Falafel und Humus sind sein Metier

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Dr. Falafel steht in großen Lettern auf dem Naschmarkt-Stand, an dem Emanuel Yagudayev gut gelaunt seine Waren anpreist. Sein Humus und seine Falafelbällchen werden inzwischen auch in vielen Wiener Restaurants serviert. Von Alexia Weiss

Der Staat Österreich ist für mich Heimat geworden“, erzählt Emanuel Yagudayev. Das Land habe ihm, seiner Familie „so viel gegeben“. Und es ärgert ihn, dass viele Österreicher vieles nicht zu schätzen wüssten. Er wiederum schätzt das gute Auskommen mit seinen Nachbarn am Naschmarkt, die aus der Türkei kommen, aus Ägypten, Christen sind oder Muslime. „Wir verstehen uns gut. Wir leben da – und dennoch fühlt sich jeder ein bisschen als Gast. Wir sind Gäste und müssen uns auch so benehmen. Dafür passt alles.“

Vom Zahntechniker zu Dr. Falafel

Yagudayev hat nicht immer Falafel gebraten und neue Humussorten gezaubert. Stolz ist er übrigens auf seine letzte Kreation: Korianderhumus. Eigentlich hat er in Israel den Beruf des Zahntechnikers erlernt. Doch der hat ihm keinen Spaß gemacht. „Ich sitze nicht gerne allein in einem Zimmer. Ich muss in Kontakt mit Menschen sein.“ Seine Mutter hätte ihn gerne als Arzt gesehen. Doch die Familie konnte es sich nicht leisten, ihm das Medizinstudium zu finanzieren. Als er für seinen Stand nach einem Namen suchte, kam ihm „Dr. Falafel“ in den Sinn. Um der Mutter eine Freude zu machen. Nein, das hat Yagudayev nicht ernst gemeint. Und lacht. In Israel tendiere man zu Namen wie „Falafelkönig oder -prinz“. In Österreich seien dagegen Titel wichtig. So sei der Name entstanden.

Seit 1997 steht er auf dem Naschmarkt. Nach und nach hat er sich dort ein Imperium geschaffen. Als „Dr. Falafel“ produziert er heute 10.000 bis 12.000 Falafel-Bällchen in der Woche. Diese werden nicht nur auch auf vielen anderen Naschmarkt-Ständen angeboten, sondern auch an den meisten Falafel-Buden der Stadt sowie in vielen Wiener Restaurants. Groß im Geschäft ist er auch mit Humus. An die zehn Tonnen Kichererbsenpüree importiert er im Monat aus einer Fabrik in Holland, die in Österreich nur an ihn liefert. Wenn das Humus in Dreiliterbehältern in Wien ankommt, ist es übrigens koscher. Wenn es allerdings mit verschiedensten Gewürzen weiterverarbeitet wird, geschieht das ohne Aufsicht eines Maschgiach.

Falafelgewürzmischung ist ein Familiengeheimnis

Das Rezept für die verwendete Falafelgewürzmischung ist ein Familiengeheimnis. Bekommen hat es Yagudayev von seinem Vater, der als usbekischer Einwanderer in Israel seinen ursprünglichen Beruf als Ingenieur sprachbedingt nicht ausüben konnte. So öffnete er eine Falafelhütte.

Als Kind konnte Yagudayev nicht nachvollziehen, warum sich seine Eltern so schwer taten mit dem Erlernen des Ivrit. Er selbst war fünf Jahre alt, als die Familie aus Samarkand nach Eretz Israel auswanderte, übrigens mit Zwischenstation in Wien und das, wie er stolz erzählt, genau zu jener Zeit im Juni 1972, als Golda Meir zu Besuch in Österreich war. Zu Hause wurde in Israel weiter Bucharisch gesprochen, das Yagudayev als „jiddisches Persisch“ beschreibt. Hebräisch hat er als Kind sehr rasch erlernt.

Nach dem Militärdienst machte er sich, wie so viele andere junge Israelis auch, auf, um die Welt zu entdecken. Ihn zog es allerdings nicht nach Asien, sondern nach Europa. Hier schnupperte er zunächst bei entfernten Verwandten in die Naschmarkt-Atmosphäre, hier blieb er nach seiner ausgedehnten Europatour aber vor allem vier Jahre als Mitarbeiter der Sicherheit der IKG hängen. Erst in dieser Zeit hat er auch nach und nach Russisch erlernt, das er inzwischen, in zweiter Ehe mit einer russischen Jüdin, die im Alter von 17 Jahren nach Wien kam, gut beherrscht. „Nur schreiben kann ich es bis heute nicht.“

Seit 1997 am Naschmarkt

Endgültig nach Wien verschlagen hat es Yagudayev allerdings erst, als seine erste Ehe in Israel in die Brüche ging und er den Streit um das Kind – heute steht die Tochter kurz davor, selbst zum Militär zu gehen – nicht mehr aushielt. Hier sollte er zunächst für eine Firma, die Schlösser herstellt, arbeiten, doch der Job zerschlug sich. Seit 1997 steht er auf dem Naschmarkt. Inzwischen betreibt er mit seinem Bruder Israel Jaakov Yagudayev als Partner nicht nur „Dr. Falafel“, sondern auch „Sarahs Früchte“ und „Gewürzland“.

Die Kinder müssen spüren, dass es nicht so leicht ist, das Geld zu verdienen.

Und er liebt seine Arbeit. Hier kommt er mit vielen Menschen zusammen, hier hat er einen abwechslungsreichen Alltag. Das Geschäft wird als Familienbetrieb geführt. Neffe Itay kümmert sich um Werbung und die Website. Und neben den beiden Brüdern stehen auch deren Frauen auf dem Naschmarkt – in brütender Hitze und klirrender Kälte. Etiketten werden schon auch einmal zu Hause geklebt, und da hilft dann auch manchmal der älteste Sohn mit. Drei Söhne hat Yagudayev hier in Wien, heute sechs, neun und zehn Jahre alt. „Die Kinder müssen spüren, dass es nicht so leicht ist, das Geld zu verdienen.“

Was sie später einmal machen, stellt er ihnen jedoch frei. Gerne sähe er es, wenn sie einmal an der Uni studieren. Aber wenn sie sich für den Naschmarkt entscheiden, ist ihm das auch recht. „Das, was sie tun, müssen sie gerne tun.“ Noch gehen die Buben einige Jahre in die Schule. Entschieden hat sich die Familie Yagudayev dabei für die Lauder Chabad Schule. Die Kinder sollen eine klare jüdische Identität haben.

Auch wenn die verkauften Produkte mehrheitlich nicht koscher sind, zu Hause führen die Yagudayevs ihren Haushalt entsprechend den jüdischen Speisevorschriften. Jeder Gast müsse sicher sein, dass die servierten Speisen koscher sind, das ist „Dr. Falafel“ wichtig. Dass er selbst am Samstag meist am Stand steht und daher nicht Schabbat halten kann, tut ihm leid. „Aber da ist nun einmal das Hauptgeschäft.“

Dennoch kommt er ins Grübeln

„Unsere Vor-Vorfahren haben immer davon geträumt, in Israel zu leben. Wir haben die Möglichkeit und machen es nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich etwas versäume. Manchmal habe ich auch das Gefühl, ich packe jetzt alles ein und fahre nach Israel. Doch meine Frau will nicht nach Israel.“ Leidenschaftlich betont er aber auch, dass Österreich nun seine Heimat ist. „Die Lebensqualität hier ist sehr gut. Und wem es nicht passt, den frage ich: Was machst du da? Und wenn jemand sagt, seine eigentliche Heimat ist Israel, ist meine Antwort: Dann leben Sie auch dort.“

Zur Person

Emanuel Yagudayev, geboren 1967 in Samarkand/Usbekistan, 1972 Emigration über Österreich nach Israel. Ausbildung zum Zahntechniker, Militärdienst, danach Urlaub in Europa mit erstem längeren Wien-Aufenthalt, schließlich vier Jahre bei der Sicherheit der IKG beschäftigt. Rückkehr nach Israel. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau neuerliche Emigration nach Österreich. Hier 1997 Beginn seiner Arbeit am Naschmarkt, Kauf des Stands „Taverna“. Nach drei Monaten Beginn der Falafel-Produktion. 1998 Beginn des Handels mit Humus und Falafeln. Umbenennung des Standes in „Dr. Falafel“. Inzwischen auch Inhaber von „Sarahs Früchte“ und „Gewürzland“. Yagudayev ist erneut verheiratet und Vater einer Tochter aus erster Ehe, die in Israel lebt, sowie von drei Söhnen, die in Wien zur Schule gehen.

www.dr-falafel.at 

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