FARBE, LANDSCHAFT, ATMOSPHÄRE

Die Kunsthalle Krems zeigt Gemälde und Zeichnungen von Helen Frankenthaler, einer der wichtigsten Repräsentantinnen des amerikanischen abstrakten Expressionismus.

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Gordon Parks: Untitled – Helen Frankenthaler, umgeben von ihrer Malerei, New York, 1957. © Courtesy of and © The Gordon Parks Foundation

Es sind feine Gespinste auf Papier und mächtige Gemälde. Konkrete Gegenstände, Orte, Menschen findet man wohl nicht auf den Werken von Helen Frankenthaler. Aber ihre abstrakten Farbkompositionen lassen immer wieder Landschaften erahnen, geben das Gefühl von Sonne, Hitze und Flirren der Luft wider, führen die Betrachterinnen und Betrachter ihrer Bilder in andere Welten, meist mit einer positiven Grundstimmung. Kaum einmal wird es düster oder derb.

Florian Steininger, künstlerischer Direktor der Kunsthalle Krems und Kurator der Ausstellung, hat vor drei Jahren mit den Vorbereitungen für die FrankenthalerSchau begonnen. Er selbst hat sich schon im Studium intensiv mit den amerikanischen „abstract expressionists“ befasst, und man sieht ihm die Freude an, dass es gelungen ist, mehr als 70 Arbeiten Frankenthalers nach Krems zu bekommen.

Sie experimentierte auf dem Papier, um das dann später in großen Gemälden umzusetzen. Billboard Study, 1966.© 2022 Helen Frankenthaler Foundation, Inc.

„Ihr Werk wurde im deutschsprachigen Raum sehr selten umfassend gezeigt“, erzählt der österreichische Kunsthistoriker. Es ist auch in europäischen Museen und Sammlungen kaum vertreten. Lediglich ein großes Gemälde findet sich im Wiener Museum Moderner Kunst – und bildet jetzt den Abschluss der Ausstellung in Krems. Dazu kommt noch eine kleine Arbeit aus Privatbesitz eines österreichischen Sammlers. Hauptleihgeberin und Kooperationspartnerin der Ausstellung ist die Helen Frankenthaler Foundation in New York, erzählt Steiniger, der die Schau kuratiert hat – eine Kooperation mit dem Museum Folkwang in Essen, das ab Jahresende unter demselben Titel die beinahe idente Werkauswahl zeigen wird.

Wer war Helen Frankenthaler?
Sie wurde 1928 in New York in eine liberale jüdische großbürgerliche Familie hineingeboren. Ihr Vater Alfred Frankenthaler urteilte als Richter am Obersten Gericht des Staates New York, ihre Mutter, eine geborene Löwenstein, war als kleines Kind mit ihrer Familie aus Deutschland in die USA gekommen. Die Familie lebte auf der eleganten Upper East Side, und Helen konnte ebenso wie ihre beiden Schwestern studieren.

Sie absolvierte erst eine so genannte Prep School für wohlhabende Kinder in New York, die Dalton School, und besuchte dann das Bennington College in Vermont, wo sie Malerei studierte. Das setzte sie dann nach ihrem Abschluss mit Privatstunden fort, unter anderem bei Hans Hofmann. In Krems sieht man ein ganz frühes Werk der jungen Künstlerin, das offensichtlich in der Tradition von Pablo Picasso und George Braque steht.

Doch dann wandte sie sich anderen Vorbildern und Strömungen zu. Es war vor allem Jackson Pollock, der sie mit seinen großformatigen abstrakten Tropfbildern beeinflusste, sie besuchte ihn wiederholt in seinem Atelier. Und sie war im Frühjahr 1951 bereits bei einer großen Ausstellung, der 9th St. Exhibition of Paintings and Sculpture, vertreten, die als Gründungsausstellung des New Yorker abstrakten Expressionismus gilt. Diese wurde von 61 Männern und nur elf Frauen bestritten. Für die 23-Jährige war es ein bedeutender Schritt, hier dabei sein zu können, etwa neben Lee Krasner, der Frau von Jackson Pollock.

Bildrecht Wien, Foto © Jim Banks; Reinhard Engel

 

„Ihr Werk wurde im deutschsprachigen Raum
sehr selten umfassend gezeigt.“
Florian Steininger

 

 

 

Nun findet sie auch ihren Stil. Kurator Steininger erzählt dazu: „1952 entstehen Frankenthalers revolutionäre, groß formatige Soak-Stain-Bilder. Sie breitet dafür unbehandelte Leinwände auf dem Boden aus und trägt dann verdünnte Ölfarbe mit unterschiedlichen Werkzeugen auf: direkt aus Farbdosen geschüttet, mit Pinseln, Schwämmen, Wischmops oder anderen Mitteln.“ Dabei bewegt sie sich auch direkt im Bild, kommt damit schon in die Näher des Action Paintings.

Ölgemälde mit Kohlestrichen. Aus dem Jahr 1952 datiert auch eines ihrer berühmtesten Werke: das in Pastellfarben gehaltene Ölgemälde mit Kohlestrichen Mountains and Sea. Es zeigt weder konkrete Berge noch das Meer und fasziniert dank seiner kräftigen Dynamik. 1955 wird ein erstes Werk von Frankenthaler vom Museum of Modern Art angekauft.

Helen Frankenthaler.
Malerische Konstellationen.
bis 30.10.2022 i. d. Kunsthalle Krems
kunsthalle.at

Privat war sie in diesen Jahren mit dem bekannten Kunstkritiker Clement Greenberg liiert, er galt als Spezialist für die abstrakten Expressionisten. Nach der Trennung heiratete sie den Maler Robert Motherwell, das Paar ließ sich Anfang der 1970er-Jahre scheiden.

Frankenthaler, die 2011 starb, blieb zwar ihrem grundsätzlichen Malstil treu, änderte aber immer wieder ihre Perspektiven und Schwerpunkte. So findet sich etwa eine Phase mit streng horizontal gegliederten abstrakten Gemälden, die aber dennoch an Landschaften erinnern. „Sie hat gesagt, sie spielt auch mit dem Zufall, sie experimentiert auf dem Papier, um das dann später in großen Gemälden umzusetzen“, erläutert Steininger.

Er hat sie zu seinem Bedauern nicht mehr persönlich kennen gelernt, „aber man weiß, dass sie eine starke Persönlichkeit war, sehr selbstbewusst.“ Die gefühlvoll präsentierten Werke von Helen Frankenthaler werden mit einer Schwarz-Weiß-Fotoserie des in Wien geborenen Magnum-Fotografen Ernst Haas ergänzt, der sie im Jahr 1969 bei ihrer Arbeit im Atelier begleiten durfte. Höchste Anspannung, dann wieder Nachdenklichkeit, schließlich körperlicher Einsatz beim Beugen über die großen Leinwände werden über die Jahrzehnte hinweg frisch ins Heute transponiert und wieder zum künstlerischen Leben erweckt.

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