Cornelius Hell erzählt von einer Lesereise durch Budapest und vom ambivalenten Charme der ungarischen Brückenstadt. Von Marta S. Halpert
Bei einer Lesereise muss man viel Persönliches verraten
Und genau das tut Cornelius Hell in seinem Buch Lesereise Budapest – Der frivole Charme der Brückenstadt: Er bekennt mehrfach und sehr offen seine Liebe zur ungarischen Hauptstadt, die er 1980 zum ersten Mal besuchte. Sein Liebesbekenntnis ist überzeugend und glaubhaft, weil Hell ebenso ehrlich aufzeigt, dass ihm diese Jahrzehnte alte Liebe unentwegt auch viele Enttäuschungen beschert. Der 1956 in Salzburg geborene Autor, Übersetzer und Literaturkritiker kann und will seine Augen vor den aktuellen politischen Umbrüchen und gesellschaftlichen Zuständen nicht verschließen.
„Zu den sonnigen Morgen der ersten Jahre, in die eine eigene Erinnerung zurückreicht, gehören die ungarischen Lieder meiner Großmutter.“ Das sind die allerersten Berührungspunkte eines Kindes aus einem Dorf im Salzburger Land. Doch erst als Student kommt Cornelius Hell zum ersten Mal nach Budapest und danach 1983 an den Plattensee. Der junge Österreicher hatte sich schon vorher in ein kommunistisches Land gewagt, denn er schreibt nach seinen Erfahrungen in der Tschechoslowakei über Ungarn: „Die liberale Atmosphäre des Landes war schon an der Grenze spürbar.“ Und auch 1987, als Hell gerade zwei Jahre als Germanistiklektor im sowjetisch okkupierten Litauen hinter sich hatte und wieder nach Ungarn kam, ließ er sich von den oberflächlichen Segnungen des Kádár’schen Regimes täuschen.
In die Zeit nach dem Ende des Eisernen Vorhangs fällt auch der Beginn der journalistischen Arbeit Hells, die in der Folge rund 200 Sendungen für den ORF und den Bayerischen Rundfunk sowie zahlreiche Essays zur ungarischen Literatur umfassen sollte. „1994 kamen Péter Esterházy und Imre Kertész nach Salzburg, und ich konnte mein erstes Gespräch mit ihnen führen, dem noch etliche folgen sollten; sie sind mir über ihre Literatur hinaus auch zu Seismografen des Klimas in Ungarn geworden.“Selbst wenn Hell einzelne Kapitel der ungarischen Sprache, dem Essen, den Verkehrsmitteln und deren Tücken sowie den Erholungsgebieten im Umkreis der Stadt widmet und uns seine Vorliebe für Béla Bartóks Musik verrät, verliert er nie den kritischen Überblick: „Ungarn, das allzu gerne die eigenen Leiden und Niederlagen kultiviert und sich unter Wert gehandelt fühlt.“