Es wird lichtiger

Vom Kampf gegen Populismus, von Duckmäuserei und wie die Kultusgemeinde Stellung bezog – Gedanken nach der Bundespräsidentenwahl. Ein Kommentar von Doron Rabinovici

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Wir wissen ja sonst recht gut, wo wir zuhause sind, und zwar eben deshalb, weil wir uns da oft kaum daheim fühlen. Zuweilen kommt uns das Ganze hier ziemlich eigen vor, doch wie schön, wenn wir hin und wieder erkennen, dass uns mit vielen mehr eint, als wir glauben – ob wir nun dabei fromm sind oder nicht.
Da war etwa ein Kandidat, der schon im ersten Wahlgang als Einziger klar für die Europäische Union und für eine Perspektive jenseits des völkischen Populismus eintrat. Wir wären ja schon zufrieden gewesen, hätte er nur die Menschenrechte hochgehalten. Aber nicht bloß forderte er derart überzeugend Vernunft ein, dass manche, wenn sie ihm zuhörten, eine kleine Müdigkeit zu überkommen drohte und sie befürchteten, er verwechsle den Wahlkampf schon mit dem Protokoll der Präsidentschaftskanzlei. Nein, dieser Mann fiel zudem durch Eigenschaften auf, die sonst hierzulande selten sind. Wir kennen die heimischen Politiker, die nichts von ihrem eigenen alten Antisemitismus hören wollen, nur um den neuen bei Andersartigen beklagen zu können, und wir wissen auch von jenen Parteirepräsentanten, die sich vornehmlich um die toten Juden sorgen, um dann bloß um so besser gegen die lebenden im Nahen Osten zu  hetzen. Alexander Van der Bellen nahm hingegen immer die Verantwortung gegenüber der Vergangenheit ernst und demonstrierte zugleich im Ernstfall Solidarität mit Israel.
So einen Bundespräsidenten hatte dieses Land noch nie. Hier sagte einer, er werde den Populisten im Rahmen seiner Möglichkeiten die Stirn bieten. Ist das nicht die eigentliche Botschaft dieses Urnengangs? Könnte es sein, dass Van der Bellen just deshalb gewann, weil er gegen die Kampagne des Hasses einen eindeutigen Standpunkt einzunehmen wagte? Gegen die Angstmache hilft kein banges Zurückweichen, sondern nur ruhige Prinzipienfestigkeit.

„Gegen die Angstmache hilft kein banges Zurückweichen, sondern nur ruhige Prinzipienfestigkeit.“

Ist das nicht Teil einer jüdischen Erfahrung? Es nutzt nichts, sich selbst zu verleugnen. Dadurch gewinnt niemand den Respekt der Scharfmacher. Im Gegenteil. Verachtung kann nicht durch Duckmäuserei entkräftet werden. Es geht darum, die Stimme zu erheben. Wichtig war, wie eindeutig die Kultusgemeinde Stellung bezog. Die jüdische Erinnerung spielte eine Rolle. Gertrude, eine Überlebende der Schoah, erreichte Millionen mit ihrem Appell, nicht Hofer zu wählen.
Wir sind nicht so schwach, wie uns zuweilen eingeredet wird. Wir stehen auch nicht ganz alleine. Anders als etwa Sebastian Kurz, Minister für Europa, Integration und Äußeres, schwiegen viele nicht: ob Christian Kern, Reinhold Mitterlehner oder Othmar Karas: Persönlichkeiten aus verschiedenen Parteien unterstützten Van der Bellen und sprachen sich für ein vereintes Europa aus. Das Wahlergebnis stärkt ihre Position.

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