Claudia Roden: „Das Buch der jüdischen Küche“ – eine kulinarische Reise durch Zeiten und Räume. Von Anita Pollak
Es fehlt ein „n“. Denn, das sei gleich als Fazit vorweggenommen: die jüdische Küche, die gibt es nicht. Die jüdischen Küchen, die gibt es allerdings. Und wie und wo es sie gibt, wie vielfältig, wie verschieden, wie reizvoll und wohlschmeckend sie sind und sein können, genau das zeigt ein neuer gewichtiger Band auf über 500 Seiten. The Book of Jewish Food, im englischen Sprachraum ein Standardwerk, nun erstmals auf Deutsch, ist in mehrerer Hinsicht das Lebenswerk der heute 75-jährigen Autorin, die aus Ägypten stammt und seit vielen Jahrzehnten in England wohnt. Ihre Wurzeln reichen zurück in eine syrische Rabbinerfamilie und in die Türkei.
Aufgewachsen ist Claudia Roden im gebildeten französischsprachigen Milieu des einst reichen jüdischen Großbürgertums in Kairo, wo man sich Köche und Bedienstete hielt und vor den Feiertagen noch wandernde Köche dazu engagierte, um die riesigen Mengen und vielfältigen Speisen für die große Verwandtschaft zu bereiten. Nach der Suez-Krise und dem Krieg mit Israel war es mit dem Idyll zu Ende und die Familie verließ die Fleischtöpfe Ägyptens. In nostalgischer Erinnerung daran schrieb Claudia Roden bereits früh übers Essen des Mittelmeerraums, mit besonderer Betonung seiner kulturhistorischen Bedeutung. Aus dem sephardischen Judentum kommend, heiratete sie in eine russischstämmige aschkenasische Familie ein und lernte damit eine gänzlich andere jüdische Tradition kennen. Ihre Schwiegermutter kostete allerdings nie eines ihrer köstlichen sephardischen Gerichte.
Tradition und Mannigfaltigkeit
Nach über 50 Jahren Recherche und Erfahrung im wahrsten Wortsinn, die sie in die entlegensten Gemeinden der Welt führte, ist Roden Expertin für beide so unterschiedlichen jüdischen Küchen geworden. Allein die Quantität der Rezepte zeigt jedoch, wo ihre besondere Liebe liegt: im reichen und raffinierten kulinarischen Erbe der Sepharden, die heute weltweit zwar nur ein Drittel des Judentums, im vorliegenden Band mit ihren Geschichten und Gerichten jedoch zwei Drittel des Umfangs ausmachen. Das ist letztlich auch gut so, denn so lernt man hierzulande viel Neues kennen, während uns Gefilter Fisch, Tscholent, Kigel & Co. weit eher vertraut sind. Aber selbst von diesen gibt es die mannigfaltigsten Variationen.