Nach über vier Jahren wurde im März die Haftanstalt Holot für Asylsuchende in der Negev-Wüste geschlossen. Nicht nur die Asylbewerber aus dem Sudan und Eritrea, sondern auch die NGOs haben für die Schließung von Holot gekämpft. Doch was dann kam, hat keiner vorhergesehen: Im Januar kündigte die israelische Regierung eine Frist von drei Monaten für Asylwerber an. Sie müssen ausreisen. Diejenigen, die am 1. April noch im Lande sind, müssen mit unbestimmter Haft in Israel oder mit Abschiebung nach Ruanda oder Uganda rechnen. Vorerst nicht davon betroffen sind Frauen und Kinder.
Die meisten afrikanischen Asylbewerber leben in Süd-Tel-Aviv, 90 Prozent laut Polizeistatistiken, die restlichen 10 Prozent verteilen sich auf das Land. Neve Sha’anan, die Nachbarschaft neben dem zentralen Busbahnhof, hat die meisten Asylbewerber in der Gegend aufgenommen.
Die „rationalen“ Argumente für den Abschub seien, dass die Asylsuchenden die Probleme in Süd-Tel-Aviv verursachen. Doch diese sind nicht stichfest. Das Hauptargument mehrfacher Verbrechen wurde statistisch nie belegt. Es gibt keine Beweise dafür, dass sie mehr als andere Bevölkerungsgruppen Israels in kriminelle Aktivitäten verwickelt sind. Das andere Hauptargument, dass die meisten von ihnen Wirtschaftsflüchtlinge seien, hat sich auch nie bestätigt.
Neve Sha’anan, die Nachbarschaft neben dem zentralen Busbahnhof, hat die meisten Asylbewerber in der Gegend aufgenommen.
Die Asylsuchenden sind zu einem großen Teil Opfer eines internen politischen Kampfes in Israel. Ein traditioneller Kampf zwischen den Lagern, rechts und links, der nichts mit ihnen zu tun hat. Und diese politische Auseinandersetzung kann das Schicksal von Tausenden von Menschen bestimmen, unabhängig von Fragen der jüdischen Moral.
Diejenigen, die die Abschiebung befürworten, sprechen oft von ihren persönlichen Erfahrungen. Ich kann auch über meine persönlichen Erfahrungen sprechen: Neve Sha’anan liegt bei mir um die Ecke, und auch ich habe diesen Ort gemieden, bevor ich die Menschen aus dieser Nachbarschaft kennen gelernt habe.
Die Situation in Neve Sha’anan ist skandalös. Eine Schande für den Staat und für die Stadt Tel Aviv. Überall Bierdosen, der Gestank von Abwasser, Umschlagplatz für Drogen-Junkies, Ratten en masse und Frauen, die ihre Körper verkaufen. Die Menschen in der untersten Schicht der israelischen Gesellschaft konzentrieren sich auf den Ort, an dem dafür gesorgt wird, dass er der niedrigste Ort auch bleibt. Und die Asylbewerber sind auch dort.
Der Kampf gegen die Abschiebung bringt viele Emotionen hervor, wöchentliche Demonstrationen und harte Auseinandersetzungen in den Medien, die viele Zuschauer anziehen. Die Asylsuchenden freuen sich über die Mobilisierung der Öffentlichkeit, aber ein großer Teil der Einwohner Süd-Tel-Avivs teilt nicht die gleiche Meinung. Sie finden, dass die NGOs nicht genug auf ihre Notlage hören, und sie sehen keine Massenmobilisierung von Menschen in Israel, um ihre Situation zu verbessern. Von den Demagogen bekommen sie einen freundlichen Schulterklopfer, aber die Lebensbedingungen im ehemaligen Arbeiterviertel Neve Sha’anan sind gleich geblieben.
Der Kampf kann hier nicht aufhören. Während sich Tel Aviv als Hightechhauptstadt rühmt und tausende Touristen an der neu renovierten Strandpromenade entlang laufen, darf nicht darauf vergessen werden, in Süd-Tel-Aviv die Mülltonnen zu leeren.