„Es begann mit Denunziation und endete mit der Ermordung“

In der Stadt Salzburg wurden bisher 477 Stolpersteine zur Erinnerung an NS-Opfer verlegt. Jüngst für acht Frauen vor dem ehemaligen Polizeigefängnis.

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Acht Stolperstseine, verlegt vor dem ehemaligen Salzburger Polizeigefängnis, gedenken an acht Frauenschiksale, die unterschiedlicher nicht sein könnten. © stolpersteine-salzburg.at

Viel zu leise und bescheiden heißt es: „Einladung zur Verlegung von acht Stolpersteinen für Frauen vor dem ehemaligen Salzburger Polizeigefängnis.“ Denn hinter dieser lakonischen Ankündigung verbirgt sich Erfreuliches und Erschütterndes: 1. ein bedeutendes Erinnerungsprojekt, das vom Dachverband Salzburger Kulturstätten betreut wird, und 2. acht ergreifende Frauenschicksale, die unterschiedlicher nicht sein könnten – aber trotzdem die dramatische Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten gemeinsam haben. Diese acht Frauen, derer Ende Oktober durch die Verlegung von quadratischen Messingplatten mit ihrem Namen gedacht wurde, waren katholisch, jüdisch, aufmüpfig, widerständisch oder nur ehrlich zu sich selbst.

Unter dem talmudischen Motto Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist steht dieses Projekt des deutschen Künstlers Gunter Deming, das bereits seit 1996 in ganz Europa ein Begriff ist. Im Jahr 2007 hat eine überparteiliche Plattform von über 400 Personen – mit Unterstützung der Stadt Salzburg – dieses international beachtete Erinnerungswerk an die Salzach gebracht, wo bereits 477 Stolpersteine verlegt wurden.* „Unser Anliegen ist es, gegen das Vergessen zu arbeiten“, schreibt Thomas Randisek, der sich gemeinsam mit Ingeborg Haller und Gert Kerschbaumer dafür engagiert. „Es geht darum, die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung von Juden, Roma und Sinti, politisch Verfolgten, Homosexuellen, Zeugen Jehovas und Menschen mit Beeinträchtigungen und psychischen Erkrankungen im Nationalsozialismus lebendig erhalten.“

Das Projekt finanziert sich über die private Initiative in Form von jährlich finanzierten Patenschaften, die einzelne Menschen für die individuellen Stolpersteine übernehmen, und den engagierten Einsatz zahlreicher Bürger der Stadt, Historiker und Wissenschafter, Künstler (u. a. Karl-Markus Gauß, Vladimir Vertlib), Politiker aus allen Parteien (u. a. Gabi Burgstaller), Wirtschaftstreibende (u. a. Wilhelm Hemetsberger).

Annas Todesurteil. Anna Schneider, 1900 in Hallein geboren und getauft, war das älteste von sechs Kindern des Zollwachebeamten Josef Schneider. Dokumentiert ist, dass sie am 25. April 1944 vom Volksgerichtshof wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode verurteilt und am 9. Juni 1944 in Berlin-Plötzensee enthauptet wurde. Anna Schneider, die eine Hauptund Handelsschule besucht hatte, arbeitete als Hotelangestellte zuletzt in Zell am See. Dort wurde sie wegen kritischer Äußerungen gegen das kriegsführende NaziRegime denunziert und von der Gestapo Salzburg verhaftet. Sie wurde nicht in Salzburg vor Gericht gestellt, sondern nach Berlin, den Sitz des Volksgerichtshofes, deportiert.

Wie jüngste Forschungen belegen, gehörte Schneider zu den 182 Exekutionsopfern, die auf einer Liste des Anatomen Dr. Hermann Stieve standen. Unter dem NS-Regime betrieb der Arzt in der Berliner Charité spezielle Experimente an weiblichen Geschlechtsorganen. Dennoch konnte Doktor Stieve nach 1945 seine Karriere unbehelligt fortsetzen, zuletzt in Ost-Berlin als Träger des Nationalpreises der DDR.

 

„Es geht darum, die Erinnerung an die Vertreibung
und Vernichtung von Juden, Roma und Sinti, politisch Verfolgten […]
im Nationalsozialismus lebendig erhalten.“
Thomas Randisek

 

Odilo Globocnik, der Triestiner Österreicher. In der besetzten italienischen Hafenstadt Triest befand sich seit September 1943 die von SS-Gruppenführer Odilo Globocnik geleitete Zentrale der „Operationszone Adriatisches Küstenland“ zur Verfolgung von Juden und zur Bekämpfung von Partisanen im Gebiet Friauls, Istriens und im Karst. Odilo Globocnik, ein in Triest geborener Österreicher, war verantwortlich für Geiselerschießungen, für Folter und Morde im KZ Risiera di San Sabba und für Deportationen von politischen und jüdischen Häftlingen – mit Zwischenstation in Salzburg.

Verbürgt ist, dass drei italienische Frauen am 4. Februar 1944 von Salzburg in das Frauen-KZ Ravensbrück deportiert wurden. Dies geschah aber nicht direkt über Linz und Prag, sondern – vermutlich irrtümlich – in einem Sammeltransport über Mauthausen nach Ravensbrück. Durch die „Häftlings-Personal-Karten“, die im KZ-Mauthausen angelegt wurden, ist dokumentiert, dass die 19-jährige Anna Ferfolja aus slowenisch Gorizia, die 21-jährige Alida Miniussi aus Monfalcone und die 44-jährige Slowenin Angela Fumeo als politische Häftlinge am 30. Jänner 1944 aus Triest verschickt wurden. Das gewaltsame Ende der Partisaninnen ist ungeklärt, da die SS vor der Befreiung des KZ Ravensbrück am 30. April 1945 alle Zeugnisse ihrer Verbrechen inklusive des Totenbuchs vernichtete.

477 Stolpersteine entlang der Salzach,
initiiert von einer überparteilichen Plattform, unterstützt von der Stadt Salzburg © Screenshot/Salzburger Stolpersteine

Die Geschichte der drei Italienerinnen steht weiter unten auf der Liste der mörderischen Verbrechen Globocniks: Nach dem „Anschluss“ Österreichs agierte er einige Monate als Gauleiter in Wien und war maßgeblich für die Judenverfolgung mitverantwortlich. Infolge der deutschen Besetzung Polens wurde er SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin, im Generalgouvernement unterstanden ihm die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka. Ende Mai 1945 nahmen ihn Angehörige der britischen Armee in Kärnten fest; nach seinem ersten Verhör beging er Selbstmord.

Unter den acht Frauen, in deren Gedenken am Rudolfsplatz 3 Namensplatten verlegt wurden, sind auch zwei Jüdinnen: Am 28. November 1943 ließ die Gestapo Salzburg Regine und Federica Verschleisser, Mutter und Tochter, vom Polizeigefängnis der Stadt Salzburg nach Auschwitz deportieren. Beide wurden in diesem Vernichtungslager ermordet. Erwiesen ist ferner, dass Adolfo Verschleisser, Ehemann und Vater der beiden, im KZ Dachau zu Tode kam. „Mitglieder der Familie Verschleisser suchten wir allerdings vergeblich unter den Terroropfern, die in der 1991 publizierten Dokumentation Widerstand und Verfolgung in Salzburg oder in der Opferdatenbank des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) aufscheinen“, berichtetet Thomas Randisek, Geschäftsführer des Erinnerungsprojektes. „Dennoch ist es uns mittlerweile gelungen, die Identität der Shoah-Opfer Regine, Adolfo und Federica Verschleisser zu klären: Regine wurde 1879 im österreichischen Kronland Galizien als Tochter des Ehepaares Lea und Leo Seemann geboren“, Adolfo, ihr späterer Mann, 1872 in Lemberg. Nachforschungen des engagierten Teams in Salzburg belegen, dass die dreiköpfige Familie einige Jahrzehnte in der vormals österreichischen Hafenstadt Pola (kroatisch Pula) an der Adria lebte.

Wie aus dem fragmentarisch überlieferten Haftbuch des Polizeigefängnisses der Stadt Salzburg hervorgeht, ließ die Gestapo Salzburg rund 300 Frauen ausländischer Herkunft nach Auschwitz und über 100 Frauen nach Ravensbrück deportieren. Wenigstens acht dieser Opfer sind jetzt nicht gänzlich vergessen, weil ihre Namen noch frisch auf Messing glänzen.

 

* Persönliche Anmerkung der Autorin: Einziger Schandfleck dieses wichtigen Projektes ist die Tatsache, dass die Erinnerungsschilder auf dem Trottoir und vor Haustoren verlegt sind, wo man unweigerlich auf sie „treten und beschmutzen“ muss.
Das ist ein trauriger Kompromiss, der wegen der Eigentumsverhältnisse eingegangen wurde.

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