Großbaustellen und Marketing für Kids

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Nur wenige österreichische Unternehmen verfügen über Tochterfirmen in Israel. Für Exporteure ist es selten nötig, es gibt genug professionelle Handelsvertreter. Lediglich komplexe Servicedienstleistungen oder spezialisierte Marktbearbeitung verlangen dauernde Präsenz. Von Reinhard Engel

Es sollte nur wenige Monate dauern. Zu Beginn des Sommers gab es bei KIKA in Netanya schon einen hektischen Abverkauf – inklusive wildem Gedränge und einem Aufgebot an muskulösen Sicherheitsmännern. Allerdings handelte es sich nicht um eine der üblichen Preissenkungen bei saisonaler Ware, sondern bereits um das Ende des gesamten Projekts. Paul Koch, Geschäftsführer der KIKA-Gruppe mit 50 Möbelhäusern und 7.700 Beschäftigten in sechs Ländern will wegen rechtlicher Unsicherheiten nicht dazu Stellung nehmen. Doch mit einer zweiten Chance in Israel rechnet man in der Konzernzentrale in St. Pölten nicht mehr.

Als KIKA vor einem Jahr, im September 2011, nach IKEA als zweiter Europäer ein großes Möbelhaus eröffnete, hatte das Projekt schon drei Jahre Vorlaufzeit hinter sich gebracht: Es waren nicht nur genaue Marktstudien über die israelischen Konsumenten erstellt worden, es hatte intensive Schulungen der künftigen Mitarbeiter gegeben sowie technische Anleitungen zum Aufbau eines elektronischen Bestellsystems. Zunächst mussten allerdings viel handfestere Probleme erledigt werden – wie die Festlegung des Standortes und das Ersetzen ursprünglich geplanter Investoren, weil diese wegen der Finanzkrise plötzlich nicht mehr mitmachen konnten.

„... schließlich dürfte KIKA – anders als in Österreich und Mittelosteuropa – nicht genau den Kundengeschmack getroffen haben.“

 Bei KIKA in Netanya handelte es sich nicht um eine Tochterfirma der österreichischen Unternehmensgruppe Leiner-KIKA, die zur Gänze der Familie Koch gehört. Es wurde vielmehr als Franchise-Konstruktion mit zwei israelischen Partnern gegründet. G. Solomon Holdings hielt 85 Prozent der Anteile, weitere 15 lagen bei der Bau- und Immobilienfirma Ashtron Properties, die den Möbelmarkt auch gebaut hat und der das Grundstück gehörte. Die Franchise-Lizenz hat Solomon Batito erworben, der Besitzer von Solomon und Immobilien-Spezialist für Einzelhandelsketten und Einkaufszentren.

Keine Lust zu warten

KIKA hatte schon vom Start weg in Israel eine schlechte Presse. Noch bevor aufgesperrt wurde, noch ehe das erste Preisschild aufgeklebt worden war, konnte man schon lesen, dass das Möbelhaus viel teurer sei als IKEA. Auf stürmische Eröffnungstage folgte dann bald ein Einbruch beim Kundeninteresse. Es dürfte ein Mix aus verschiedenen Gründen gewesen sein: Israelische Kunden wollen nicht monatelang auf Bestellungen aus dem Ausland warten; manche Preise scheinen doch zu ambitioniert kalkuliert worden zu sein; schließlich dürfte KIKA – anders als in Österreich und Mittelosteuropa – nicht genau den Kundengeschmack getroffen haben.

Auf der betriebswirtschaftlichen Seite verfügten die Investoren weder über genügend Kapital, noch wollten sie eine längere Anlaufphase in Kauf nehmen. Jedenfalls waren die Franchisenehmer nach einigen Monaten bereits bei den Gehältern im Rückstand und sperrten schließlich zu. Der Abverkauf im Juni wurde dann bereits von einem Masseverwalter abgewickelt. KIKA selbst verliert damit hauptsächlich an Renommee – und muss natürlich die Ausgaben für all jene Arbeiten abschreiben, die im mehrjährigen Projektvorlauf von österreichischen Mitarbeitern geleistet wurden. Warenlieferungen sind durch Banken besichert. Damit ist einer der wenigen international bekannten österreichischen Markennamen wieder aus der israelischen Szenerie verschwunden.

Davon gibt es ohnehin nicht sehr viele, wie der österreichische Wirtschaftsdelegierte Christian Lassnig weiß. „Natürlich freut man sich, wenn man irgendwo Gösser Bier sieht, aber das macht nicht den Großteil der Exporte aus.“ Unter den Markenartikeln ist etwa Red Bull in Israel wahrnehmbar, wenn auch die Konkurrenz zwischen den modischen Powerdrinks hier härter ausfällt als zuhause. Dennoch hat sich der Salzburger Konzern hier eine eigene Vertriebsgesellschaft geleistet, zu den geschäftlichen Daten darf Yael Pomerance, die PR-Managerin in Tel Aviv, freilich nichts preisgeben: „Es tut mir leid, aber es ist bei uns generell so, dass wir zu Unternehmensfragen keine Auskunft geben.“ Die Website von Red Bull ist jedenfalls so gestrickt wie die anderer Landesgesellschaften auch: Man findet Berichte internationaler Sport-Events von Formel Eins bis zum Motocross-Erzberg-Rodeo. Daneben stehen Fotos und Filmchen von lokalen Partys, und auch bewährte Klassiker wie Flugtage mit seltsamen Objekten oder Skateboard-Bewerbe für Kids werden für Israel adaptiert.

„Für Exporteure aus Österreich ist es meist gar nicht notwendig, hier eine eigene Vertriebsfirma aufzusperren“, argumentiert Wirtschaftsdelegierter Lassnig. Das gilt nicht nur für kurzlebige Konsumgüter, sondern ebenso für die weitaus wichtigeren Lieferungen österreichischer Produzenten, nämlich Maschinen und Anlagen. „Hier gibt es professionelle Händler, die oft schon über mehrere Generationen mit österreichischen Herstellern zusammenarbeiten. Diese kennen den lokalen Markt genau und sind auch selbst gut bekannt.“ Das betrifft etwa Maschinenbauer wie Engel in Oberösterreich, der als Spritzgieß-Spezialist immer wieder an die israelische Industrie liefert, oder Plasser & Theurer, dessen Gleisstopfmaschinen von zahlreichen Bahnverwaltungen rund um den Erdball eingesetzt werden. „Zumeist bietet der Vertreter dann auch noch Serviceleistungen für die Anlagen an“, weiß Lassnig. Wenn etwas Gröberes zu reparieren ist, fliegt – wie auch in anderen Regionen – ein Team aus der Zentrale ein.

Einkaufen auf 5.000 Quadratmetern

Umdasch liefert mit seiner Tochter Shopfitting direkt aus Österreich nach Israel – ohne Vertriebsgesellschaft vor Ort. Shopfitting stattet weltweit Kaufhäuser und Einzelhandelsketten mit Regalsystemen aus. Und in Israel war dies zuletzt der Flagship-Store der Hamashbir-Kette am Jerusalemer Kikar-Zion-Platz, in einem historischen Gebäude untergebracht, ein innerstädtisches Kaufhaus mit immerhin 5.000 Quadratmetern.

„Natürlich freut man sich, wenn man irgendwo Gösser Bier sieht, aber das macht nicht den Großteil der Exporte aus.“

Vielversprechender Markt

Die zweite Umdasch-Tochtergruppe Doka agiert anders. „Wir verfügen in Israel über eine eigene Niederlassung, mit etwa 30 ständigen Mitarbeitern“, erzählt Jürgen Reimann, der Doka-Konzernsprecher. Doka hat ein modulares, wiederverwendbares System für Beton-Schalungen entwickelt – die grellgelbe Farbe leuchtet von Weitem von den Baustellen –, und Israel ist dafür ein vielversprechender Markt. Momentan in Arbeit ist ein mächtiges Bürohochaus in Ramat Gan, der so genannte Champion Tower, der Ende 2013 fertig werden soll. „Aber wir haben bereits zwei weitere interessante Folgeprojekte“, erzählt Reimann. „Es handelt sich dabei um Tunnelbauten im Zuge der Errichtung der Hauma Train Station, ein Eisenbahnprojekt zwischen Tel Aviv und Jerusalem, sowie um das Projekt Bridge Road 4 to 20, ein Straßenbauvorhaben ebenfalls zwischen Tel Aviv und Jerusalem.“

Dabei arbeiten die Doka-Leute selbst meist nicht unmittelbar auf den Baustellen. Die 30 Mann wären auch für Großprojekte viel zu wenige. Reimann: „Die lokalen Baufirmen nutzen unsere technischen Lösungen wie die Schalungstechnik und weitere Dienstleistungen. Vor Ort sind unsere Fachleute – die Doka-Richtmeister – mit Ihrem Know-how bei der Schalungsmontage und unterweisen dabei das Baustellen-Team.“

„Unsere Fachleute sind mit ihrem Know-how vor Ort und unterweisen damit die heimischen Teams.“

Ein besonderes Team hat auch Siemens Österreich in Israel stationiert. Es handelt sich um ein so genanntes „Garantie-Team“ im Haifa Depot der Israelischen Eisenbahn. Sie kümmern sich um die Wartung der insgesamt 118 Personenzugwaggons. Und in den letzten Jahren wurden 31 moderne Doppelstockwaggons aus österreichischer Produktion geliefert.

Clusterpartner Israel

Doch das sind nicht die einzigen Verknüpfungen des deutschen Weltkonzerns mit Israel via Wien oder Graz. Seit einigen Jahren gehört nämlich Siemens Israel zum Regionalcluster Mittel- und Osteuropa, der von Wien aus gesteuert wird – wie übrigens auch die Türkei. Denn die beiden Länder wollte man bei einer Neuordnung nicht ihren regionalen arabischen Nachbarn zuordnen, und Wien verfügte bereits über viel Erfahrung mit der Betreuung und Entwicklung von Tochtergesellschaften.

„Ja, Siemens Israel berichtet seine Zahlen nach Wien“, erzählt Veronika Nemcova, eine Sprecherin der Landesgesellschaft in Rosh Ha’ayin. „Dort werden sie mit den Zahlen aller CEE-Länder gebündelt und an das Siemens-Hauptquartier in München weitergeleitet. Die israelischen Manager nehmen regelmäßig an Managementsitzungen in Wien teil. Das betrifft die Ebene des Generaldirektors und des Finanzvorstands ebenso wie jene der einzelnen Sektoren – also die Verantwortlichen für Industrie, Energie, Medizintechnik sowie Infrastruktur und Städte.“ Mit einem neuen Schwerpunkt von Siemens Israel, der Solartechnologie, hat die österreichische Landesgesellschaft bisher keine inhaltlichen Berührungspunkte – jenseits des Zahlenwerkes.

Siemens ist dabei nicht der einzige deutsche Konzern, der Israel via Österreich bearbeitet. Puma, die internationale Sport- und Modemarke, hat vor Kurzem in Israel eine eigene Tochterfirma zur konsequenteren Markterschließung gegründet. Geführt wird Puma Israel über eine Konzerntochter in Salzburg.

[box_info]WINA Info

Hohe Qualität, ausbaufähig

Der österreichisch-israelische Handel bewegt anspruchsvolle Güter in beide Richtungen, das Gesamtniveau ist allerdings niedrig. Es waren im Vorjahr durchaus technologisch hochwertige Waren, die Österreich und Israel ausgetauscht haben: Österreich exportierte Schienenfahrzeuge, Maschinen, elektrotechnische Ausrüstungen, Mess- und Prüfgeräte, Chemikalien und Pharmazeutika. Dagegen spielten Möbel, Holz und Papier eher eine nachrangige Rolle. Ähnliches gilt für die israelische Seite: Schon längst rangieren Obst und Gemüse deutlich hinter Lieferungen von elektrischen Maschinen, Medizintechnik und Nachrichtengeräten.

Was das Gesamtvolumen angeht, zählen die beiden Länder füreinander nicht gerade zu den wichtigsten Handelspartnern: 2011 verschickte Österreich Waren von knapp 300 Mio. Euro nach Israel, Unternehmen von dort sandten Güter im Wert von etwas mehr als 200 Mio. Euro in Richtung Alpen. Zum Vergleich: Österreich exportierte im Jahr 2010 ins kleine Nachbarland Slowenien Waren und Dienstleistungen von 2,22 Mrd. Euro, Israel seinerseits in die Niederlande um 2,1 Mrd. Dollar. Bei den Direktinvestitionen sind die Unterschiede noch dramatischer: Österreich hatte im Vorjahr in Israel rund 30 Mio. Euro investiert, berichtet die Wirtschaftskammer. In Slowenien waren dies ein Jahr zuvor bereits 5,2 Mrd. Euro.

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