Rudolf Buchbinder war der erste, der dem jungen Ausnahmetalent hinter der Bühne des Wolkenturms gratulierte. Er strahlte und war glücklich, hatte doch soeben seine Entdeckung, der junge Israeli Ariel Lanyi, den Jubel des Publikums in Grafenegg ausgelöst, nachdem dieser das Konzert für Klavier und Orchester A-Dur KV 488 (1786) von Wolfgang A. Mozart mit dem Mahler Chamber Orchestra virtuos gespielt hatte.
Mit Rudolf Buchbinder hat der Schweizer Mäzen Adrian Flury einen weltberühmten Botschafter für seinen Prix Serdang. In seiner prächtigen Villa Serdang in Feldbrunnen bei Solothurn errichtete Flury ein Kunst- und Musikreich: „Es ist für uns eine Ehre, einen Pianisten wie Ariel Lanyi auszuzeichnen. Sein Talent und seine Hingabe für die Musik spiegeln genau das wider, was wir mit diesem Preis ehren und fördern möchten. Ich bin dankbar, dass wir mit Rudolf Buchbinder einen Kurator haben, der mit uns seine Leidenschaft und sein Verständnis für die Musik teilt und uns dabei hilft, Künstler von Ariel Lanyis Kaliber zu identifizieren und zu würdigen“, freut sich Adrian Flury, der Initiator des Preises.
„Ich sehe Ariel Lanyi bald an
der Spitze der Pianisten.“
Rudolf Buchbinder
Maestro Buchbinder hat im Laufe seiner internationalen Karriere und Lehrtätigkeit schon viele junge Talente entdeckt, doch beim renommierten Prix Serdang handelt es sich nicht um einen Wettbewerb, sondern um eine Auszeichnung, die nach sorgfältiger Prüfung der Tätigkeit eines Künstlers vergeben wird. Wie kann man bei einem 26-jährigen Pianisten schon „Leistungen“ würdigen? „Das Alter ist nicht ausschlaggebend, in unserem Beruf gibt es keine Altershierarchie, ein Zwanzigjähriger ist genauso eine Kollege wie ein Achtzigjähriger, da gibt es keinen Unterschied, das ist fantastisch“, lacht der Kurator des Preises, der mit 50.000 Schweizer Franken dotiert und nicht zweckgebunden ist.
„Jedes Jahr studiere ich ganz viele junge Musiker, schaue mir unzählige Videobänder an, und dann entscheide ich, wer diese Starthilfe bekommen soll“, erzählt der Leiter des Festivals Grafenegg, der sowohl arrivierten Künstlern wie auch aufstrebenden Talenten eine Bühne bietet. „Sie wissen nichts davon, sie werden verständigt, und das ist dann wirklich eine riesige Überraschung.“
Insbesondere Lanyis Interpretation von Beethovens Hammerklavier-Sonate hatte ihn sehr beeindruckt: „Ariel steht an einem entscheidenden Punkt seiner Karriere. Was ihn auszeichnet, ist seine Fähigkeit, tief in die Musik einzutauchen und eine Verbindung zu ihr herzustellen. Er spielt nicht einfach nur die Noten, er lebt die Musik, versucht ihre Essenz zu erfassen und gibt sie mit einer außergewöhnlichen Intensität, Sensibilität und ausdruckskräftiger Reife wider.“
Und worin unterscheidet sich nun Ariel Lanyi von den anderen Talenten, wodurch sticht er hervor? „Klavierspielen können viele, das Instrument beherrschen auch, aber zu viele bleiben dann stehen und stecken – doch da fängt die Arbeit erst an. Ariel hat ein instinktives Stilgefühl und keinen Manierismus, der überhandnimmt, denn das mag ich überhaupt nicht.“ Und es wäre nicht der Klaviervirtuose Buchbinder, wenn er nicht eine passende Anekdote dazu hätte. „Nathan Milstein*, der immer noch als einer der größten Geiger des 20. Jahrhunderts gilt, mochte keine Dirigenten, er nannte sie etwas abschätzig Luftmasseure. Er meinte einmal, er verstünde nicht, warum Lenny Bernstein beim Dirigieren so vor Begeisterung hüpfe, das sollte doch eigentlich das Publikum machen.“
Nun, wer ist dieser Ariel Lanyi? „Ich bin zwar der einzige professionelle Musiker in unserer Familie, aber Musik war bei uns zu Hause in Jerusalem immer präsent, denn meine Eltern sind begeisterte Musikliebhaber“, erzählt Lanyi in der Künstlergarderobe nach seinem umjubelten Auftritt, den er mit einer ChopinZugabe stimmig abschloss.
Seine ersten Auftritte als Pianist hatte er im Alter von fünf Jahren, nur zwei Jahre später spielte er bereits zusammen mit einem Orchester. Mit acht Jahren hatte er schon regelmäßig Auftritte in Radio Israel. Als er 17 war, gastierte Ariel Lanyi bereits in New York, Paris, Rom und Prag. Er studierte an der Jerusalem Academy of Music and Dance neben Klavier noch Violine, Komposition, Dirigieren und Jazz. „Mit achtzehn Jahren kam ich zum Klavierstudium nach London an die Royal Academy of Music. Ich wusste damals kaum etwas über London, spürte aber nach kürzester Zeit, dass das mein Zuhause wird, dort sind jetzt meine Freunde, das ist jetzt meine künstlerische Basis geworden“, erzählt Lanyi.
Von Österreich aus reist Lanyi zu Soloabenden in die USA und nach Norwegen, von London aus plant er seine Auftritte mit dem Royal Liverpool Philharmonic Orchestra, dem City of Birmingham Symphony Orchestra u. a. „Dass ein so renommierter Künstler wie Rudolf Buchbinder mir eine solche Auszeichnung anvertraut, ist wirklich ein großes und inspirierendes Privileg“, sinniert der junge Künstler, dessen Vater aus dem transsilvanischen Arad stammt, die Mutter aus Russland. Nach Israel, um seine Eltern zu besuchen, fährt er immer, wenn es der Terminkalender erlaubt, zuletzt war er im Juni dort.
Und wann können wir ihn in Wien sehen und hören? „Ich hoffe bald. Zuerst komme ich aber im Winter für eine CD-Aufnahme mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien und Howard Griffith nach Österreich zurück.“
* Nathan Milstein (geb. 1903 in Odessa; gest. 1992 in London) gilt als einer der größten Geiger des 20. Jahrhunderts. Ab 1923 unternahm er mit seinem Freund, dem Pianisten Vladimir Horowitz, Konzertreisen durch die Sowjetunion, ab 1925 hatten sie zusammen gefeierte Auftritte in Westeuropa, u. a. in Paris und Berlin. Milstein war bis ins hohe Alter als Solist tätig, ehe er seine Karriere wegen eines komplizierten Handbruchs beenden musste.