„Es war eine Art von Eingebung“

Von Veronica Taussig zu Veronika Jurkowitsch und wieder retour oder der lange Weg zur Kunst.

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Veronica Taussig. „Ich arbeite unter meinem Mädchennamen, denn ich wollte nicht, dass sich mein Mann für mich blamieren muss.“ © Mikolaj Tym

Ein besonders tiefes Rot, ein sehr sonniges Gelb, mit diesen intensiven Farben umgibt sich Veronika Jurkowitsch am liebsten. Vorhänge, Wandbespannungen, Polstermöbel im wunderschönen Hietzinger Haus, die Blumen im großen Garten, wenn es Sommer ist, und ihre Kunstwerke im Atelier leuchten gleichsam um die Wette. Von innen strahlen ihre roten Light-Boxen, von außen werden ihre hohen Skulpturen angestrahlt, und sie selbst strahlt auch, wenn von ihrer Arbeit die Rede ist. Detailliert und wortreich beschreibt sie etwa ein Werkstück, an dem sie gerade arbeitet, eine Technik oder ein Material.
„Ich mache zum Beispiel Collagen mit gedrehtem, buntem Papier, da entstehen dann diese dreidimensionalen Bilder mit speziellen Effekten. Ich habe solche Arbeiten noch nirgends sonst gesehen, obwohl ich viele Ausstellungen besuche. Auf diese Technik bin ich selbst gekommen. Es war eine Art von Eingebung.“
Veronika vertraut Eingebungen, lässt sich von ihrer Phantasie leiten, von Bildern, Formen und Farben, die ihr nachts durch den Kopf gehen, wie sie erzählt. Als sie vor einigen Jahren mit ihrem Mann im New Yorker MoMA vor den Cut-Outs von Henri Matisse stand, muss sie wohl auch so eine Art von Eingebung gehabt haben. „Du Franz, das kann ich auch!“, hat sie da plötzlich ihrem erstaunten Mann erklärt. Und als der sie bald darauf in Wien daran erinnerte und sehen wollte, ob sie das „auch kann“, da hat sie jede Menge Material eingekauft und begonnen, eigene Cut-Outs zu machen. Das war die Initialzündung, der Anfang ihrer Metamorphose von Veronika Jurkowitsch zu Veronica Taussig, wie sie sich als Künstlerin nennt. „Ich arbeite unter meinem Mädchennamen, denn ich wollte nicht, dass sich mein Mann, der ursprünglich etwas skeptisch war, für mich blamieren muss. Jetzt wäre das, so glaube ich, schon etwas anders.“

»Ich habe spät begonnen und freue mich, dass ich an mir noch ein Talent entdeckt habe.«
Veronika Jurkowitsch

Von Temesvár nach Wien. Doch erst einmal zurück zu den Anfängen und damit zur Familiengeschichte der Taussigs, die aus Rumänien stammen.
„Mein Vater kommt aus einer Fabrikantenfamilie in Temesvár, die eine Spiritusfabrik hatte, und meine Mutter aus Arad in Rumänien. Ihre Eltern hatten einen Gewürzhandel. Beides waren jüdische Familien, aber wir sind überhaupt nicht religiös erzogen worden. Nur zu den großen Feiertagen war ich manchmal mit meiner Großmutter im Tempel.“
Den Krieg haben die Taussigs in Temesvár überlebt. „Man hat ihnen aber natürlich alles weggenommen. Meine Eltern wollten schon 1948 weg und haben sich danach lange um Auswanderung in verschiedene Länder, unter anderen auch Israel, bemüht, aber als Juden, Kapitalisten und Bourgeois hatten wir schlechte Karten. Erst 1961 gelang es uns, nach Wien zu kommen. Meine Muttersprache war Ungarisch, aber ich habe in Temesvár die deutsche Nikolaus-Lenau-Schule besucht und konnte daher Deutsch. Ich habe dann alle Gymnasien Wiens besucht, denn ich war wahnsinnig neugierig auf Schulen“, kommentiert sie lachend ihre wenig erfolgreiche Schulkarriere.
Schon sehr jung hat Veronika ihren Mann Franz kennengelernt, hat geheiratet und Zwillinge bekommen und war damit zunächst vollauf beschäftigt. Doch lange hat sie das nicht ausgelastet, und kaum waren die Kinder herangewachsen, suchte sie eine andere Herausforderung.
„Die Firma Warimpex, bei der mein Mann Miteigentümer ist, hat Hotels gebaut und entwickelt, und nachdem mich die Innendekoration immer gereizt hat und ich mir das auch zugetraut habe, hat mir mein Mann die Chance gegeben, Hotels einzurichten. Ich habe dann viele Häuser im Vier- und Fünfsterne-Bereich ausgestattet.“
Diese Phase fand mit der geänderten Firmenstrategie ein natürliches Ende, und da traf es sich glücklich, dass Veronika, offenbar auf der Suche nach Neuem, in New York schließlich Matisse und damit ihre künstlerische Berufung entdeckte. Auf die von ihm inspirierten Cut-Outs, die sie bald langweilten, folgte bald Größeres, Raumgreifendes, sprich Skulpturen, die sie nun in vielen Variationen, Dimensionen und Materialien entwirft.

Vom Entwurf zur Skulptur. „Ich mache den Entwurf und bemale ihn ich auch, und Spezialwerkstätten setzen diesen dann in die entsprechenden Materialien um. Ich habe zuerst mit Holz, dann mit Aluminium, Nirosta, Messing und Plexiglas gearbeitet. Ich entwerfe auch Light-Boxen, also von innen beleuchtete Skulpturen. Seit Jahren arbeite ich regelmäßig viele Stunden am Tag und habe seit Kurzem daheim ein eigenes Atelier. Wenn meine Entwürfe aus der Werkstätte zurückkommen, habe ich eine Riesenfreude. Zuerst die Freude, dass ich einen Einfall realisieren konnte, und dann die Freude, dass es wirklich schön gemacht ist. Denn ich arbeite mit Styropor oder Kapa-Platten, das sind natürlich keine tollen Materialien, und wenn das dann aus edleren Materialien verwirklicht wird, ist es eben eine große Freude.“
Ihre ungebrochenen Lieblingsfarben Rot, Schwarz und Gelb und ihre klaren, oft geometrischen Formen sind mittlerweile so etwas wie ihre Trademark, etwas, woran man eine Veronica Taussig sofort erkennen kann, auch wenn sich manchmal vielleicht ein starkes Grün, ein Violett, ein Blau oder frei schwingende Linien darunter mischen.
Eine ganz andere Stimmung verbreiten die Wohnräume, wo sich an den Wänden Bild an Bild in enger Hängung drängt.
„Diese Bilder hier sind zum Großteil von meinen Großeltern, auch die haben schon gesammelt, und ich habe gerettet, was ich konnte. Wir selbst sammeln ganz Verschiedenes. So zum Beispiel Werke des ungarischen Impressionismus, der mir immer gefallen hat. Vom Österreicher Georg Eisler haben wir eine große Sammlung an Grafiken und einiges von zeitgenössischen polnischen Malern, die wir zum Teil selbst gekannt haben.“
Ihre künstlerischen Vorbilder kommen allerdings nicht aus diesen Bereichen. In der Plastik sind Alberto Giacometti und Constantin Brâncuși ihre Götter, und zur Malerei „mit dem Pinsel“ fühlt sie sich ohnehin nicht berufen.
„Wenn ich Leinwand verwende, dann schütte ich aus Tiegeln und sehe, wie die Farben zusammenlaufen und Schüttbilder entstehen. Dazu hatte ich einige Zeit Lust, habe dann aber damit aufgehört.“
Neues auszuprobieren, reizt sie immer wieder, und dass ihr dabei einmal die Ideen ausgehen könnten, diese Befürchtung hat sie nicht. „Wenn ich einige Tage keine Ideen habe, bin ich verzweifelt, aber dann gehe ich in mein Atelier, und da kommen plötzlich Ideen.“
Eine Inspiration kann manchmal auch ein ganz banales Material auslösen.
„Ich habe zum Beispiel nach dem Tod meiner Mutter bei ihr fantastisch besticktes, wunderschönes Bettzeug gefunden, das ich nicht brauchen kann. Da habe ich die bestickten Teile ausgeschnitten, auf ein Platte montiert, drüber gemalt und das Ganze dann in einen alten Fensterflügel eingespannt.“

Ausstellungen. Bei all der offensichtlichen Kreativität muss man sich fragen, wo diese so viele Jahrzehnte verborgen war.
„Die Lust, etwas zu machen, hatte ich immer und habe oft bedauert, dass ich nicht irgendein Handwerk erlernt habe. Durch einen Zufall ist das dann aus mir herausgebrochen, es war wirklich wie eine Explosion. Wenige Künstler haben wie ich diese Möglichkeit, so viel zu produzieren, ohne etwas verkaufen zu müssen, obwohl ich schon einige Stücke verkauft habe, aber darauf kommt es mir nicht an. Ich möchte mich einfach verwirklichen.“
Trotzdem sucht Veronica Taussig mit ihrer Kunst schon auch eine etwas größere Öffentlichkeit, und so hatte sie bereits Ausstellungen in Berlin, in Prag, in Łódź, in St. Petersburg und jüngst in Warschau. „Die Galerie dort ist schneeweiß, und alle meine Exponate sollten schwarz und weiß sein, obwohl ich meist farbig arbeite. In Liechtenstein, wo die nächste Ausstellung kommenden November sein wird, darf es dann wieder bunt sein.“
veronica-taussig.com

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