Israelis vergleichen die Eckdaten ihres Landes gerne mit anderen OECD-Staaten. Das schafft Zugehörigkeit, ändert aber nichts daran, dass es 66 Jahre nach der Staatsgründung keinen Konsens darüber gibt, was Zionismus bedeutet oder in seinem Namen erlaubt oder notwendig wäre. Von Gisela Dachs
Das Dolphinarium am Strand beherbergt schon lange keine Diskothek mehr. Graffiti erinnern an die Vergangenheit des heruntergekommenen Gebäudes. „Wir werden nicht aufhören zu tanzen“, steht dort. Das muss jemand nach dem Anschlag vom Juni 2001 hingesprüht haben. Für die Kinder und Teenager, die jetzt in Neoprenanzügen auf dem Vorplatz unter einer Plane im Schatten sitzen, ist das außer „Reichweite“. Sie waren zu klein oder noch gar nicht auf der Welt, als sich hier ein Palästinenser in die Luft jagte und 21 Jugendliche gewaltsam mit in den Tod riss, die sich hatten vergnügen wollen. Da hatte die Zweite Intifada gerade erst so richtig Fahrt bekommen. Aber das ist im April 2014 weit weg vom Bewusstsein der Kursteilnehmer, die gerade mit Begeisterung das Surfen lernen. Ihnen bietet Tel Aviv ein sorgenfreies Frühjahrsdasein.
Allein der Stil des Ausbilders gibt einen Vorgeschmack darauf, was sie in ein paar Jahren erwartet. Man verlangt von ihnen nämlich ein Verhalten „wie Soldaten“ – soll in diesem Fall heißen, genau hinhören und die Anordnungen befolgen, keinen Quatsch machen, denn „im blauen Meer draußen ist man mit sich und dem Brett ganz allein“. Er macht klare Ansagen und schafft Raum für Kritik am Tagesablauf, die prompt kommt. In jedem Fall schafft er es, die kleine bunte Gruppe mit Humor zu disziplinieren und gleichzeitig zu motivieren. Das hat er geübt, und nicht nur auf dem Sportplatz. Es besteht kein Zweifel, dass der barfüßige Mann in Shorts so ähnliche Sätze auch als Offizier in Uniform zum Besten gibt.
Eltern vergewissern sich gerne, dass ihre Sprösslinge sich in den Händen junger Leute „nach der Armee“ – und nicht davor – befinden. So sehr das einst ruhmreiche Image des israelischen Soldaten im Ausland auch angeschlagen sein mag, im Lande selbst ist die Militärpflicht ein fester und nach wie vor wichtiger Bestandteil des Lebens. Vorbei sind allerdings die Hoffnungen, dass sich das in absehbarer Zeit ändern könnte. Jedenfalls sagt heute keine Mutter mehr bei der Geburt eines Kindes, dass es, wenn es denn einmal groß sei, ja vielleicht gar nicht mehr zum Militär müsse.