Einen Punkt getroffen

Die Omas gegen Rechts haben die Proteste gegen die amtierende ÖVP-FPÖ-Regierung in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Mit ihren fröhlichen Hauben und den Buttons mit der Aufschrift „Omas gegen Rechts“ sind sie nicht nur sichtbar, sondern sorgen zunächst für ein Schmunzeln. Doch ihre Anliegen sind ernster Natur. Sie verstehen sich als feministische Plattform und schließen an die 68er-Bewegung an, die viele von ihnen einst mitgetragen haben und deren Werte sie nun nicht vernichtet sehen wollen.

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Evelyn Böhmer-Laufer, Susanne Scholl und Monika Salzer sind aktive und mutige Mitglieder einer bewunderns- werten und menschlichen „Oma“-Bewegung gegen rechts. © Omas gegen Rechts

Ich kann diese Situation nicht akzeptieren“, sagt Monika Salzer klar und direkt. Europaweit nehme die Rechtslastigkeit zu. „Wir sind eine Generation, die den Aufbau Europas erlebt hat, ich will jetzt nicht den Abbau Europas erleben“, sagt die pensionierte evangelische Pfarrerin. Nachdem das Ergebnis der letzten Nationalratswahl vorlag, wusste sie, sie will dieser Entwicklung etwas entgegensetzen. Bei einem Treffen mit Gleichgesinnten spürte sie, es geht anderen genauso. Die OMAS GEGEN RECHTS waren geboren. An dem Vormittag, als die nunmehrige ÖVP-FPÖ-Koalition angelobt und vor der Hofburg, am Heldenplatz, dagegen protestiert wurde, wurde das damals kleine Grüppchen an Frauen mit ihren bunten Mützen schon von umstehenden Jugendlichen beklatscht und medial wahrgenommen.

Unter den Omas mit fröhlicher Haube war auch die Journalistin und Autorin Susanne Scholl. „Ich habe nach der Wahl eine Möglichkeit gesucht, dem etwas entgegenzusetzen – und viel gab es da nicht. Bei der Namensfindung für diese Initiative haben dann einige gesagt: Omas, das klingt herabwürdigend. Ich bin keine Oma, aber ich habe sofort gesagt: Das ist es. Dass uns jetzt alles so ein bisschen überrollt hat, zeigt, dass ein großes Unbehagen vorhanden ist und viele bisher keinen Ort gefunden haben, an dem sie sich wiedererkennen. Und die Leute haben kein Vertrauen mehr in Parteien. Wir haben einen Punkt getroffen.“

„Ein bisschen überrollt“: Damit meint Scholl den großen Zulauf zu den Omas mit politischer Botschaft. Mehr als 3.000 Mitglieder beziehungsweise „Follower“ haben die OMAS GEGEN RECHTS bereits auf Facebook. Auch auf Twitter sorgen sie für Aufmerksamkeit. Das bringt auch mit sich, dass in der Gruppe klar gesagt werden muss, wofür die Omas stehen: „Wir sind inklusiv“, betont Salzer. „Gegen Muslimas hetzen“, das gehe etwa gar nicht. In der Gruppe seien alle willkommen, die die gemeinsamen Werte teilen, egal welcher und ob sie einer Religion angehören. Vier Schwerpunkte nennt Salzer: „Die Stärkung der Demokratie, die Stärkung des Rechtsstaats, Bildung und den Erhalt des Sozialstaats.“

Respekt und Zusammenhalt. Vor allem aber hätten die Omas eine Botschaft an die Jugend: „Wir stehen an eurer Seite.“ Das werde auch in dem Lied, mit dem die Gruppe auf Demonstrationen, aber auch auf Youtube zu hören ist, zum Ausdruck gebracht. „Wir wollen, dass die Jugend in einer so guten Welt aufwächst, wie wir sie teilweise erlebt haben“, so Salzer. Der Sozialabbau, der drohe, sei beispielsweise überhaupt nicht nötig. Es gehe aber auch um den Zusammenhalt in der Gesellschaft. „Wir verlangen Respekt als Bürger gegenüber allen Menschen, egal wo sie herkommen, was sie machen, wer sie sind“, betont Scholl. Was jetzt passiere, sei, „dass Respektlosigkeit zur Staatsräson erhoben wird“.

»So wie man sich täglich die Zähne putzt,
muss man die Gesellschaft, in der man lebt,
pflegen und sie vor Keimen und
Bakterien schützen.«
Evelyn Böhmer-Laufer

Hier hakt auch eine weitere „Oma gegen rechts“, Evelyn Böhmer-Laufer, ein. „Ich fühle mich dadurch bedroht, dass nun Burschenschafter in hohen Positionen platziert werden. Im Innenministerium beispielsweise. Es macht mir aber auch Angst, dass der ORF nun so bedroht wird. Wo gehen wir hin? Ich mache mir Sorgen um den Rechtsstaat.“ Bei den Omas habe sie nun „einen Ort, wo ich laut nein sagen kann“. Was ihr bei dieser Gruppe gefällt: Wenn Menschen bei Demonstrationen auf Schildern „OMAS GEGEN RECHTS“ lesen, dann müssten sie zunächst schmunzeln. Und wenn sie in der U-Bahn ihren OMA-Button trage, dann werde sie von anderen neugierig angesprochen. So komme man ins Gespräch und könne vielleicht auch den einen oder anderen zum Nachdenken bringen.

Dürfen sagen, was sie denken. Jüngere Menschen würden dazu tendieren, ihren Protest aggressiver auszudrücken. „Wir sind vielleicht schon ein bisschen gesetzter. Wir müssen uns nicht mehr abgrenzen von der Elterngeneration oder vom Establishment. Wir dürfen uns erlauben zu sagen, was wir denken, ohne dauernd auf die Barrikaden zu gehen“, so Böhmer-Laufer. Was ihr jedoch wichtig ist: „Ich möchte den künftigen Generationen zeigen, dass es wichtig ist, eine Stimme zu haben und sie auch zu erheben.“ Ihrer Tochter habe sie beigebracht: Die Soziohygiene sei so wichtig wie die körperliche Hygiene. „So wie man sich täglich die Zähne putzt, muss man die Gesellschaft, in der man lebt, pflegen und sie vor Keimen und Bakterien schützen.“ Genau hier würden die OMAS GEGEN RECHTS ansetzen – und dadurch, dass sie Emotionen ansprechen, auch viele Leute erreichen.

Auch Scholl und Salzer ist der humorvolle Zugang wichtig. „Wir wollen unseren Protest mit einem Augenzwinkern ausdrücken“, erklärt Scholl. Dazu tragen auch die rot-orange-pinken Hauben bei, die bewusst in der Tradition der Pussy Hats gestaltet werden. „Wir sind eine Basisbewegung der Zivilgesellschaft, wir sind aber auch eine feministische Bewegung“, erzählt Salzer. „Wir solidarisieren uns mit jungen Frauen – deshalb haben wir auch das Frauenvolksbegehren unterzeichnet.“ Dass bei einem gemeinsamen Termin dazu auf einem Bezirksamt auch Frauen mit Gehstock und Rollator teilgenommen haben, hat sie sehr berührt.

Scholl, Salzer und Böhmer-Laufer betonen aber auch ihre Verbundenheit mit der 1968er-Bewegung. Die Werte, für die man damals eingetreten sei, für die wolle man weiterkämpfen. „Damals sind wir gegen die Eliten, gegen die Altvorderen, die sich nach dem Krieg schnell hinüber gerettet und weiter den Ton angegeben haben, auf die Straßen gegangen“, betont Scholl. Das solle nicht umsonst gewesen sein. Alle drei betonen: „Wir sind eine kritische Stimme.“ Die wollen die Omas auch bleiben – Männer sind bei den Omas übrigens auch willkommen, nur den Ton, den wollen die Omas weiter angeben. Und auch gegen eine Initiative „Opas gegen rechts“ hätten die Omas nichts einzuwenden – dann müssten sich nur Männer finden, die eine solche ins Leben rufen. „Macht’s“, sage sie immer, meint Scholl schmunzelnd, wenn Männer sie darauf ansprechen, warum es keine „Opas gegen rechts“ gäbe.

An einem Gespräch mit den Politikern und Politikerinnen, die sie kritisieren, haben die Omas kein Interesse. „Denen geben wir keine Aufmerksamkeit“, meint Salzer. „Ich wüsste nicht, was wir mit ihnen reden sollten: Wir könnten nur sagen, treten Sie zurück und das sofort“, betont Scholl. Die Oma-Bewegung wolle einen Diskurs anstoßen und jenen Raum geben, denen die aktuelle Situation nicht zusage. Geplant sei künftig auch ein Jour fixe im Tachles in der Leopoldstadt, zu dem jeweils Experten zu interessanten Themen oder Personen des öffentlichen Lebens für einen Austausch eingeladen werden. Was die Omas dagegen verweigern: sich parteipolitisch vereinnahmen zu lassen. „Wir sind überparteilich“, stellt Scholl klar. 

omasgegenrechts.com

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