EIN BLICK ZURÜCK*

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Jüdische Kinder mit ihrem Lehrer in Samarkand, um 1910. © Digital ID ppmsc.04442 ; Library of Congress, by S. M. Prokudin-Gorskii

Die bucharischen Juden und Jüdinnen blicken auf eine lange Geschichte zurück: Der Erzählung nach kehrten sie nach der Zerstörung des Ersten Tempels und der darauf folgenden babylonischen Gefangenschaft im achten Jahrhundert vor Christus nicht nach Jerusalem zurück. Sie siedelten sich stattdessen in Zentralasien an, wo sie entlang der Seidenstraße Handel betrieben sowie in den Bereichen Weberei, Färberei und als Goldschmiede tätig waren.

Ihre Sprache, das Bucharische, auch Buchori genannt, ist ein persischer Dialekt mit hebräischen und russischen Einsprengseln. Buchara wiederum war der Name einer Stadt, der schließlich zum Sammelbegriff für Juden und Jüdinnen in Zentralasien wurde. Heute heißt sie Buxoro und liegt in Usbekistan. Bucharische Juden und Jüdinnen lebten allerdings in einem weit größeren Gebiet – im heutigen Tadschikistan und Kasachstan ebenso wie in Turkmenistan, Kirgisistan und eben Usbekistan.

Mehr als 2.000 Jahre lebten die bucharischen Juden in Zentralasien weitgehend abgeschnitten von den jüdischen Gemeinden anderswo in der Welt. Das Wissen um die religiösen Vorschriften und auch Bräuche sowie Traditionen verblasste nach und nach. Zudem breitete sich der Islam aus und wurde beherrschend – was auch zu Schikanen gegenüber der jüdischen Bevölkerung führte.

Ende des 18. Jahrhunderts kam der aus Marokko stammende Rabbiner Josef ben Moses Mamon alMaghribi nach Buchara und stärkte das Wissen um Tora, Kaschrut, Gebote und Verbote. So hielten auch die sephardischen Riten Einzug in das gelebte Judentum, weshalb bucharische Juden heute zu den Sepharden gezählt werden.

In der Zeit des Kommunismus war Juden die Religionsausübung weitgehend verboten. Ab den 1970er-Jahren wanderten daher viele bucharische Juden und Jüdinnen aus der Sowjetunion aus. Viele von ihnen zog es zunächst nach Israel, andere in die USA. Wien diente als Drehscheibe. Juden reisten zuerst aus der Sowjetunion hierher, um dann in das eigentliche Zielland aufzubrechen. Einige Menschen waren zunächst nach Israel emigriert, wollten dann aber doch wieder in die alte Heimat zurück. Sie strandeten allerdings in Wien, da die Sowjetunion die Wiedereinreise nicht gestattete. Waren es zunächst nur einige Familien, bildete sich dann ab 1974 eine Wiener bucharische Gemeinde. Diesen Herbst begeht man daher das 50-Jahr-Jubiläum.

Die bucharische Gemeinde zählt heute zwischen 600 und 700 Familien. Sie leben nun bereits in dritter, teils sogar vierter Generation in Wien. Bucharisch wird meist nur mehr von den Ältesten gesprochen, und auch das Russische, noch in der zweiten Generation durch die Bank die Familiensprache, verblasst bei den Jüngsten zu Gunsten von Deutsch und Iwrit.

Das Gros der bucharischen Kinder besucht eine der jüdischen Schulen – insgesamt hat die Gemeinde nach dem Zurückdrängen der Religionsausübung im Kommunismus mehrheitliche wieder zur einem observanten Leben gefunden. Davon zeugen auch inzwischen bereits sieben bucharische Synagogen. Die größte befindet sich im 1992 eröffneten sephardischen Zentrum in der Tempelgasse.

 

*Siehe auch Marta S. Halpert: Sentimentalitäten und neues Selbstbewusstsein

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