand er – nach fast 500 Tagen Gefangenschaft, nach den Erlebnissen des 07. Oktober, nach Hunger, Erniedrigung und Isolation. Gadi Moshe Mozes, in seiner Iris 5.000 Jahre Erfahrung eingeprägt, gleich den Ringen eines Baumes, aus denen Trockenheit, Regen, Sturm und Sonne eines Jahrhunderts abzulesen sind. Ein Kibbutznik, ein Friedensaktivist, ein Mensch und Lehrer, für jene, die lernen, die aufbauen, die erschaffen möchten. Und auch für manche, die nur Zerstörung wollten. Am Tag seiner Befreiung nach 482 Tagen Gefangenschaft sagte Gadi zu seinen Kindern: Jetzt ist Zeit Nir Oz wieder aufzubauen. Und so wird es sein, daran gibt es keinen Zweifel.
Die Verwandlung Israels von karger Wüste zum fruchtbaren Land war nicht nur ein agrartechnisches Wunder. Sie bedeutete auch die Verwandlung von Schmerz, Verlust und Trauer unvorstellbaren Ausmaßes in ein Zukunftsversprechen von Frieden und Heimat.
Und so gewinnt in diesem Kontext die Symbolik des Baumes eine ganz aktuelle Dimension. Wie ein Baum, der tiefe Wurzeln schlägt und gleichzeitig in die Höhe strebt, so stehen wir alle, so steht die jüdische Gemeinschaft und mit ihr die israelische Gesellschaft erneut vor der Aufgabe, in der eigenen Geschichte Kraft, Heilung und Zukunftsvision zu finden. Denn die Welt um uns scheint derzeit – im besten Fall – mit angestrengtem Schweigen und Wegschauen beschäftigt zu sein.
Da bleibt für jeden einzelnen von uns nur, unsere Wurzeln zu festigen, unsere Rücken gerade zu biegen, unsere kleinen und großen Nasen in die Höhe zu strecken und laut „Hineni!“ – „Hier bin ich!“ in den Wald zu rufen und hinzuhören, wenn ein „Hier sind wir!“ aus dem Wald zurückhallt.
In Friedenszeiten hat Tu BiShvat als Fest der Bäume natürlich auch eine universelle klimapolitische Dimension, die uns Erdenbewohner miteinander verbindet. So steht es auch im Midrasch: „In der Stunde der Schöpfung, als G‘tt den ersten Menschen schuf, nahm er ihn und zeigte ihm alle Bäume im Garten Eden, im Paradies, und sagte dann zum Menschen: Siehe wie schön und angenehm meine Schöpfung ist. Und alles, was ich erschaffen habe, habe ich für dich getan. Denk daran, meine Welt nicht zu verderben und zu zerstören. Wenn du es aber tust, wird es keinen geben, der sie nach dir reparieren kann.“
Eine ganz schön große Verantwortung in einer Zeit, in der die Bewahrung unserer Umwelt zu einer globalen Priorität geworden ist, während wir im beißenden Gegenwind unsere Position im Gefüge der Weltgemeinschaft zu verteidigen haben.
Doch vielleicht gerade in dieser Herausforderung erinnert uns Tu BiShvat auch daran, uns, Bäumen gleich, tief in unserer Geschichte zu verwurzeln, damit sie uns Kraft gibt, nach einer Zukunft zu streben, die wir alle gemeinsam zum Guten gestalten können.