G-tteshäuser wechseln Konfession

1937

Vier Kirchen sind seit 2007 in Deutschland entwidmet und zu einer Synagoge umfunktioniert worden. Die Einweihung der fünften folgt im November dieses Jahr. Von Manja Altenburg 

Die evangelische Schlosskirche in Cottbus wird Sy­nagoge. Sie ist die erste im Land Brandenburg seit 76 Jahren. Alle 50 Synagogen wurden, wie andernorts, in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 zerstört. „Für jüdische Feiertage müssen wir bislang Säle mieten“, so Vladimir Velin, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Brandenburg. Doch nicht mehr lange. Im November 2014 wird die Synagoge eingeweiht.

Paul-Gerhardt-Kirche„Als ich dem Gemeindekirchenrat St. Nikolai vorschlug, dafür unsere Schlosskirche zu verkaufen, hat er sofort zugestimmt. Wir beten doch alle zum selben G-tt“, so Pfarrer Christoph Polster. Das ist nicht selbstverständlich. Als man vor sechs Jahren in Bielefeld erstmals nach Kriegsende den Schritt wagt, die evangelische Paul-Gebhardt-Kirche zu einer Synagoge umzuwidmen, geschieht das unter massiven Protesten von Gläubigen. Das Bielefelder Architekturbüro Klaus Beck ließ die Spitze des alten Kirchturms abreißen und durch ein rundes Dach ersetzen. Die Fassade wurde weiß verputzt und das Eingangsportal mit einer Fensterfront versehen. Im Inneren des Gemeindezentrums befinden sich eine Bibliothek, Veranstaltungsräume und ein Betraum. Wo vorher der der Altar stand, steht nun ein Toraschrein.

„Das ist ein Stück Wiedergutmachung für das, was wir jüdischen Gotteshäusern in unserer Geschichte zugemutet haben.“ Ingrid Spieckermann

Wir planen ein bisschen größer
Ausgezeichnete Verwandlung. Die Architekten der Synagoge der liberalen jüdischen Gemeinde in Hannover erhielten für den Umbau den Niedersächsischen Staatspreis für Architektur.
Die Architekten der Synagoge der liberalen jüdischen Gemeinde in Hannover erhielten für den Umbau den Niedersächsischen Staatspreis für Architektur.

Hannover erfreut sich eines regen jüdischen Lebens. Abzulesen auch an der Anzahl der Synagogen in der Stadt. Seit 2013 gibt es hier eine dritte Synagoge und die zweite, die ehemals eine Kirche war. Die evangelische Maria-Magdalenen-Kirche ist der Standort eines bundesweiten Zentrums für bucharische Juden. Mit ihren 300 Mitgliedern die größte Gemeinde Deutschlands. Bucharen haben ihre Wurzeln im asiatischen Teil der ehemaligen Sowjetunion. „Unsere Gemeinde ist sehr jung, der überwiegende Teil der Mitglieder ist unter 35 Jahre alt“, so Ehrenmitglied und Architekt Michael Krebs. Er rechnet damit, dass die Gemeinde schnell wächst. „Deshalb planen wir bereits ein bisschen größer.“ Nur die bunten Kirchenfenster sind geblieben. Besonders auffallend ist das Blau der Wände. Krebs erklärt, dass vor allem sehr religiöse orientalische Juden blaue Synagogen gebaut haben: „Das Blau war immer ein aus dem heutigen Afghanistan importiertes Lapislazuli, man musste viel Geld ausgeben, um die Wände blau einzufärben mit dem teuren Mineral, und deswegen haben wir hier die Räumlichkeiten, die ja mal christliche Räume waren, zu etwas gemacht, was unsere Heiligkeit trägt.“

Architekturpreis
Beith Tikwa in Bielefeld
Beith Tikwa in Bielefeld

Die evangelische Regionalbischöfin Dr. Ingrid Spieckermann freut sich über den Konfessionswechsel des Hauses: „Das ist ein Stück Wiedergutmachung für das, was wir jüdischen Gotteshäusern in unserer Geschichte zugemutet haben.“ Bereits 2008 eröffnet in Hannover in der früheren evangelischen Gustav-Adolf-Kirche eine Synagoge der liberalen jüdischen Gemeinde. Ein Jahr zuvor kann die erste und einzige progressive jüdische Kindertagesstätte Deutschlands in das Gebäude Einzug halten. Die Architekten Roger Ahrens und Gesche Grabenhorst aus Hannover erhielten die ursprüngliche äußere Gestalt des Gebäudes. Die Innenräume haben zurückhaltenden Charakter. Im ersten Obergeschoss befindet sich der Synagogenraum, der für G-ttesdienste, Versammlungen und Konzerte genutzt wird. Für ihren behutsamen Umbau wurden die Architekten 2010 mit dem Niedersächsischen Staatspreis für Architektur ausgezeichnet.

Portal zum Himmel
1. Besucherschlangen. Beim Tag der offenen Tür, drei Tage nach der Eröffnung 2011 von Beith Schalom in Speyer.
Besucherschlangen. Beim Tag der offenen Tür, drei Tage nach der Eröffnung 2011 von Beith Schalom in Speyer.

Drei Jahre später folgt Speyer dem Trend mit dem Umbau der ehemaligen St. Guido Kirche. Es ist die erste Synagoge seit 1938. Der Synagogenbau ist dreigeschossig. Sein Betraum liegt als Ellipse schräg auf dem östlichen Fundament der alten Hallenkirche. In der Mitte der Decke ist ein viereckiges Dachfenster mit Davidstern. Der Architekt Alfred Jacoby bezeichnet es als ein „Portal zum Himmel“. Der erhaltene Hauptteil der Hallenkirche wurde zum Gemeindezentrum umgebaut. Das Eingangsportal weist auf die benachbarte Friedenskirche St. Bernhard, die der Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich gewidmet wurde. Die Fenster um den Toraschrein weisen in Richtung des Speyerer Doms. Der Architekt Alfred Jacoby erläutert seine Grundidee: „Der Bau selbst widerspiegelt die Idee dieses Dialogs, denn er ist ab heute eine Verbindung zwischen der ehemaligen Kirche St. Guido und der neuen Sy­nagoge […]. Wenn man hier am Weidenberg steht, einem der ältesten Plätze der Stadt, begreift man aber auch, dass man optisch mit dem Speyerer Salierdom und mit der Versöhnungskirche St. Bernhard, die nach Frankreich orientiert ist und 1954 eingeweiht wurde, in Blickbeziehung steht. […] Diese Synagoge soll das Spannungsfeld, in dem Juden hier lebten und leben, bewusst machen.“ Verbunden bleiben mit diesen konfessionswechselnden G-tteshäusern immer gemischte Gefühle. Oder mit den Worten des Vorsitzenden des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Niedersachsens, Michael Fürst, anlässlich der Einweihung des bucharischen Zentrums in Hannover ausgedrückt: „Ich bin traurig über jede Kirche, die verschwindet. Aber wenn so etwas Gutes dabei herauskommt, dann überwiegt die Freude.“ ◗

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