Über das Bild der israelischen Soldatin in der Fotografie macht sich Jihan Radjai-Ordoubadi im Rahmen ihrer Doktorarbeit Gedanken. Geschlechterverhältnis und Rollenbild werden dabei ebenso hinterfragt wie Identitätsbildung und weibliches Selbstverständnis. Von Esther Graf
wina: In Ihrer Forschungsarbeit setzen Sie sich mit der Darstellung israelischer Soldatinnen in der Fotografie auseinander. Dabei stellen Sie Rückbezüge zur Darstellung der „schönen Jüdin“ im 19. Jahrhundert her. Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede konnten Sie feststellen?
Jihan Radjai-Ordoubadi: Das Bild der „schönen Jüdin“ wird als Topos in der Malerei und Literatur verstanden, ein Motiv, das auf das angeblich Fremde, das Andersartige fokussiert ist und eine Wahrnehmungsgeschichte zwischen Faszination, Anziehung und Aversion aufzeigt. Die „schöne Jüdin“ wurde in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts vor allem in den biblischen Figuren wie Salome und Judith als sinnliche, orientalische Frau porträtiert, die aus Sicht der christlichen Mehrheitsgesellschaft als Femme fatale interpretiert wurde und unterschiedliche Vorstellungswelten von Lust und Leidenschaft erzeugte. Man kann von Reizeffekten sprechen, die mit Klischees und Vorurteilen vermengt wurden.
wina: Was ist die Faszination an dem Foto der jüdischen Soldatin?
JRO: Ähnliche Reizeffekte liegen meines Erachtens dem Motiv der israelischen Soldatin in der Kunstfotografie zugrunde, so dass ich in meiner Untersuchung Differenzen und Gemeinsamkeiten offen legen will, um Transferprozesse und Neukonzeptionen zum jüdischen Frauenbild herauszustellen. In den letzten Jahren entstand eine Anzahl an Fotografie-Serien, die sich dezidiert mit dem Motiv der israelischen Soldatin auseinandersetzen und darin Zeugnisse von Geschlechterverständnis, Identität in Israel und Wahrnehmung der Figur widerspiegeln. Dabei stehen natürlich Brüche im Vordergrund, verbunden mit der steten Frage, warum die israelische Soldatin, die als schöne, junge Jüdin des Staates Israel gilt, derart Faszination ausübt, so dass sie sogar als Motiv im Bereich der Kunst und Literatur verwendet wird. Was mich dabei besonders interessiert, ist das Spannungsverhältnis in der Verwendung des Motivs, wenn die Soldatin in den Fotografien einerseits heroisch, schön und jung porträtiert und andererseits auch als Widerspruch zu ihrem Alter, der Aufgabe, der Verantwortung und der Funktion als Verteidigerin und Beschützerin des Staates Israel verstanden wird. Es geht also um Ikonenbilder und deren Wahrnehmung und darum, wie diese Bilder zugleich als Träger von Identität und Rollenverständnis funktionieren. Brisant wird das Motiv vor allen Dingen dann, wenn es in der Werbebranche Verwendung findet, wie zum Beispiel in einer Fotokampagne, die 2007 im Männermagazin Maxim veröffentlicht wurde und Gal Gadot und andere israelische Models als IDF-Soldatinnen in äußerst reizvollen Posen zeigt.
wina: Seit der Staatsgründung 1948 lassen sich drei Generationen von Fotografen ausmachen, die israelische Soldatinnen abgelichtet haben. Welchen Moden oder Weltanschauungen unterlag die Darstellungsweise? Waren die Soldatinnen immer mit Waffen zu sehen?
JRO: Anhand der unterschiedlichen Repräsentationen lassen sich tatsächlich Modetrends und Selbstdefinition der Zahal wiedererkennen. Bereits vor der Staatsgründung überwiegt das heroische Bild der Soldatin, die in den vorstaatlich militärischen Gruppierungen als Kämpferin und Beschützerin dargestellt wird, stets dabei zurecht gemacht und äußerst attraktiv, meist entsprechend dem Idealbild einer jungen Pionierin, die tatkräftig das Land verteidigt, wie zum Beispiel in Fotografien von Walter Zadek oder Zoltan Kluger. Die Soldatin wird dabei nicht in ihrer Weiblichkeit verneint, ganz im Gegenteil, zählt doch die Teilnahme von Frauen in der Armee als Errungenschaft eines emanzipierten und modernen Staates. Die Waffe gilt dabei als ikonografisches Attribut, sie setzt klar und deutlich das Markante im Bild fest: die schöne, junge, israelische Kämpferin, bereit ihr Land zu verteidigen. Diese heroische Darstellung bricht, spätestens mit der Kunstfotografie von Adi Nes, der sich lediglich auf das Bild des Soldaten konzentriert, oder in den Fotografien von Nir Hod, der das Heroenbild subversiert, kippt, ja sogar bis hin zum Kitsch hochstilisiert. Die Fotoserie von Rachel Papo hingegen verdeutlicht, dass das Heroenbild letztlich hinfällig ist und Wehrdienst in Israel weitaus mehr bedeutet als für sein Land einzustehen. Ihre Fotografien wirken wie Ausschnitte aus dem Armeealltag, Momente einer Militärübung, die eher einige Widersprüche zum heroischen Ikonenbild aufdeckt: abgekämpfte Gesichter, leere Blicke, viel zu große Militärkleidung, zerzauste Haare … Ashkan Sahihi andererseits nimmt Vorstellungen und Bilder auf, die allgemein vertreten sind: Er zeigt junge, schöne Israelinnen, die durch die subtile Anbringung der Waffe in den Bildern eine Faszination ausüben: Gefahr und Sexiness sind dabei die treffenden Stichworte, ohne allerdings plakativ oder banal zu wirken. Obwohl auch Sahihis Fotos inszeniert sind, das heißt arrangiert und in der Komposition stimmig, haben sich die Soldatinnen so zeigen wollen, ihre Posen und ihre Gesten wurden nicht vorher abgesprochen, sondern der Künstler folgte den Porträtabsichten der Soldatinnen.