Ein mühsames Unterfangen

Das heurige Erinnerungsjahr kam irgendwie nicht vom Fleck, was wohl vor allem mit den politischen Rahmenbedingungen zu tun hat.

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Das laufende Gedenkjahr 1938–2018 neigt sich dem Ende zu. In diesem Monat wird es noch eine Vielzahl an Veranstaltungen in Erinnerung an die Novemberpogrome geben, doch seien wir ehrlich: Im November ist das Gedenkprogramm jedes Jahr dicht (und das ist gut so), egal, ob nun ein Achter oder ein Fünfer am Ende der jeweiligen Jahreszahl steht. Ein Höhepunkt heuer wird die Eröffnung des Hauses der Geschichte Österreich dieser Tage sein. Eine Einrichtung, um die Jahrzehnte lang gekämpft wurde, deren Ausrichtung bis zuletzt umstritten war (siehe auch Interview mit Direktorin Monika Sommer auf S. 06) und die nun, das muss man leider auch festhalten, in einer Minimalversion, vor allem aber als Provisorium, vorerst einmal für 18 Monate, umgesetzt wird.

Man solle keine Vergleiche zwischen
der NS-Zeit und heute ziehen, heißt es oft.
Aber die Ähnlichkeiten in den Prozessen sind da.

Es ist ein bisschen eine hatscherte Lösung, wie man auf gut Wienerisch sagt, damit aber auch symptomatisch für das heurige Erinnerungsjahr. Das Team, das hier 100 Jahre (Zeit-)Geschichte zum Angreifen gestaltet hat, hat dies mit viel Engagement getan, und endlich, das ist eine tatsächliche Errungenschaft, gibt es den richtigen Ort, den Lehrer und Lehrerinnen aufsuchen können, wenn sie mit ihren Klassen in Wien das Thema Holocaust bearbeiten möchten. Bisher wandten sich Pädagogen dann vor allem an das Jüdische Museum, das zwar mit seinem Vermittlungsteam auf Grund der Nachfrage auch Angebote setzt, doch die Schoah geht eben alle an und nicht nur die, die davon betroffen waren. Und insofern ist das nun ein wichtiger Schritt nach vorne.
Aber dennoch. Diese Konzeption als Provisorium, die begrenzte Ausstellungsfläche, die Querelen im wissenschaftlichen Beirat im Zug der Gestaltung der Schau. Das kommt alles ein wenig in Schieflage daher. Und genau diese Schieflage zieht sich durch das gesamte Jahr 2018. Da hielt der Schriftsteller Michael Köhlmeier im Parlament eine wortgewaltige, wichtige, richtige Rede, doch wie kann solch eine Rede sich stimmig anfühlen, wenn die, die er kritisiert, in der ersten Reihe sitzen?
Er möchte den Ermordeten des NS-Regimes in die Augen sehen können, hatte der Autor betont. Und dann aber höre er sie fragen: „Was wirst du zu jenen sagen, die hier sitzen und einer Partei angehören, von deren Mitgliedern immer wieder einige nahezu im Wochenrhythmus naziverharmlosende oder antisemitische oder rassistische Meldungen abgeben.“ Und: „Gehörst du auch zu denen, höre ich fragen, die sich abstumpfen haben lassen.“ Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt, warnte Köhlmeier. „Nie. Sondern mit vielen kleinen, von denen jeder zu klein schien für eine große Empörung. Erst wird gesagt, dann wird getan.“
Genau das, was Köhlmeier mit diesen Worten beschreibt, passiert allerdings aktuell. Man solle keine Vergleiche zwischen der NS-Zeit und heute ziehen, heißt es oft. Aber die Ähnlichkeiten in den Prozessen sind da. Diesen Oktober war der deutsche Zeithistoriker Michael Wildt zu Gast an der Universität Wien, und er sagte dabei etwas, was mir seitdem im Kopf herumspukt: Wie heutige Parteien von AfD bis FPÖ zeigen würden, brauche es keine Weltwirtschaftskrise, um die soziale Frage völkisch zu deuten. Wie mit der Flüchtlings- und Migrationskrise umgegangen werde, sei, ja, völkisch. Und dann denke ich an die Lehrlinge, die gerade eine Ausbildung in einem Mangelberuf machen (was bedeutet, dass künftige Facharbeiter wie sie in diesem Land dringend gebraucht werden) und die man nun dennoch abschiebt, im Fall Afghanistans, wo die meisten dieser jungen Menschen herkommen, auch noch in ein unsicheres, von Terror und Tod geprägtes Land, und das also nur tut, weil man die Zahl der Menschen aus diesen anderen Kulturen hier zu Lande rasch wieder begrenzen, eindämmen, herunterfahren möchte.

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