Jüdische Forscher haben in der Vergangenheit mit ihren unkonventionellen Denkweisen die Naturwissenschaften verändert. Wir haben uns auf die Suche nach der Next Generation gemacht. Von: Ron Malaev
Albert Einstein, Otto Stern, Lise Meitner, Max Born und Otto Frisch. Namen, die in der naturwissenschaftlichen Szene gang und gäbe sind. Als Experten ihres Fachs revolutionierten sie mit Arbeiten zur Mathematik, Physik und Chemie die Erkenntnisse der physikalischen Welt zu Beginn des letzten Jahrhunderts und taten etwas, was vor ihnen nur eine Handvoll Menschen wagte: Sie verabschiedeten sich von den klassischen Denkweisen, die durch ihre Vorgänger geprägt und verinnigt wurden.
Mit den voranschreitenden mathematischen Theoremen des 18. Jahrhunderts konnten Forschungen der Physik und Chemie vorangetrieben und Fragen gelöst werden, die es bereits seit mehreren Jahrhunderten Forschung zu lösen galt. Doch sah man sich um das Jahr 1900 in einer sehr engen physikalischen Sackgasse. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse in der klassischen Physik konnten zwar angewandt und verstanden werden, lösten aber nicht alle offenen Fragen.
Sie verabschiedeten sich von den klassischen Denkweisen, die durch ihre Vorgänger geprägt und verinnigt wurden.
Erst Albert Einstein, der im Jahre 1905 mit seiner revolutionären Relativitätstheorie als erster Physiker nach Newton für Aufregung sorgte, indem er eine abstrakte Raum-Zeit einführte, verließ den Pfad der konventionellen Forschung und ermöglichte somit die moderne Physik. Seine Arbeiten zum Licht, der Raum-Zeit und zur Quantenphysik sind selbst heute noch bahnbrechend und für die Kollegen seiner Zeit wichtige Ausgangspunkte zu ihren jeweiligen naturwissenschaftlichen Errungenschaften. So gelang Lise Meitner 1939 auf der Basis von Einsteins berühmter Formel E=mc² in Zusammenarbeit mit Otto Hahn und Fritz Strassmann die Entdeckung der Kernspaltung. Otto Frisch erstellte dadurch das erste theoretische Dokument zum Bau einer Atombombe mittels Uran-235, was 1945 schließlich das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete. Max Born, bekannt für seine grundlegenden Beiträge zur Quantenmechanik, nutzte Einsteins Erkenntnisse, um die Beschaffenheit der Raum-Zeit zu definieren. Seiner Zusammenarbeit mit Werner Heisenberg, Pascual Jordan und Robert Oppenheimer verdanken wir die heutige Quantenmechanik.
Neue Generation
Dass viele von denen, die den Pfad des herkömmlichen Denkens verließen, Juden waren, war und ist in der Naturwissenschaft natürlich nicht von besonderer Relevanz. Doch wie sieht es mit der heutigen Generation junger jüdischer Studenten der Naturwissenschaften aus? Verstehen sich diese als Erben Einsteins? Inwieweit prägt ihre jüdische Identität sie und ihr akademisches Leben?
Jonatan Malaev ist 22 Jahre alt und studiert Physik an der Universität Wien. Für das Studium entschloss er sich, nachdem ihm, wie einst Newton, der sprichwörtliche Apfel auf den Kopf fiel. „Als ich 19 war, fiel im Garten meiner Eltern ein Apfel vom Baum und landete auf meinem Kopf. Da musste ich an die Geschichte mit Newton und dem Apfel denken. Seither bin ich wie besessen von der Mathematik, die in Form von Zahlen und Formeln die physikalische Welt beschreibt.“ Doch womit genau beschäftigt sich die Physik, die heute gelehrt wird? „Die Physik dient zur Erforschung der Grundkenntnisse unseres Universums, die Forschung wendet diese Grundkenntnisse an. Als Grundlage für beides dient die Mathematik. Erforscht werden heutzutage vor allem Theoreme wie die Relativitätsmechanik und die Quantenmechanik. Beides legitime und absolut korrekte Annahmen der Physik, die zusammen aber keinen Sinn ergeben.“